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6.

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César Garcia konnte es drehen und wenden, wie er wollte. Er fand keinen „Schuldigen“, so sehr er sich auch bemühte, Licht in das geheimnisvolle Dunkel zu bringen. Seine Laune war dementsprechend auf einen absoluten Tiefpunkt gesunken.

Zudem erhielt er zu später Stunde noch Besuch von Francis Ruthland, der zusammen mit seinem Kumpan Lefray von der „Ghost“ herübergepullt war.

„Was will der Kerl?“ fragte Garcia mißmutig seinen Ersten. „Herumschnüffeln, was hier passiert ist?“

„Er wird neugierig sein.“

Garcia mochte Ruthland nicht sonderlich, aber sie hatten sich aus dem Grund zusammengetan, um den Seewolf zur Strecke zu bringen. Jeder hatte allerdings ein anderes Motiv. War es bei dem Spanier reiner Haß, so attackierte Ruthland den Seewolf aus kommerziellen Gründen. Er sah in ihm einen lästigen Konkurrenten, der ihm die dicksten Brocken vor der Nase wegschnappen würde.

Ruthland wiederum verstand nicht, daß ein Mann wie Garcia ausschließlich vom Haß getrieben wurde. Dabei sprang nichts heraus, es brachte keinerlei Vorteile, und es war auch kein Geld dabei zu verdienen. Aber Garcia hatte das größere und stärker armierte Schiff. Zusammen konnten sie es schaffen, den Seewolf aus dem Weg zu räumen.

Ziemlich ungnädig empfing der spanische Capitán die beiden ungleichen Männer in seiner Kammer.

Die beiden nahmen unaufgefordert Platz.

Garcia musterte den massigen und schweren Ruthland ein paar Augenblicke und sah in helle Fischaugen. Unter dem linken Auge hatte er eine Narbe, die im Schein der Laterne ständig zu zucken schien. Mit dem sauber gestutzten Bart sah Ruthland ja noch einigermaßen annehmbar aus.

Wenn Garcia jedoch zu dem anderen Kerl blickte, dann schluckte er jedes Mal hart. Hugh Lefray erinnerte ihn ständig an einen bösartigen Dämon. Schuld daran war das blinde, rechte Auge. Der Augapfel war weißlich, ohne die Spur einer Pupille, und das verlieh ihm sein unheimliches Aussehen.

Wenn dieses Ungeheuer dann auch noch grinste, rann Garcia ein kalter Schauer über den Rücken.

„Was gibt es?“ fragte der Spanier kurz.

„Das wollte ich Sie fragen“, erwiderte der Engländer. „Wir haben fürchterliches Geschrei und entsetzliches Krachen gehört, aber wir konnten uns das nicht zusammenreimen. Stimmt’s, Hugh?“

„Stimmt“, sagte Lefray einsilbig. Er blickte hoch und sah Garcia an, dem dieser Blick äußerst tückisch erschien.

„Zwei Kanonenrohre sind krepiert“, sagte Garcia. „Dabei wurden ein paar Männer getötet. Ist das alles, was Sie wissen wollten?“

„Tut mir leid, Capitán. Aber man sollte mit der Bemessung der Pulverladungen sehr vorsichtig sein.“

„Erzählen Sie das Ihrer Großmutter, aber nicht mir“, schnaubte der Spanier. „Ich bin mit Kanonen großgeworden und aufgewachsen. Hier war einwandfrei Sabotage im Spiel.“

„Sabotage? Einer Ihrer Leute?“

„Ich weiß es nicht. Ich habe auch eine Jolle zur Schebecke hinübergeschickt. Sie ist auf recht mysteriöse Art und Weise gesunken. Niemand kann sich erklären, wie das passiert ist.“

„Das war sehr leichtsinnig“, sagte Ruthland tadelnd. „Wenn die Jolle unterwegs war und wir gerade dann gefeuert hätten, wäre ein Unglück passiert. Wir sollten derlei Aktionen miteinander absprechen, Capitán. Das soll kein Vorwurf sein. Ich bin aber aus einem anderen Grund hier. Wir vermuten, daß die Schebecke den Standort gewechselt hat. Sie scheint nicht mehr an derselben Stelle zu liegen.“

„Und das vermuten Sie so einfach?“ fragte Garcia höhnisch.

„Ich habe zwei Mann in einer Jolle kreuz und quer durch die Bucht geschickt, aber sie haben die Bastarde nicht gefunden.“

Garcia lachte stoßartig auf.

