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a) Störung der Geschäftsgrundlage nach § 60 Abs. 1 S. 1 VwVfG aa) Voraussetzungen

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Nach § 60 Abs. 1 S. 1 müssen sich die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgeblich gewesenen rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse seit Abschluss des Vertrags wesentlich geändert haben. Maßgebliche Verhältnisse sind die grundlegenden Umstände, die zwar nicht Vertragsinhalt geworden, andererseits aber auch nicht bloßer Beweggrund geblieben, sondern von den Vertragspartnern zur gemeinsamen Grundlage des Vertrags gemacht worden sind. Die Grundlage eines Vertrags ist ggf. durch Auslegung zu ermitteln.

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§ 60 Abs. 1 S. 1 kommt bei einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse nach Vertragsabschluss zur Anwendung. Haben die tatsächlichen Verhältnisse, die zum Vertragsabschluss geführt haben, von Anfang an gefehlt, spricht man von einem Fehlen der subjektiven Geschäftsgrundlage; auch dieser Fall unterfällt der Regelung des S. 1. Ebenso wie im Zivilrecht wird also der Fall des Fehlens der Geschäftsgrundlage mit ihrem nachträglichen Wegfall gleichbehandelt[134].

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Mit Blick auf die Änderung der rechtlichen Verhältnisse ist zu unterscheiden: Wenn sich die Rechtslage rückwirkend ändert und das Gesetz unmittelbar in abgeschlossene Verträge eingreift, so bewirkt die neue Rechtslage bereits die Anpassung; § 60 greift nicht ein. Wird durch eine spätere Gesetzesänderung allein die Anspruchsgrundlage verändert, so kann ein Vertrag gegenstandslos werden. In diesem Fall besteht, wenn die weiteren Voraussetzungen des § 60 vorliegen, ein Anspruch auf Kündigung. Bildet die Basis eines Vertrags ein Gesetz, welches nachträglich für verfassungswidrig erklärt wird, so handelt es sich um einen Wegfall der Geschäftsgrundlage[135]. Ein gemeinsamer Rechtsirrtum über die Rechtslage oder über eine bestimmte Rechtsprechung ist als Fall des Fehlens der subjektiven Geschäftsgrundlage zu betrachten[136].

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Von einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse ist zu sprechen, wenn die Änderung so erheblich ist, dass der Vertrag bei Bekanntsein der Umstände im Zeitpunkt des Vertragsschlusses aus der Sicht eines verständigen Betrachters nicht mit demselben Inhalt zustande gekommen wäre[137]. Ferner liegt das Tatbestandsmerkmal „wesentliche Änderung der Verhältnisse“ vor, wenn nach Vertragsabschluss tatsächliche Umstände oder wesentliche Bedingungen weggefallen sind, deren Bestand die Vertragspartner als gemeinsame Grundlage des Vertrags angenommen und deren Fortbestand sie fraglos vorausgesetzt haben[138]. Unwesentliche Änderungen sind irrelevant. Ohne Bedeutung sind auch Einwirkungen, die beide Parteien oder die Allgemeinheit in gleicher Weise betreffen. Unzumutbar ist ein weiteres Festhalten am Vertrag, wenn die Ausgleichsfunktion der beiderseits geschuldeten Leistungen so stark gestört ist, dass es dem betroffenen Vertragspartner nach Treu und Glauben unmöglich wird, in der bisherigen vertraglichen Regelung seine Interessen auch nur annähernd noch gewahrt zu sehen[139].

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