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2 Nicht Fahrpläne, sondern Perspektiven
ОглавлениеDie Bildersprache der Hoffnung
„Lies keine Oden, mein Sohn, lies die Fahrpläne: sie sind genauer“ – als Hans Magnus Enzensberger vor fünf Jahrzehnten diese Verse „Ins Lesebuch für die Oberstufe“1 schrieb, ging es ihm wohl kaum um eine allgemeine Reflexion über die Sprache, sondern eher um einen politischen Appell. Manche Zeitgenossen nahmen diesen Text aber wie ein literarisches Programm: Poesie, die Sprache der Bilder, sei nicht mehr brauchbar, gebraucht werde die harte Sprache genauer Informationen.
Wie ein direkter Widerspruch dazu klingen einige Sätze in dem Grundsatzdokument der Würzburger Synode der westdeutschen Bistümer von 1975. In diesem Dokument, überschrieben „Unsere Hoffnung. Ein Bekenntnis zum Glauben in dieser Zeit“, heißt es:
„Wir Christen hoffen auf den neuen Menschen, den neuen Himmel und die neue Erde in der Vollendung des Reiches Gottes. Wir können von diesem Reich Gottes nur in Bildern und Gleichnissen sprechen, so wie sie im Alten und Neuen Testament unserer Hoffnung, vor allem von Jesus selbst, erzählt und bezeugt sind. Diese Bilder und Gleichnisse vom großen Frieden der Menschen und der Natur im Angesichte Gottes, von der einen Mahlgemeinschaft der Liebe, von der Heimat und vom Vater, vom Reich der Freiheit, der Versöhnung und der Gerechtigkeit, von den abgewischten Tränen und vom Lachen der Kinder Gottes […], wir können sie nicht einfach ‚übersetzen’, wir können sie eigentlich nur schützen, ihnen treu bleiben und ihrer Auflösung in die geheimnisleere Sprache unserer Begriffe und Argumentationen widerstehen, die wohl zu unseren Bedürfnissen und von unseren Plänen, nicht aber zu unserer Sehnsucht und von unseren Hoffnungen spricht.“2
Hinter den zuspitzenden Formulierungen der letzten Zeilen steht eine Auseinandersetzung um die Genauigkeit der Sprache, den Wirklichkeitsgehalt des Glaubens und die Wissenschaftlichkeit der Theologie. Bewegt sich der Glaube, wenn er zum Beispiel von der Versammlung der Völker auf dem Berg Sion, vom Kommen des Menschensohns auf den Wolken des Himmels, von der Auferstehung der Toten aus den Gräbern usw. redet, in einem überholten Weltbild? Spricht er die Sprache einer untergegangenen Vorstellungswelt? Wäre heute nicht eine genauere Sprache angebracht? In dieser Frage vollzog sich in der Theologie der letzten Jahrzehnte ein Wandel, den man als hermeneutischen Schlüssel zum Verstehen der neueren Eschatologie bezeichnen könnte.