„Wir sollten derlei Aktionen miteinander absprechen!“ zitierte er Ruthland. „Denn auch wir feuern in unregelmäßigen Abständen, und dabei hätte es leicht das Leben Ihrer Leute kosten können. Sie werfen mir quasi vor, unüberlegt zu handeln, und verhalten sich nicht anders. Ist das Ihre ganze Logik?“

Ruthland ließ sich nicht anmerken, daß er sich ärgerte. Er sah Garcia an, den im Dienst ergrauten Capitán Ende der Vierzig, wie er kleinwüchsig und verhärmt dahockte und den Kopf zwischen die Schultern zog. Wie ein kleiner Geier saß er da, der auf Aas lauerte. Aber der Spanier war ein harter, unbeugsamer Mann, an Bord seines Schiffes als Tyrann verschrien und gefürchtet.

„Nun gut, lassen wir das. Wir haben ein gemeinsames Ziel vor Augen. Für mich steht fest, daß der Seewolf mit seinem Schiff verschwunden ist. Allerdings kann ich mir nicht erklären, wie er aus der Bucht gesegelt ist. Es geht kein Wind, und sehen kann er ebensowenig wie wir.“

Garcia stand langsam auf und ging vor dem Tisch auf und ab.

„Wenn es stimmt, daß er wirklich verschwunden ist, gibt es dafür eine einfache Erklärung“, sagte er nachdenklich. „Im Gegensatz zu meiner Galeone und Ihrer Karavelle kann eine Schebecke gerudert werden. Die Kerle haben Riemen an Deck gebracht und sind lautlos aus der Bucht gerudert. Das ist ein guter Vorteil für sie.“

„Aber ihr Ruder ist beschädigt, das weiß ich genau. Sie hatten erhebliche Schwierigkeiten damit. Wenn sie auf dem Tapti von der Strömung erfaßt werden, sind sie hilflos. Sie sehen auch das Ufer nicht.“

„Sie haben wohl noch nicht gemerkt, daß wir es mit ausgefuchsten Bastarden zu tun haben, mein Lieber. Das nennt man taktischen Rückzug. Zum einen ist die Strömung nicht so stark, und außerdem können sie mit den Riemen manövrieren. Versetzen Sie sich doch mal in die Lage von Killigrew. Was würden Sie denn jetzt tun?“

„Ich würde den Tapti hinunterrudern und verschwinden.“

„Das sähe Ihnen ähnlich. Der Seewolf handelt ganz anders. Der verschwindet nicht mit einem angeschossenen Ruder. Ich werde Ihnen sagen, was er vorhat.“

„Wie wollen Sie die Gedanken eines anderen Menschen kennen?“ fragte Lefray hämisch.

„Indem ich versuche, mich in meinen Gegner hineinzudenken. Aber diese Art dürfte Ihnen vermutlich völlig fremd sein.“

Lefray zuckte zusammen.

„Na, dann lassen Sie mal hören“, entgegnete er bissig.

„El Lobo rudert auf den Tapti und läßt sich dort langsam flußabwärts treiben“, erklärte Garcia. „Er kennt die Strecke ebenso gut oder schlecht wie wir auch. Er wird die nächste Bucht auf der anderen Seite anlaufen und dort unverzüglich mit der Reparatur beginnen. So gut glaube ich ihn zu kennen. Sobald sein Schiff wieder in Ordnung ist, wird er uns angreifen. Wir werden auf der Hut sein müssen. Er ist nicht der Mann, der eine Schlappe auf sich sitzen läßt. Es besteht demnach die Möglichkeit, daß er hier wieder auftaucht und aus dem schützenden Nebel heraus angreift. Er wird das ganz überraschend tun.“

„Vielleicht war er schon hier“, sagte Ruthland hinterhältig grinsend, „und Sie haben es nicht bemerkt.“

„Sie sind ja verrückt!“

„Sagten Sie vorhin nicht etwas von Sabotage und von einem mysteriösen Untergang der Jolle, den Sie sich nicht erklären können? Möglicherweise war einer der Bastarde unerkannt bei Ihnen an Bord und hat ein bißchen manipuliert. Bei dem Nebel, in dem einer den anderen nicht sieht, wäre das kaum aufgefallen.“

Garcia starrte den Engländer an, als sähe er ihn zum erstenmal. Seine Unterlippe begann zu zittern, der Blick seiner Augen wurde kalt und bösartig.

Das ist natürlich die Erklärung, dachte er, und er spürte, wie es ihm eiskalt durch die Adern rann. Aber das wollte und konnte er vor Ruthland nicht zugeben, ohne sich bis auf die Knochen zu blamieren. Er schluckte heftig und nahm wieder Platz.

