Читать книгу Ur-Praxis - Frank Viola - Страница 5

Оглавление

Einleitung: Zurück zum biblischen Bericht

Institutionen und Bewegungen, die entstehen, um dem Leben Ausdruck zu verleihen, ersticken durch die ihnen innewohnende Verderbtheit am Ende oft gerade dieses Leben. Sie bedürfen daher ständig einer kritischen Überprüfung und müssen immer wieder zum ursprünglichen Geist und Zweck zurückgeführt werden. Die christliche Gemeinde bildet da keine Ausnahme. Im Gegenteil: Sie ist ein Paradebeispiel für diesen Tatbestand.

E. Stanley Jones

Der Zweck dieses Buches ist einfach: Es will darlegen, was wir in der Bibel zum Thema Gemeindegründung finden, und es für die heutige Zeit wieder nutzbar machen.

Der Ursprung bestimmt das Endziel

Die Bibel legt großen Nachdruck auf Ursprünge, denn in geistlichen Dingen bestimmt der Ursprung das, was am Ende herauskommt. Deshalb sind auch Geschick und Qualität einer Gemeinde von ihrem Ursprung her bestimmt. Anders ausgedrückt: Wie eine Gemeinde gegründet wird, hat tiefgreifende Auswirkungen auf ihren Charakter, ihre Effektivität und ihre Zukunft. Bedenken Sie, was Paulus schreibt:

Ich habe gepflanzt, Apollos hat begossen, Gott aber hat das Wachstum geschenkt. Auf wen kommt es denn nun an? Doch nicht auf den, der pflanzt, oder auf den, der begießt, sondern auf den, der das Wachstum schenkt, auf Gott.

Und was ist mit dem, der pflanzt, und mit dem, der begießt? Ihre Aufgaben, so unterschiedlich sie sind, dienen demselben Ziel, und beide werden von Gott ihren Lohn bekommen – den Lohn, der ihrem persönlichen Einsatz entspricht.

Es ist also Gottes Werk, an dem wir miteinander arbeiten, und ihr seid Gottes Ackerfeld; ihr seid Gottes Bauwerk. Die Gemeinde ist Gottes Tempel – das Fundament, das Baumaterial und die Bauleute.

Weil Gott mich in seiner Gnade dazu befähigt hat, habe ich als ein kluger und umsichtiger Bauleiter das Fundament gelegt; andere bauen jetzt darauf weiter. Aber jeder soll sich sorgfältig überlegen, wie er die Arbeit fortführt. Das Fundament ist bereits gelegt, und niemand kann je ein anderes legen. Dieses Fundament ist Jesus Christus.

Wie nun aber jemand darauf weiterbaut – ob mit Gold, Silber, Edelsteinen, Holz, Schilfrohr oder Stroh –, das wird nicht verborgen bleiben; der Tag des Gerichts wird bei jedem ans Licht bringen, welches Material er verwendet hat. Denn im Feuer des Gerichts wird das Werk jedes Einzelnen auf seine Qualität geprüft werden (1 Kor 3,6-13; NGÜ).

Hier verwendet Paulus zwei Bilder, um das Werk der Gemeindegründung zu beschreiben: die Bepflanzung eines Feldes und die Konstruktion eines Hauses. Gemeindegründer sind nach Paulus vergleichbar mit „Bauern“ und „Bauleuten“: Sie „pflanzen“ und „bauen“ Gemeinden.

Ein Gemeindegründer (oder Gemeindepflanzer) ist jemand, der den Samen des Evangeliums „aussät“, woraus – in der Folge – Gemeinde entsteht. Dazu schreibt Charles Brock:

Die Vorstellung, dass jemand Gemeinden „pflanzt“, ist für viele eher ungewohnt. Ein Gemeindegründer ist jemand, der – ob in seiner Heimat oder im Ausland – den Samen des Evangeliums so ‚aussät‘, dass eine neutestamentliche Gemeinde entsteht und wächst.1

Paulus bezeichnet die Gemeinde als Ackerfeld. Er sieht sie aber auch als lebendigen Bau. Spricht er vom Ackerfeld, dann hat er kein brachliegendes, sondern ein bebautes Feld vor Augen, auf dem zum Beispiel Weizen gedeiht.2 Beide Bilder bezeugen das organische Wesen von Gemeinde. Die Gemeinde ist ein lebendiger Organismus.

