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5.

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Die Tage vergingen in quälender Langsamkeit.

Sämtliche Arbeiten an der „Aguila“ waren inzwischen abgeschlossen. Das Schiff lag am Kai im Hafen von Cádiz vertäut, aber Capitán César Garcia hatte der Mannschaft den Landgang verboten. Statt dessen hatte er für jeden Tag Gefechtsübungen befohlen. Vom ersten Morgengrauen bis nach Einbruch der Dunkelheit erfolgte ein gnadenloser Drill an den Geschützen und in der Takelage.

Garcia, der ohnehin als scharfer Hund verschrien war, entwickelte sich zum Tyrannen, der seine schlechte Laune an jedem ausließ, der ihm irgendwie auffiel.

Juarez Molina, der Erste, stand ihm in dieser Hinsicht kaum nach.

Das Geschützexerzieren auf dem engen Batteriedeck, dessen lichte Höhe nur etwas mehr als fünf Fuß betrug, wurde zur Qual.

Garcia war sich selbst nicht mehr gut. Am liebsten hätte er die Kanonen mehrmals am Tag abfeuern lassen, doch ihm fehlte ein brauchbares Ziel, an dem er seinen Ärger austoben konnte.

Der Unfall, der sich am 12. Dezember, also nach beinahe zwei Wochen schier unmenschlicher Anstrengungen ereignete, mochte sinnbildlich für den Zustand aller Männer an Bord des Kriegsschiffs sein.

Beim Abschlagen der Segel und Fieren der Rahen löste sich die Großmarsrah aus dem Rack. Zwei Kerle wurden von der Rah, die ein beachtliches Loch in die Decksplanken schlug, mit in die Tiefe gerissen. Drei weitere Decksleute konnten nicht mehr ausweichen und wurden zerschmettert.

Eine Untersuchungskommission gelangte vier Tage später zu der Erkenntnis, daß den Kommandanten keine Schuld träfe, er hätte schließlich versucht, die Fähigkeiten der Mannschaft auf den höchstmöglichen Stand zu bringen. Aber gegen die Dummheit einzelner wäre eben kein Kraut gewachsen.

Der Vormann am Großmast wurde für unschuldig befunden, durch zu lasche Aufsicht den Tod von fünf Männern herbeigeführt zu haben. Da jedoch nicht ganz auszuschließen war, daß einige dieser Männer infolge zu hohen Alkoholgenusses in ihren Reaktionen beeinträchtigt waren, lautete das Urteil lediglich auf siebzig Peitschenhiebe. Es wurde am nächsten Tag auf dem Platz vor den Hafenanlagen vollstreckt.

Capitán Garcia stand in der vordersten Reihe der Zuschauer. Obwohl es ihm äußerlich nicht anzusehen war, genoß er die Bestrafung, die Disziplin und Kampfmoral an Bord bestimmt heben würde.

Der Vormann war längst ohne Besinnung, als er nach den siebzig Hieben losgebunden wurde. Er starb eine Stunde später.

Für Garcia war das Grund genug, den Drill noch härter fortzusetzen. Seine Mannschaft schwitzte Blut und Wasser.

Am 16. Dezember kehrte endlich der berittene Bote vom Hof Philipps III. zurück. Er überbrachte ein Schreiben mit königlichem Siegel, dessen Inhalt César Garcias schlimmste Befürchtungen bestätigte.

Der Konvoi von elf Schatzschiffen aus der Neuen Welt hatte vom Sonderbeauftragten Seiner Majestät, Don Julio de Vilches, in Santa Cruz de Tenerife übernommen und nach Spanien geleitet werden sollen. Der Zielhafen wurde auch jetzt nicht genannt. Philipp III. verlieh jedoch seiner übergroßen Besorgnis Ausdruck, die aus dem Fehlen jeglicher Nachricht erwuchs. Die Schiffe waren überfällig.

„Verdammt!“ sagte Capitán César Garcia, als er das Schreiben an Admiral Mendez zurückreichte.

„Das kann nicht alles sein, Capitán, was Sie zu sagen haben.“

„Natürlich nicht.“ Garcia hatte Mühe, sein Temperament zu zügeln. „Wenn man auf mich gehört hätte, wäre bereits vor Wochen eine Suchflotte in See gegangen. Ich wiederhole hier nochmals, was ich stets deutlich zu verstehen gegeben habe: Der Konvoi wurde von Schnapphähnen aufgebracht und ist für die Krone verloren, wenn wir nicht schnell handeln.“

Mendez lächelte mitleidig. Inzwischen mischte sich aber ein Zug von Nachdenklichkeit in dieses Lächeln.