Einer der Bastarde bei ihm an Bord! Das war einfach unvorstellbar, aber nicht unmöglich. Es schüttelte ihn richtig.

„Ist Ihnen nicht gut?“ fragte Ruthland, dem die Reaktion des Spaniers nicht entgangen war.

„Es ist der Haß, der mich zittern läßt“, sagte Garcia gallig. „Ich darf gar nicht an diesen Bastard denken, ohne gleich aus der Haut zu fahren. Aber was Sie da eben andeuteten, ist natürlich Quatsch. Bei uns hat sich niemand an Bord eingeschlichen. Meine Leute sind gut gedrillt und arbeiten Hand in Hand. Ein Fremder wäre selbst bei dichtestem Nebel sofort aufgefallen.“

„Dann wird sich das Rätsel ja wohl bald aufklären“, sagte Ruthland gleichgültig. „Ich wollte Ihnen nur mitteilen, daß der Nebel innerhalb der Bucht langsam zerfließt. Vor der Siedlung steht eine dichte, aufquellende Wolkenbank. Weiter vorn zerfasert der Nebel, und es gibt hellere Flecken. Ich nehme an, daß er sich im Laufe der Nacht ganz auflösen wird. Was gedenken Sie dann zu tun, um Killigrew zuvorzukommen? Wir sollten das beizeiten absprechen.“

„Gar nichts gedenke ich zu tun, gar nichts. Ich werde nur scharf aufpassen, daß sich uns niemand nähert.“

„Sie wollen die Hände in den Schoß legen?“ fragte Ruthland ungläubig.

„Soll ich vielleicht meine Leute vor die Segel stellen und in sie hineinblasen lassen?“ brauste Garcia auf. „Ohne Wind sind wir hilflos und können uns nicht rühren. An was dachten Sie denn?“

„Ich dachte daran, daß wir ein paar Jollen vor die Galeone spannen und sie aus der Bucht pullen.“

„Sie haben offenbar noch nie eine Galeone gesegelt, Mister, sonst hätten Sie diesen lächerlichen Vorschlag gar nicht erst vorgebracht. Wollen Sie ein Kriegsschiff flußaufwärts pullen und es trotzdem kampfbereit halten? Das ist absurd! Über diesen Vorschlag erübrigt sich jede weitere Diskussion. Wir warten auf Wind, und wenn wir den haben, greifen wir an.“

„Dazu müßte man erst mal wissen, in welcher Bucht Killigrew zu liegen geruht. Weiter flußaufwärts gibt es unzählige kleine Buchten.“

Sie standen sich wie Kampfhähne gegenüber und starrten sich an.

Garcia hielt den Engländer für einen lausigen Handelsfahrer, der keine Ahnung von seemännischer Kriegsführung hatte.

„El Lobo ist nicht flußaufwärts gegangen“, erklärte er. „Der liegt in der nächstbesten Bucht, wie ich vorhin schon sagte. Er hat keine Zeit zu verlieren und rudert daher nicht umständlich flußaufwärts. Sie dürfen diesen Mann nicht unterschätzen, der verschenkt keine einzige Stunde unnötig, wenn er in Bedrängnis ist.“

Ruthland wollte gerade zu einer scharfen Erwiderung ansetzen, als es deutlich hörbar über ihren Köpfen knarrte.

„Wind“, sagte Lefray andächtig. „Es kommt Wind auf. Ein Luftzug ist durch die Takelage gefahren.“

Garcia stand kommentarlos auf und ging nach oben. Er sah sich nicht mal um, ob die beiden Männer ihm folgten.

An Deck prallte er fast mit dem Ersten Offizier zusammen.

„Ich wollte Ihnen gerade Meldung erstatten, Capitán“, sagte Molina. „Der Nebel löst sich langsam auf. Man kann bereits vereinzelt Sterne und ein Stück der Mondsichel erkennen. Weiter vorn lichtet sich der Nebel ebenfalls.“

Garcia gab keine Antwort. Er starrte in die Nebelschwaden und warf einen Blick zum Himmel. Tatsächlich sah er ein paar Sterne funkeln. Nur über dem Fluß hing der Nebel zäh wie weißlicher Brei. In der Bucht aber gab es bereits ein paar dünne Stellen.

Der Luftzug war kaum spürbar, doch er wiederholte sich nach einer Weile. Diesmal war er etwas stärker und ließ die Pardunen leise summen.

Für Garcia war das Musik, eine liebliche Melodie, die der Wind da flötete. Er beobachtete, wie ein Luftzug schwallartig einen Nebelhaufen auflöste. Lange, weiße Fahnen wehten davon, riesigen Leichentüchern nicht unähnlich, die aus feuchten Gräbern flatterten.

