Читать книгу Was können wir hoffen? - Franz-Josef Nocke - Страница 11
Fortschritt
ОглавлениеWir sangen in unserer katholischen Jugendgruppe: „Wann wir schreiten Seit an Seit…, fühlen wir, es muss gelingen: Mit uns zieht die neue Zeit.“ Es war uns fast selbstverständlich, dass „die neue Zeit“ eine bessere Zeit sein würde, es schien uns auch nicht zu hoch gegriffen, dass diese bessere Zeit „mit uns“ kommen, uns „gelingen“ werde. Als wir erfuhren, dass dieses aus der Arbeiterbewegung stammende (und ursprünglich nicht ausdrücklich christliche) Lied erst nachträglich, nach seiner Rezeption in der kirchlichen Jugend, mit der Zeile „Christus Herr der neuen Zeit“ „getauft“ worden war, fanden wir das ganz logisch. Natur und Übernatur gehörten ja zusammen. Und so verband sich die Hoffnung auf Gottes Reich gern mit dem Glauben an den sichtbaren und spürbaren Fortschritt.
Das Wort „Fortschritt“ galt zwar im traditionellen Katholizismus als verdächtig. Aber dann kam uns der französische Jesuit Pierre Teilhard de Chardin mit seiner Vision vom universalen Fortschritt zu Hilfe: In der biologischen Evolution, im technischen und politischen Fortschritt sah er den Schöpfer Gott und den Weltvollender Christus am Werk. Teilhards Werke, deren Veröffentlichung zu seinen Lebzeiten kirchenamtlich verboten war, erschienen mit seinem Tod 1955 und gingen sofort wie ein Lauffeuer durch die katholische Welt. Sie wurden von vielen, die nach einer weltbejahenden Gestalt des Glaubens suchten, mit Heißhunger studiert und angeeignet. Einen Widerhall dessen konnte man in der Konzilskonstitution „Die Kirche in der Welt von heute“ (1965) erkennen, wo von der „Gestaltung dieser Erde“ die Rede ist, „auf der uns der wachsende Leib der neuen Menschenfamilie eine umrisshafte Vorstellung von der künftigen Welt geben“ könne.3