In diesem Abschnitt nennt Paulus drei Grundvoraussetzungen für die Gründung gesunder Gemeinden:

1. Die Kompetenz dessen, der Gemeinden pflanzt oder baut:

Weil Gott mich in seiner Gnade dazu befähigt hat, habe ich als ein kluger und umsichtiger Bauleiter das Fundament gelegt (1 Kor 3,10a).

2. Die Baustoffe:

Wie nun aber jemand darauf weiterbaut – ob mit Gold, Silber, Edelsteinen, Holz, Schilfrohr oder Stroh –, das wird nicht verborgen bleiben; der Tag des Gerichts wird bei jedem ans Licht bringen, welches Material er verwendet hat. Denn im Feuer des Gerichts wird das Werk jedes Einzelnen auf seine Qualität geprüft werden (1 Kor 3,12-13).

3. Die Bauweise:

Aber jeder soll sich sorgfältig überlegen, wie er die Arbeit fortführt (1 Kor 3,10b).

Mechanisch oder organisch?

Leider haben heute viele Christen die naive Vorstellung, die Gründung einer Gemeinde gleiche dem Zusammensetzen von Legosteinen. Man stecke seine Nase in die Bibel, untersuche die Praktiken der Urgemeinde, ahme diese möglichst getreu nach, und – siehe da! – schon hat man eine funktionierende „neutestamentliche Gemeinde“ geschaffen. Diese mechanische Methode der Gemeindebildung nenne ich „biblisches Blaupausentum“.

Biblisches Blaupausentum ist auf eine ziemlich dürftige Ekklesiologie und ein Missverständnis vom organischen Wesen des Gemeindelebens zurückzuführen. Deshalb ist es höchst mangelhaft.

Eine authentische Gemeinde kann nicht allein von Menschenhand entstehen – genauso wenig wie menschliche Nachahmungskunst und Einfallsreichtum eine Frau erschaffen können. Eine Frau muss geboren und danach so lange ernährt werden, bis sie sich von selbst weiterentwickelt.

Verzeihen Sie mir einen krassen Vergleich: Das Verschnüren von ein paar Armen und Beinen und einem Kopf mit einem weiblichen Rumpf ergibt noch kein Mädchen. Dem bloßen Auge mag es zwar so vorkommen und einem menschlichen Wesen zum Verwechseln ähnlich ausschauen. Nur fehlt diesem „Wesen“ das zum Menschsein Wesentliche: Leben. Leben entsteht durch Geburt. Dieses Prinzip gilt auch für die Gründung von Gemeinden.

Biblisches Blaupausentum rührt von der Vorstellung, das Neue Testament sei ein Regelwerk vergleichbar einem neuen 3. Buch Mose. Verfechter dieser Methode gehen an die Bibel heran wie Ingenieure an ein Lehrbuch: Analysiere und kapiere die Strukturprinzipien und wende sie dann an.

Gemeindegründung ist aber keine Technik für Ingenieure. Und das Neue Testament ist weder ein Regelwerk noch ein Handbuch, sondern ein Bericht über DNA der Gemeinde in Aktion. T. Austin-Sparks sagt dazu:

Tatsache ist, dass – obwohl sich die Gemeinden im Neuen Testament durch einige gemeinsame Merkmale auszeichnen – das Neue Testament uns kein komplettes Muster an die Hand gibt, nach dem Gemeinden zu gestalten wären. Es gibt im Neuen Testament keine Blaupause für den Bau von Gemeinden. Wer dennoch den Versuch unternimmt, neutestamentliche Gemeinden zu bilden, läuft Gefahr, ein neues System zu schaffen, das am Ende genauso gesetzlich, sektiererisch und tot ist wie alle anderen. Gemeinden sind, wie die Gemeinde als Ganzes auch, Organismen, die aus dem einen Leben geboren werden, das dem Kreuz Christi entspringt und in jeden Gläubigen hineingepflanzt worden ist. Ohne Gläubige, die nicht selbst gekreuzigte Menschen sind, kann es echte Gemeinde nicht geben.3

Der menschlichen Spezies ist Familie in die Erbanlagen gelegt worden. Es wird immer Väter, Mütter und Kinder geben. Das gehört selbstredend zur unverbrüchlichen Schöpfungsordnung.

