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dd) Die Anhörung Beteiligter

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Die bedeutsamste Rechtsfolge der Beteiligtenstellung ist das Recht auf Anhörung[40]. Es folgt zwar nicht bereits aus Art. 103 Abs. 1 GG, da dieses grundrechtsgleiche Recht auf die Anhörung „vor Gericht“ begrenzt ist; es ist jedoch anerkannt, dass das Anhörungsrecht im Verwaltungsverfahren im Rechtstaatsprinzip verankert ist[41]. § 28 Abs. 1 stellt fest, dass dann, wenn ein VA erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, dem Beteiligten Gelegenheit zu geben ist, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern[42]. Daraus könnte geschlossen werden, ein Anhörungsrecht existiere nur im Falle des Erlasses eines belastenden VA. Allerdings kann es auch beim begünstigenden VA geboten sein, den Adressaten vor der endgültigen Entscheidung anzuhören. Dieses ist insbes. deshalb der Fall, weil ein Zurückbleiben hinter dem Antrag für den Antragsteller eine Belastung darstellt; deshalb kann es für das Anhörungsrecht nicht darauf ankommen, ob der zu erlassende VA ein begünstigender oder belastender ist[43]. Nur wenn die Behörde dem Antrag in vollem Umfang entsprechen und dem begünstigenden VA auch keine einschränkende Nebenbestimmung hinzufügen möchte, kommt § 28 nicht zur Anwendung[44].

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Weder der Grundsatz des rechtlichen Gehörs noch § 28 gewähren mehr als die Gelegenheit zur Stellungnahme[45]. Die betroffene Person muss aber in die Lage versetzt werden, vor dem Erlass der Entscheidung sachdienlich Stellung zu nehmen[46]. Es besteht deshalb für die Behörde keine Verpflichtung, den Einzelnen mit allen erlaubten Mitteln dazu zu bringen, sich zu äußern. Denkbar ist freilich, dass eine Fürsorgepflicht der Behörde für den schweigenden Beteiligten besteht, die bis zur Bestellung eines verantwortlichen Vertreters von Amts wegen gehen kann (vgl. § 16).

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Für den Zeitpunkt der Anhörung fehlt eine gesetzliche Aussage. Als allgemeiner Grundsatz gilt jedoch, dass die Anhörung zu einem Zeitpunkt stattzufinden hat, in dem eine reale Chance auf Einflussnahme besteht[47]. Die Anhörung muss deshalb in der Regel im Vorbereitungsstadium der Entscheidung durchgeführt werden. Wenn sich im Laufe der Durchführung des Verwaltungsverfahrens eine weitere Anhörung als notwendig erweist, so muss diese durchgeführt werden. Eine solche Notwendigkeit liegt vor, wenn sich für die Rechtsstellung des Beteiligten erhebliche Veränderungen ergeben. Die Anhörung darf zudem erst dann vorgenommen werden, wenn dem Anzuhörenden bekannt ist, zu welchen Tatsachen er gehört werden soll; diese Tatsachen müssen ihm rechtzeitig mitgeteilt werden.

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Über die Form der Anhörung gibt es keine allgemein geltenden Grundsätze. Es ist aber davon auszugehen, dass die dargestellten Funktionen der Anhörung die Behörde dazu zwingen, sich einen persönlichen Eindruck vom Betroffenen und dessen Argumenten zu verschaffen; in diesen Fällen reicht Schriftlichkeit nicht. Nach § 14 kann sich der Beteiligte in allen Phasen des Verfahrens eines Rechtsbeistands bedienen. Daneben bleibt der eigene Sachvortrag des Anzuhörenden möglich.

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Notwendiger Inhalt und Reichweite der Anhörung richten sich nach dem Einzelfall und nach den jeweils zur Anwendung gelangenden Rechtsnormen. § 28 Abs. 1 spricht von „erheblichen Tatsachen“. Bei verfassungskonformer Auslegung ist eine Tatsache „unerheblich“ iSv § 28, wenn auf Grund der Rechtslage nahezu ausgeschlossen ist, dass ein bestimmter Aspekt für das Verfahrensergebnis Bedeutung erlangt. Fehlt es an dieser Eindeutigkeit, muss die Behörde jede Ausführung zur Kenntnis nehmen. – Obwohl in § 28 Abs. 1 von einer Tatsachenanhörung die Rede ist, kann im Einzelfall ein Rechtsgespräch notwendig sein[48]. Das ist insbes. der Fall, wenn es um die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe, um die Zuordnung unterschiedlicher am Verfahren beteiligter Belange oder um die Erörterung milderer Mittel im Bereich des Verhältnismäßigkeitsprinzips geht. Es kann dann dem Einzelnen nicht verboten sein, Rechts- und Tatsachenaspekte und deren Bedeutung füreinander vorzutragen.

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Ausnahmen vom Anhörungsgebot ergeben sich aus § 28 Abs. 2 und 3. Nicht zuletzt wegen der verfassungsrechtlichen Verankerung des Anhörungsrechts sind die Ausnahmetatbestände allerdings eng auszulegen[49]. Eine Ausnahme vom Anhörungsgebot muss insbes. bei grundrechtskonstituierenden oder -einschränkenden Verwaltungsverfahren entfallen. Nach § 28 Abs. 2 kann von einer Anhörung abgesehen werden, „wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist“. Die Nrn. 1-5 führen solche Umstände auf. Die Aufzählung ist nicht abschließend („insbesondere“). Es soll der Behörde vielmehr ermöglicht werden, auch in vergleichbaren Fällen von einer Anhörung abzusehen. Die Ausnahmetatbestände lassen sich in zwei Gruppen trennen: Die Nrn. 1, 2 und 5 setzen beim Gesichtspunkt „Zeitablauf“ und „Gefahr im Verzug“[50] an, die Nrn. 3 und 4 an fehlendem Interesse oder geringer Bedeutung der Anhörung. Ist ein Tatbestand erfüllt, so muss das noch nicht zum Ausschluss der Anhörung führen. Die Behörde hat zu prüfen, ob ein Ausnahmetatbestand vorliegt und ob nicht doch im Einzelfall eine Anhörung geboten ist.

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