„Es geschieht zwar gelegentlich, daß eine oder zwei Galeonen von Piraten gekapert werden – aber gleich elf Schiffe? Das ist lächerlich.“

„Wie erklären Sie sich dann den falschen Don Julio de Vilches an Bord eines Schiffes, wie es in aller Regel von Mittelmeerpiraten gesegelt wird?“

„Vorerst gar nicht. Sie selbst, Capitán, haben ausgesagt, daß Sie mit Ihrem Freund, Don Ricardo de Mauro y Avila, an Bord des Flaggschiffs ‚Salvador‘ gesprochen haben. Ich nehme an, an seiner Loyalität hegen Sie keinerlei Zweifel.“

„Natürlich nicht, Admiral.“

„Don Ricardo hat Ihnen gegenüber nichts von Schnapphähnen erwähnt?“

„Er war über die angebliche geheime Order Don Julios verärgert.“

„Die drei Geleitschiffe, die Sie an Stelle der ‚Casco de la Cruz‘ angetroffen haben …“

„… waren natürlich Spanier, Admiral. Wenngleich – auf der ‚Isabella‘ schien einiges im argen zu liegen. Kapitän und Offiziere hatten offenbar ein besonders vertrauensvolles Verhältnis zur Mannschaft.“

„Solange die Disziplin nicht darunter leidet, erscheint mir ein solches Verhalten nicht verwerflich.“

„Admiral.“ Garcia sprang aus dem Sessel auf, in dem er Mendez gegenüber Platz genommen hatte. „Eine Verbrüderung des einfachen Schiffsvolks mit den Offizieren würde untragbare Zustände heraufbeschwören.“

„Bitte, Capitán, nehmen Sie wieder Platz. Ich verstehe Ihre Erregung, wenn ich sie in dieser Hinsicht auch nicht in vollem Umfang teile. Wir schweifen lediglich vom Thema ab. Die Möglichkeit besteht, daß Don Julio de Vilches den Konvoi zu einer unserer nördlichen Hafenstädte geleitet hat. Vigo, La Coruña oder Santander bieten sich dafür an. Nein, Capitán, zügeln Sie Ihr Temperament und lassen Sie mich ausreden.“ Mit einer heftigen Handbewegung schnitt der Admiral Garcia das Wort ab, ehe er überhaupt etwas sagen konnte. Verhaltener fuhr er fort: „Ich kenne und schätze Ihre Leistungen. Deshalb, und nur deshalb, habe ich mir erlaubt, weitere Boten zu unseren Hafenstädten zu schicken. Ich bin überzeugt, wir werden in Kürze endgültig Gewißheit erlangen.“

„Nur Stunden nach der Unterredung mit Admiral Mendez trifft die Schaluppe aus Vigo ein. Statthalter Don Jaime La Roda hat nie etwas von einem Konvoi gehört und gar gesehen. Dummerweise gibt es jedoch die Aussagen eines Teniente und zweier Kapitäne, daß eine Flotte verproviantiert wurde. Irgend jemand will sogar vernommen haben, daß die Schiffe Santander als Ziel hatten.

An Santander glaube ich nicht. Die Übernahme von Proviant weist darauf hin, daß die Schatzschiffe noch eine längere Distanz zurückzulegen hatten.

Also doch Kurs Irland? Aber das Schreiben Seiner Majestät spricht dagegen.

Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr gelange ich zu der Überzeugung, daß Verrat im Spiel und der Konvoi für Spanien verloren ist. Franzosen, Holländer oder Engländer haben den größten Fischzug der Geschichte durchgeführt. Es ist unglaublich.

Ich werde zu retten versuchen, was noch zu retten ist.“

Logbucheintragung vom 16. Dezember 1598.

„Gibt es eine schlimmere Demütigung, als hinter vorgehaltener Hand ausgelacht zu werden? Ich erhalte keine Flotte von Kriegsschiffen, mit der ich der Spur des Konvois folgen könnte. Solange der königliche Befehl ausbleibt, gibt es keine verschwundenen Schatzschiffe.

Allerdings wurde mir bedeutet, ich könnte meinen Aufenthalt und den der ‚Aguila‘ frei bestimmen.

Genau das werde ich tun. Morgen, Schlag sechs Uhr, beginnt das Bunkern von Proviant und Munition. Ich hoffe, daß die Arbeiten bis zum Einbruch der Nacht beendet sein werden.

Die ‚Aguila‘ geht wieder in See. Ich habe el Lobo del Mar aufgespürt und besiegt, ich werde nicht ruhen, bevor mir das Schicksal der Schatzschiffe klar ist. Und wenn es eine verdammt lange Reise wird …“

Logbucheintragung vom 18. Dezember 1598.