In gleicher Weise gehört organisches Gemeindeleben – die Erfahrung des Leibes Christi – zum Erbgut der christlichen Spezies. Es steckt dem Universum sozusagen im Blut. Sobald bestimmte Grundvoraussetzungen gegeben sind, bricht das organische Leben des Leibes Christi inmitten einer Gruppe von Christen spontan hervor.

Heute stehen wir vor der Herausforderung, allen Ballast abzuwerfen, damit dieses Leben des Leibes auf natürliche Weise wachsen und gedeihen kann. Dies bringt uns auf Konfrontationskurs mit vielen traditionellen Gemeindegründungsprinzipien.

Was ist organische Gemeinde?

Wie schon an anderer Stelle ausgeführt, verwende ich diesen Begriff schon seit über fünfzehn Jahren. Inzwischen ist er zu einer Knetmasse verkommen. Jeder meint, er könne ihn nach Belieben formen und gestalten, und er wird ganz unterschiedlich gedeutet.

Unter organischer Gemeinde verstehe ich eine Gemeinschaft, die aus geistlichem Leben gezeugt wurde und weder das Produkt menschlicher Institutionen ist, noch durch religiöse Programme zusammengehalten wird. Organisches Gemeindeleben ist für jeden Christen erfahrbar und zeichnet sich durch persönliche, beziehungsorientierte Gemeinschaft, aktive Mitarbeit aller Mitglieder, offene Beteiligung aller an den Zusammenkünften (im Gegensatz zu pastoralen „von vorne“ geleiteten Gottesdiensten) sowie eine nicht-hierarchische Leiterschaft aus. Dabei nimmt Christus die zentrale und unangefochtene Stellung ein und bestimmt als Leiter und Haupt das Geschehen in der Versammlung.

Im Gegensatz dazu gilt: Immer wenn wir von Sünde gezeichnete Sterbliche versuchen, eine Gemeinde wie ein Geschäft aufzuziehen, verleugnen wir die organische Natur des Gemeindelebens. Organische Gemeinde entsteht ganz natürlich dort, wo eine Gruppe von Menschen Jesus Christus wirklich begegnet ist (äußerliche, kirchliche Requisiten sind dazu nicht nötig) und die DNA der Gemeinde ungehindert wirken kann. Der Kontrast ist vergleichbar dem Unterschied zwischen einem Luftzug, der durch einen Ventilator erzeugt wird und einem Wind auf freiem Feld.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass organische Gemeinde kein Theaterstück ist, das nach einem vorgegebenen Drehbuch abläuft. Vielmehr ist sie ein Lebensstil – eine authentische Reise mit dem Herrn Jesus und seinen Jüngern.

Den Unterschied zwischen einer organischen und einer nicht-organischen Gemeinde kann man vergleichen mit dem Unterschied zwischen einem Industriekonzern und Gottes Schöpfung. Das eine wurde von Menschen gegründet, das andere von Gott geschaffen; das eine ist künstlich, das andere lebendig und organisch.

Deshalb sind Gemeindegründer wie Landwirte und Hebammen.

1 Charles Brock, The Principles and Practice of Indigenous Church Planting. Nashville, TN: Broadman, 1981, 12-13.

2 Der griechische Begriff bedeutet wörtlich „bebautes Feld“. Das Neue Testament verwendet zur Bezeichnung Christi und dessen Volk interessanterweise stets Weizen (Joh 12,24; 4,35; Mk 4,29; Lk 10,2).

3 T. Austin-Sparks, Words of Wisdom and Revelation. St. Charles, MO: Three Brothers, 1971, 62.

Ur-Praxis

Подняться наверх