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B. Hinweise zur Lösung von Klausuren im Allgemeinen

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Anleitungen zur Fertigung von Klausuren gibt es in der Ausbildungsliteratur in kaum noch zu übersehender Menge. Im Folgenden werden die nach den Erfahrungen der Verfasser wichtigsten allgemeinen Hinweise zur Erstellung von Klausurlösungen zusammengestellt. Allen Leser*innen sei empfohlen, sich ständig mit Fragen der juristischen Methodenlehre und der Logik zu beschäftigen. Zur weiteren Vertiefung sei auf die in Rn. 19 aufgeführten Fundstellen hingewiesen.

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Der Sachverhalt ist sorgfältig zu lesen; auf jede Einzelheit ist zu achten. Oftmals werden im Sachverhalt die zu erörternden Rechtsprobleme in tatsächlicher Hinsicht aufbereitet. Allerdings wird insbesondere im fortgeschrittenen Stadium nicht jedes zu erörternde Rechtsproblem im Sachverhalt explizit angesprochen. Solche „versteckten“ Rechtsprobleme sollen insbesondere besseren Studierenden Gelegenheit geben, in höhere Punktbereiche vorzudringen.

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Die Fragestellung genau zu erfassen, ist von größter Bedeutung. Die für eine verwaltungsrechtliche Klausur typische Frage ist diejenige nach den Erfolgaussichten eines Rechtsbehelfs (Rn. 20). Hier wäre eine Lösung grob fehlerhaft, die sich auf die Sachentscheidungsvoraussetzungen oder die Begründetheit beschränkt. Bisweilen wird aber lediglich nach der materiellen Rechtslage gefragt, oder es werden lediglich prozessuale Aspekte abgefragt (Rn. 21). Dann würde die Bearbeitung des Ungefragten nicht nur wertvolle Zeit kosten, sondern zudem als grober Fehler bewertet werden.

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Von nicht zu unterschätzender Bedeutung sind auch die Bearbeitungshinweise, die – sofern erforderlich – üblicherweise an die Fragestellung angeschlossen werden. In ihnen werden etwa Vorschriften aufgeführt, die sich nicht in den gängigen Gesetzessammlungen befinden, aber gleichwohl für die Klausurlösung von Bedeutung sind. Zudem können die Bearbeitungsweise den Prüfungsumfang eingrenzen. Beispiel: Eine polizeirechtliche Klausur enthält den Bearbeitungshinweis „Bestimmungen des Versammlungsrechts sind nicht zu prüfen.“ Auch hier gilt: Wird gleichwohl Ungefragtes geprüft, so geht nicht nur wertvolle Bearbeitungszeit verloren; zudem wird dies auch hier regelmäßig als fehlerhaft bewertet.

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Die Lösung ist im so genannten Gutachtenstil zu erarbeiten. Der Gutachtenstil erschöpft sich nicht in der Anwendung des Konjunktivs. Richtiger Gutachtenstil ist vor allem richtiger Fragestil. Die Fragestellung erfolgt in Form von Obersätzen und zwar nach dem Wenn-dann-Schema. Der Lösungsprozess beginnt mit dem eigentlichen Obersatz, der grob skizziert, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, um die Fallfrage in dem einen oder anderen Sinne zu beantworten. Dieser „Einleitungsobersatz“ wird im Gutachten immer weiter in Einzelfragen zerlegt, die Schritt für Schritt beantwortet werden. Je weiter sich die Rechtsfrage auffächert, desto differenzierter werden die Obersätze. Ob die Einzelfragen im Konjunktiv („des Weiteren müsste eine Gefahr vorgelegen haben“) oder im Indikativ („Voraussetzung ist ferner das Vorliegen einer Gefahr“) aufgeworfen werden, ist unwesentlich. Die falsche Verwendung des Konjunktivs ist allerdings unschön. Wenn er nicht beherrscht wird – dies gilt insbesondere für den „starken“ Konjunktiv –, sollte auf seine Verwendung verzichtet werden. Die im Obersatz aufgeworfene Frage muss am Schluss des den Obersatz betreffenden Abschnitts beantwortet werden; leider wird die Antwort häufig vergessen. Die Antwort muss sich zudem schlüssig aus der Darstellung ergeben.

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Nicht allen Einzelfragen ist ein Obersatz voranzustellen. Bei unproblematischen Voraussetzungen wird kurz im Urteilsstil festgestellt, dass die Voraussetzung vorliegt. Dabei sollte jedoch nicht lediglich eine Behauptung aufgestellt werden („A ist klagebefugt.“), sondern in einem Nebensatz eine kurze Begründung mitgeliefert werden („Die Gemeinderatsfraktion X ist beteiligtenfähig im Sinne von § 61 Nr. 2 VwGO, weil sie jedenfalls in analoger Anwendung der Norm als Vereinigung anzusehen ist.“). Wird eine eigentlich zu prüfende Anforderung im Sachverhalt oder in den Bearbeitungshinweisen als erfüllt dargestellt, so genügt deren kurze Feststellung im Urteilsstil. Beispiel: Der Sachverhalt enthält den Hinweis, dass der/die Betroffene vor Erlass eines Verwaltungsakts ordnungsgemäß angehört wurde. Hier genügt in der Lösung die Feststellung, dass eine ordnungsgemäße Anhörung laut Sachverhalt durchgeführt wurde.