Ein dünnes Lächeln umspielte seine Lippen. Es war noch finster, aber ihm erschien es, als sei jetzt heller Tag. In der Finsternis konnte man wenigstens etwas wahrnehmen, im dichten Nebel war das unmöglich. Die Sterne waren es, die einen schwachen Abglanz zur Erde warfen, und in diesem schwachen Licht ließen sich Einzelheiten erkennen.

„Dann geht es ja wohl bald los“, raunte Ruthland und rieb sich die Hände.

Garcias schlechte Laune war wie weggeblasen.

„Ja, jetzt geht es bald los“, sagte er fanatisch. „Jetzt werde ich den Mann zur Strecke bringen, den ich um die halbe Erde gejagt habe. Er wird uns nicht mehr entwischen. Ich schlage vor, Sie lassen eine kleine Jolle besetzen und schicken sie auf den Fluß. Die Männer sollen erkunden, wo El Lobo steckt. Ich gehe immer noch davon aus, daß er in der angegebenen Bucht liegt. Wenn wir die Bestätigung haben, und der Wind noch etwas auffrischt, segeln wir los. Die Kerle sollen auch genau die Beschaffenheit der Bucht erkunden. Das ist wichtig für unseren Angriff. Wenn wir die Szene kennen, können wir entsprechend handeln. Bis die Männer wieder zurück sind, haben wir vermutlich soviel Wind, wie wir brauchen.“

„Sie haben mehr Männer, Capitán“, sagte Ruthland. „Wäre es da nicht besser, einige von Ihren …“

„Nein, ich brauche alle Leute auf den Gefechtsstationen. Schließlich sind wir das kampfkräftigere Schiff. Also los, auf was warten Sie denn noch, zum Teufel?“

Ruthland konnte es nicht ausstehen, Befehle zu empfangen, noch dazu von einem Spanier, der sich etwas hochnäsig und in jedem Fall sehr überlegen gab. Erst wollte er aufbrausen und sich den Ton verbitten, doch schließlich kuschte er widerwillig. Garcia hatte das bessere Argument zur Hand und ließ sich auf keine Diskussion ein.

„Na schön, wie Euer Majestät befehlen“, sagte er frostig. „Los, Hugh, pullen wir zurück!“

Ziemlich verbiestert verließen sie das Schiff und enterten in ihre Jolle ab, um zur „Ghost“ zu pullen.

Garcia sah ihnen nach, wie sie im schwächer werdenden Nebel langsam zu Schemen zerflossen.

„Dieser Engländer ist ein Idiot“, sagte er zu Molina. „Und dieser andere Compadre erinnert mich an einen wandelnden Leichnam. Ohne uns wären diese Kerle fängst ausgekniffen und hätten den Schwanz eingezogen. Sie sind großmäulig, haben aber Angst, allein gegen El Lobo anzutreten.“

„Brauchen wir Ruthland eigentlich unbedingt?“ fragte der Erste. „Ich kann die Burschen auch nicht ausstehen.“

„Wir haben einen übermächtigen, listenreichen und harten Gegner vor uns“, sagte Garcia belehrend. „Da kann man nicht so wählerisch sein. Wenn El Lobo gegen zwei Schiffe kämpft, hat er die schlechteren Karten, und wir sind im Vorteil. Außerdem betrachte ich diesen Kerl eher als Kanonenfutter. Sobald ich den englischen Bastard habe, kann sich Ruthland zum Teufel scheren.“

Etwas später sahen sie, wie drüben zwei Mann in einer kleinen Jolle lospullten und im Nebel verschwanden.

Sie sahen aber noch mehr. Der Platz, wo die Schebecke des Seewolfs gelegen hatte, war verwaist. Dort tummelten sich nur ein paar Nebelfetzen auf dem Wasser, drumherum war alles pechschwarz.

„Der Bastard ist tatsächlich weg“, murmelte der Erste. „Ganz so, wie Sie vermutet haben, Capitán.“

„Reine Logik“, erklärte Garcia überheblich. „Man muß nur die richtigen Schlüsse ziehen, und genau das habe ich getan.“

Er erwartete eine bewundernde Antwort, doch die blieb aus. Der Erste räusperte sich nur verhalten.

„Alle Kerle wecken!“ befahl Garcia. „Auch die Freiwachen. An Deck wird kein Licht entzündet, verstanden?“

Der Erste bestätigte und verschwand. Kurze Zeit später erwachte die schlummernde Kriegsmaschine zu beängstigendem Leben.

Seewölfe Paket 34

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