Der 20. Dezember war ein kühler und regnerischer Tag, an dem ein steifer Westwind den Atlantik aufpeitschte. Trotzdem verließ die „Aguila“ beim ersten Morgengrauen den sicheren Schutz der Bucht von Cádiz. Capitán César Garcia wollte keine Stunde länger als unbedingt nötig warten.

Das Wetter blieb trist und stürmisch. Erst am Mittag des dritten Tages rundete das Kriegsschiff Kap São Vicente in weniger als zwei Seemeilen Entfernung. Nicht ein portugiesisches Schiff war zu sehen.

In der Folge gewann der Sturm noch an Heftigkeit. Dem Kapitän blieb nur die Wahl, entweder umzukehren und einen sicheren Hafen anzulaufen oder weiter auf die offene See hinaus zu kreuzen, um zu vermeiden, daß das Schiff auf Legerwall getrieben wurde. Garcia entschied sich für letzteres.

Selbst die Sturmsegel hielten dem peitschenden Regen und den Sturmböen nicht stand. Das Tuch zerfetzte, kaum daß es angeschlagen war.

Mannshohe Brecher rollten über Deck und zerschlugen Teile der Verschanzung und der Aufbauten. Die „Aguila“ wurde zum Spielball der entfesselten Elemente. An eine Umkehr war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu denken.

Die Hölle hatte sich aufgetan und schickte sich an, den Viermaster zu verschlingen. Alle halbe Stunde wechselten die Mannschaften an den Lenzpumpen ab, aber selbst durch die verschalkten Luken drang mehr Wasser ein, als die Pumpen wieder nach draußen beförderten.

An Schlaf war nicht zu denken. Zwei Tage hindurch tobte der Sturm mit unverminderter Heftigkeit, dann schien er endlich seinen Höhepunkt überschritten zu haben.

„Das Schlimmste haben wir hinter uns, falls der Sturm nicht wieder losbricht. Die Schäden sind beträchtlich, aber es ist nichts, was sich nicht beheben ließe.

Wir haben zwei Decksleute verloren: Jorge Ruente und Mañuel Martin. Sie wurden über Bord gespült. Der Herr sei ihren armen Seelen gnädig.

Wir versuchen, weiterhin Nordkurs zu steuern. Eine Peilung ist noch unmöglich, aber ich glaube, wir liegen ungefähr auf der Höhe von Cabo de Espichel.“

26. Dezember 1598.

„Inzwischen ist Ruhe eingekehrt. Ein schwacher Wind aus wechselnden Richtungen hindert uns daran, gute Fahrt aufzunehmen. An Steuerbord liegt die Küste Galiciens, das ist weniger, als ich erhofft hatte. Santander anzulaufen, würde jetzt einen zusätzlichen Zeitverlust bedeuten. Ich bin mir nahezu sicher, daß unsere Schatzschiffe nach England verschleppt wurden. Wer außer diesen Ketzern könnte schon auf eine derart wahnwitzige Idee verfallen?

Die ‚Aguila‘ nimmt deshalb Kurs auf die Südwestspitze Englands. Ich muß eine Spur des Konvois finden, koste es, was es wolle.

Zur Hebung der Moral erhält die Mannschaft eine Sonderration Rum. Niemand soll mir nachsagen, wir hätten den Jahreswechsel nicht gebührend gefeiert.“

31. Dezember 1598.

Die folgenden Tage verliefen mehr oder weniger ereignislos. Ein Kälteeinbruch sorgte für leichten Schneefall, doch war die weiße Pracht jeweils bis zum Mittag wie weggewischt.

Vor Brest griffen drei Schaluppen an, aber die französischen Schnapphähne bissen sich an der „Aguila“ die Zähne aus. César Garcia schickte alle drei zu den Fischen. Danach besserte sich seine Laune ein wenig.

Stunden nach dem Gefecht meldete der Ausguck im Großmars Segel Steuerbord voraus.

Erneut wurde die „Aguila“ in Gefechtsbereitschaft versetzt. Sieben Galeonen näherten sich aus Östlicher Richtung.

„Engländer?“

„Sie führen keine Flaggen im Topp.“

Garcia dachte nicht daran, auf Ausweichkurs zu gehen. Er ließ die Kanonen ausrennen. Auf diese Weise gewappnet, konnte er den in Kiellinie segelnden Galeonen ruhig entgegensehen. Sofern ein Gefecht unvermeidbar war, stand er deshalb zunächst nur zwei Schiffen gegenüber. Bis die anderen aufschlossen, konnte die „Aguila“ wieder auf Distanz gehen.

