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In den Himmel kommen

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„Lieber Gott, mach mich fromm, dass ich in den Himmel komm!“ – das war in der Zeit meiner Kindheit das bekannteste Kindergebet. Die Akzentuierung war nicht zufällig. Der Einheitskatechismus von 1925 begann mit der Frage: „Wozu sind wir auf Erden?“ Die Antwort lautete: „Wir sind dazu auf Erden, dass wir den Willen Gottes tun und dadurch in den Himmel kommen.“ In diesem Sinne definierte die zeitgenössische neuscholastische Theologie auch die Hoffnung, nämlich als „Tugend, durch welche wir die übernatürlichen Güter von Gott unter eigener Mitwirkung zu erlangen vertrauen“.2 Mit den „übernatürlichen Gütern“ war vor allem die ewige Seligkeit nach dem Tod gemeint.

Ich sah damals keinen Grund, solche Definitionen zu kritisieren; aber meine persönliche Hoffnung richtete sich eher auf „natürliche Güter“: darauf, dass der Krieg zu Ende ginge, dass unser Vater aus Russland heimkehre, dass wir wieder in unsere Heimat ziehen könnten, später: dass man ohne Bezugscheine einkaufen und wir ohne Reisemarken auf Fahrt gehen könnten, dass eine Freundschaft wachsen würde, und schließlich, als sich mein Blick weitete: dass es gelingen möchte, aus dem zerstörten Deutschland ein demokratisches, friedliebendes, nach christlichen Grundsätzen aufgebautes Land zu machen. Mit anderen Worten: Meine Religionsunterrichts-Hoffnung war zunächst weit entfernt von meiner Lebens-Hoffnung. Die beiden Hoffnungen gerieten nicht unbedingt in Konkurrenz zueinander; aber sie schienen auch wenig miteinander zu tun zu haben.

Ich denke, so wird es vielen Christen und Christinnen meiner Generation gegangen sein: Was man die göttliche Tugend der Hoffnung nannte, hatte weniger mit der Lebensperspektive oder der politischen Zukunft zu tun als mit dem, was nach diesem Leben und nach dem Ende der Welt käme. Auf die Gestaltung des irdischen Lebens hatte die eschatologische Hoffnung nur insofern Einfluss, als dieses Leben als Zeit der moralischen Bewährung galt, welche im Endgericht heilsentscheidend sein würde.

Was können wir hoffen?

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