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Die Unterscheidung von problematischen und unproblematischen Aspekten ist eine hohe Kunst, die im Laufe des Studiums und der Examensvorbereitung langsam, aber stetig erlernt werden muss. Gerade in Anfängerklausuren werden oftmals unproblematische Aspekte zu ausführlich behandelt. Beispiel: In einer baurechtlichen Klausur erhebt ein Nachbar Anfechtungsklage gegen eine Baugenehmigung. Im Rahmen der Statthaftigkeit ist auch kurz auf die Frage einzugehen, ob es sich bei der Baugenehmigung um einen Verwaltungsakt handelt; es wäre jedoch verfehlt, wenn auf eine Länge von zwei oder mehr Seiten ausführlich die Merkmale des Verwaltungsakts nach § 35 VwVfG erörtert würden.

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Regelmäßig enthält die Fallfrage den Zusatz „gegebenenfalls hilfsgutachtlich“. Dies bedeutet nicht, dass in jedem Falle ein Hilfsgutachten erforderlich ist. Vielmehr ist es als Aufforderung zu verstehen, auf alle aufgeworfenen, aber im Hauptgutachten nicht behandelten Fragen einzugehen. Beispiel: In einer baurechtlichen Nachbarklage wird im Hauptgutachten mit vertretbarer Begründung die Klagebefugnis verneint. Wird im Sachverhalt auch die Frage der objektiven Rechtmäßigkeit des Bauvorhabens aufgeworfen, so wäre diese im Hilfsgutachten zu erörtern.

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Die Gliederung der Arbeit als solche ist bestimmt von dem Aufbauschema, welches für den zu lösenden Fall einschlägig ist. Sie ergibt sich aus der Sachlogik des zu lösenden Problems. Wenn ein Beteiligter einen bestimmten Rechtsbehelf eingelegt hat, sind regelmäßig dessen Sachentscheidungsvoraussetzungen zu prüfen. Beispiel: A erhebt eine Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht; die Sachentscheidungsvoraussetzungen dieser Klage sind der erste Prüfungsblock, erst danach wird die Begründetheit geprüft.

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Parallel zum Zivilrecht bedürfen bestimmte Tatbestände auch im öffentlichen Recht der rechtlichen „Aufarbeitung“. Daher ist es erforderlich, einen Grundbestand an Definitionen zu erlernen, etwa den Begriff der Gefahr im Polizei- und Ordnungsrecht. Zu bedenken ist aber, dass gerade im Verwaltungsrecht mit seiner Vielzahl von Einzelgesetzen immer wieder juristische Begriffe verwendet werden, die den Bearbeiter*innen unbekannt sind und vielen Jurist*innen ihr Leben lang unbekannt bleiben werden. Oftmals sind Klausuren gerade so konzipiert, dass die Bearbeiter*innen abseits vom üblichen Musterfall in der Lage sind, zu nachvollziehbaren Lösungen zu gelangen. Bisweilen werden Begriffe aber auch legaldefiniert. Beispiel: Die Bauordnungen der Bundesländer enthalten typischerweise Definitionen des Begriffs der „baulichen Anlage“.

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Auf Fragen allgemeiner Art ist nur dann einzugehen, wenn der Sachverhalt Veranlassung zur Antwortfindung bietet. Beispiel: Die Vereinbarkeit von Rechtsvorschriften mit höherrangigem Recht: Parlamentsgesetz mit dem Grundgesetz, Verordnung mit dem Parlamentsgesetz. Veranlassung auslösen kann hier ein Hinweis im Sachverhalt. Auch Rechtsnaturfragen sind ausschließlich dann zu klären, wenn die Problemlösung für die Rechtsfolge im Einzelfall wichtig ist. Beispiel: Qualifikation eines Anspruchs als öffentlich-rechtlich: davon ist die Eröffnung des Rechtswegs zu den Verwaltungsgerichten abhängig.

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Der sprachlichen Darbietung kommt insbesondere in Zweifelsfällen Bedeutung zu. Ist die Bearbeitung in einem schlechten Stil abgefasst oder hat sie Mängel in Rechtschreibung und Grammatik, wird der/die Korrektor/-in zum Punktabzug neigen. Indes ist darauf hinzuweisen, dass eine inhaltlich missratene Arbeit nicht durch überzeugende Sprache und korrekte Rechtschreibung gerettet wird. Sätze mit langem verschachteltem Satzaufbau, die mehrfach gelesen würden müssen, um sie zu verstehen, sind zu vermeiden. Vorzuziehen sind knappe Sätze mit klaren Aussagen. Das juristische Gutachten muss sprachlich korrekt, aber nicht sprachlich brillant sein. Die Zeit für die Bearbeitung einer Klausur ist viel zu knapp, um die sprachlich vollendete Formulierung zu finden. Außerdem beschränkt die juristische Fachsprache von vornherein die stilistischen Möglichkeiten. Es ist deshalb schwierig, im Gutachten eine „originelle“ Sprache zu entwickeln.

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Jüngere Ausbildungsliteratur zur juristischen Arbeitsweise:

Beaucamp, Typische Fehler in Klausuren, wie sie entstehen und wie man sie vermeidet, JA 2018, 757; Knaier, Das Nacharbeiten von Übungsklausuren in der Examensvorbereitung, JURA 2018, 495; Lemmerz/Bienert, Die Examensvorbereitung – Plädoyer für mehr Mut zur Selbstreflexion, JURA 2011, 335; Piliok, „h.M.“ ist kein Argument – Überlegungen zum rechstwissenscahftlichen Argumentieren für Studierende in den Anfangssemestern, JuS 2009, 394; Schmidt, Grundlagen rechtswissenschaftlichen Arbeitens, JuS 2003, 551; Schneider, Ratschläge für eine gelungene Klausurbearbeitung oder: ein Plädoyer für mehr Überzeugungsarbeit, JURA 2018, 165; Wolf, Sachverhaltsstrukturierung, JuS 2016, 309. Weitere, überwiegend ältere Literaturhinweise sind der Vorauflage unter Rn. 21 zu entnehmen.

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