„Batteriedeck, beide Batterien feuerbereit!“ erklang die Meldung.

„Kuhl feuerbereit!“

„Feuern nur auf meinen Befehl – oder falls wir angegriffen werden! Ausguck?“

„Unverändert, Capitán. Keine Flaggen.“

Ein wahnwitziger Gedanke durchzuckte Garcia. Er schob ihn sofort wieder weit von sich. Die sieben Galeonen hatten mit dem Konvoi sicher gar nichts zu tun.

„Achtung!“ brüllte der Ausguck. „Das Führungsschiff hißt Flagge!“

Die vorderste Galeone war inzwischen so weit heran, daß sie auch vom Achterdeck aus zu sehen war. Durchs Spektiv erkannte Garcia die Farben Spaniens.

„Es könnte eine Finte sein“, gab der Erste Offizier zu bedenken.

„Sparen Sie sich solche Bemerkungen, Molina!“ Der Kapitän reagierte gereizt. „Oder glauben Sie, ich wüßte das nicht selbst?“

„Doch, Capitán, natürlich. Verzeihen Sie.“

César Garcia hob das Spektiv wieder vors Auge. Noch konnte er kaum Einzelheiten erkennen, dafür war die Entfernung zu groß. Aber die Schiffe segelten aufeinander zu.

„Wenn es wirklich Spanier sind, verstehe ich, warum sie ihre Flagge erst jetzt zeigen. Immerhin haben sie englische Gewässer hinter sich.“

Der Kapitän schwieg. Nur seine Haltung verriet seine übergroße Anspannung.

„Es könnten durchaus spanische Galeonen sein“, sagte er nach einer Weile und fügte hinzu: „Schatzschiffe.“

Der Erste Offizier blickte ihn entgeistert an.

„Sehen Sie sich die Galion des Führungsschiffs an!“ forderte Garcia. „Außerdem die Heckgalerie und die Aufbauten im Bereich des Achterschiffs.“

Juarez Molina nahm den Kieker entgegen, den der Kapitän ihm reichte. Eine Weile blickte er hindurch, dann zuckte er mit den Schultern.

„Haben Sie das Schiff schon einmal gesehen?“ herrschte Garcia ihn an.

„Mein Gott, ja, vielleicht. Ich kann es nicht mit Gewißheit behaupten.“

„Viele Schiffe haben unverwechselbare Besonderheiten. In unserem Fall zum Beispiel die Galion, sie wurde nachträglich eingepaßt. Ab der Zurring ist die klare Linienführung unterbrochen, da war ein Zimmermann am Werk, der zu viele Schnitzereien angebracht hat. Für einen Teil der Heckgalerie gilt das gleiche.“

Molina nickte knapp. „Jetzt sehe ich es auch“, sagte er. „Das Schiff dürfte in der Tat unverwechselbar sein.“

„Es ist die ‚Salvador‘“, erklärte Garcia, „das Flaggschiff Don Ricardos.“

Dem Ersten blieb vor Überraschung die Spuke weg.

„Das – das ist der Konvoi?“ fragte er.

„Sie können es für Zufall halten – oder für Teufelswerk. Ich sage, es handelt sich um eine Fügung des Schicksals.“

Juarez Molina nickte stumm. Ungläubig starrte er zu der kleinen Flotte hinüber und fragte sich, was die Begegnung wohl zu bedeuten habe.

Garcia befahl ein Manöver, das die „Aguila“ auf Parallelkurs zur „Salvador“ brachte. Die Entfernung betrug danach noch knapp vierhundert Schritte. Die Geschütze blieben ausgerannt.

Während der weiteren Annäherung beobachtete der Kapitän selbst wieder durchs Spektiv. Er suchte Don Ricardos vertrautes Gesicht auf dem Achterdeck, aber er fand es nicht.

Endlich wurden von der „Salvador“ Signale gegeben.

„Wir gehen längsseits!“ bestimmte Garcia. „Aber Vorsicht, falls es sich doch um eine Falle handelt.“ Mittlerweile traute er englischen Piraten und Schnapphähnen so ziemlich alle nur erdenklichen Schandtaten zu, aber das behielt er lieber für sich.

Kurze Zeit später lagen beide Galeonen mit aufgegeiten Segeln nebeneinander. Der Kapitän erkannte einige der Männer auf der „Salvador“ wieder.

„Fragen Sie, warum Don Ricardo es nicht für nötig hält, uns zu begrüßen!“ forderte er den Ersten auf.

Molina brauchte nicht sonderlich laut zu rufen, um auf dem Achterdeck des Flaggschiffes verstanden zu werden.

„Der Generalkapitän ist tot“, lautete die unerwartete Antwort. „El Lobo del Mar hat ihn getötet.“

Der Seewolf?

Das war ein Ding der Unmöglichkeit, es sei denn, der englische Bastard beherrschte tatsächlich die Kunst, an mehreren Orten gleichzeitig zu erscheinen.

César Garcia befahl den neuen Kapitän der „Salvador“, den früheren Ersten Offizier Miguel Salcho, zu sich an Bord.

Salcho war schon immer ein pedantischer Klugscheißer mit Hang zur Kleinlichkeitskrämerei gewesen, aber diesmal hörte Garcia ihm zu, ohne ihn ein einziges Mal zu unterbrechen.

Er berichtete Einzelheiten, die dem Kapitän ein ungläubiges Kopfschütteln entlockten. Die Dreistigkeit, mit der die Engländer vorgegangen waren, ließ sich kaum überbieten.

Der Zweikampf zwischen diesem verfluchten Killigrew und Don Ricardo de Mauro y Avila war ein Kampf um die Ehre des Spaniers gewesen. Unnötig, wie Salcho behauptete, denn dann wäre Don Ricardo noch am Leben.

César Garcia fühlte sich, als hätte ihm jemand die Beine unter dem Leib weggezogen. Er hatte dem Seewolf also schon von Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden, er hatte ihm sogar von seiner Absicht erzählt, el Lobo del Mar zu jagen und zur Strecke zu bringen.

Wenn das bekannt wurde, war ihm der Spott der Marine sicher. Daß niemand die Maske des falschen Don Julio de Vilches durchschaut hatte, spielte dabei nur eine untergeordnete Rolle – ebenso, daß in Cádiz der Leichnam irgendeines Piraten verbrannt worden war.

Nur mehr mit halbem Ohr hörte Garcia zu, als Miguel Salcho von der hervorragenden Behandlung seiner Männer in England berichtete. Der Seewolf hatte Wort gehalten und die Spanier nach dem Entladen ihrer Schiffe auf den Heimweg geschickt.

„Wo finde ich den Bastard?“

„Er ist noch in London“, sagte Salcho. „Nur eins seiner Schiffe segelte themseabwärts mit uns, nahm dann aber Kurs auf die Nordsee.“ Da es ihm offenbar nicht schwerfiel, Garcias düstere Gedankengänge nachzuvollziehen, fügte er hinzu: „Ich würde nicht versuchen, den Seewolf in seiner Heimat anzugreifen. Das wäre so, als springe jemand in haiverseuchtem Gewässer über Bord.“

„Señor Salcho hat recht“, sagte Juarez Molina. „Jeder Versuch, el Lobo del Mar unter diesen Umständen anzugreifen, würde tödlich enden.“

Langsam wandte sich der Capitán ihm zu. Er schien soeben aus einem langen Traum erwacht zu sein. Aber gleich darauf schweifte sein Blick wieder nach Norden ab, wo weit hinter der Kimm England verborgen lag.

„Kein Wolf bleibt lange in seiner Höhle“, sagte er. „Sobald er sich hervorwagt, haben wir ihn. Und wenn ich ihn bis ans Ende der Welt jagen müßte.“

Noch ahnte César Garcia nicht, welch tiefere Bedeutung diese Worte haben sollten.

„Ich warte auf dich, Bastard, und diesmal erwische ich nicht den Falschen.

Ich warte vor La Coruña, während die sieben Galeonen weiter nach Süden segeln. Keiner der Kapitäne wollte an meiner Seite kämpfen – sie sind Verräter, die den Strick verdienen. Auch wenn sie heute glauben, ihre Haut gerettet zu haben, ich vergesse nicht, daß sie mit ihrer Handlungsweise den Seewolf schützen. Spanien darf sich Gefühlsduseleien nicht erlauben.

Zur Hölle mit dem Engländer!“

Aus dem Logbuch der „Aguila“, Aufzeichnung des Kommandanten César Garcia vom 8. Januar 1599.

„Endlich!

Ich wußte, daß sich wochenlanges Warten auszahlt.

Fischer haben die Schebecke gesehen. Sie segelte nach Süden und wohl nur wenige Meilen an unserer Position vorbei. Vielleicht hätten wir den Dreimaster bei Tage sogar selbst entdeckt.“

Diese Eintragung wurde weder mit Datum noch mit Unterschrift versehen. Statt dessen prangte die Skizze eines Galgens unter dem Text.

Seewölfe Paket 34

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