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8.

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„Was ist denn los?“ fragte Carberry.

Hasard deutete schweigend zu der Lichtung, und da blieb dem Profos das nächste Wort glatt im Hals stecken.

Am Ende der Lichtung, an dicke Baumstämme gelehnt, hockten fünf Männer, deren Anblick entsetzlich wirkte.

Es waren mumifizierte Leichen. Zweien hatte man die Köpfe abgeschlagen. Die drei anderen trugen nur einen Lendenschurz, und einer hatte einen modrigen Turban um den Kopf gewickelt.

Die Mumien waren ausgedorrt, teilweise war ihnen das Fleisch von den Knochen gefallen. Die Kopflosen schockierten die vier Arwenacks noch mehr als die anderen Toten, denn sie boten einen besonders grausigen und schaurigen Anblick, wie sie so ohne Haupt dahockten.

Den Profos würgte es bei diesem Anblick. Er bereute lebhaft, daß er auf der Erkundung bestanden hatte und unbedingt mit dabei sein wollte. Jetzt war ihm die Neugier gründlich vergangen.

Old Donegal stand wie festgenagelt da und rührte sich nicht von der Stelle. Er wollte etwas sagen, doch er brachte nur ein undeutliches und heiseres Krächzen heraus.

„Hier sind die Bewohner eines kleinen Dorfes umgebracht worden“, sagte Hasard. „Das werden immer mehr. Aber man sieht hier keine Hütten oder Behausungen. Ich verstehe das nicht.“

Sie mußten sich überwinden, um weiterzugehen. Ein Geruch nach Tod und Verwesung lag wie ein Gifthauch in der Luft. Vorsichtig sahen sie sich nach allen Seiten um.

„Wir müssen noch ein Stück weiter“, flüsterte Hasard, der einen trockenen Hals hatte. „Vielleicht enträtseln wir dieses furchtbare Geheimnis noch. Drüben führt die Spur weiter.“

Carberry schloß die Augen, als er an den fürchterlich zugerichteten Toten vorbeiging. Er konnte den Anblick kaum noch ertragen.

In dieser Bucht hatten sie Frieden und Ruhe erwartet, aber niemals das, was sich ihnen jetzt darbot.

Wie betäubt folgten sie weiter den Spuren, die tiefer in den Urwald führten. Der zweiten Lichtung schloß sich eine weitere an. Sie führte in einem kleinen Bogen wieder in Richtung Wasser zurück, endete jedoch bei einem Verhau von dornigen Pflanzen. Von hier bis zum Wasser waren es bestenfalls zwanzig Schritte.

Philip, der als erster die Lichtung betrat, konnte von hier aus das Achterschiff der Schebecke zwischen den Sträuchern und Bäumen undeutlich erkennen. Von dem Schiff aus war dieser Platz aber nicht einsehbar.

Auch hier schufen die hohen Blätterkronen ein unheimliches und fast düsteres Zwielicht von grünlicher Farbe.

Carberry drehte sich schluckend um und warf einen Blick zu jener Stelle zurück, wo die kopflosen Toten in einem schaurigen Halbkreis saßen.

Er wurde das Gefühl nicht los, als würden die Gestalten jeden Augenblick aufstehen, um ihnen nachzuschleichen. Er sah, daß auch Old Donegal ständig einen scheuen Blick nach achteraus riskierte, der wohl das gleiche annahm wie er.

Die Lichtung war ein kreisrunder, vom Sonnenlicht fahl beschienener Flecken, der deutlich zu sehen war, aber von heckenähnlichen Dornensträuchern abgegrenzt wurde.

„Da kommen wir nicht durch“, sagte Carberry. Er blickte auf den feuchten Boden und erkannte verwaschene Fußspuren. In manchen hatte sich das Regenwasser gesammelt und füllte sie aus. „Die Dornen reißen uns die Haut in Fetzen.“

„Aber die anderen sind hier auch durchgegangen“, entgegnete Hasard. „Wir folgen einfach den Spuren.“

Hohe Farne schlugen ihnen in die Gesichter, als sie langsam weitergingen. Abgebrochene Zweige und Äste verrieten, daß hier erst kürzlich Menschen gewesen waren. Der Dschungel begann die Spuren wieder zu verwischen.

Der nur schwer erkennbare Pfad führte sie in einer spiralförmigen Windung bis zu einem Halbkreis weiter. In den Dornensträuchern gab es eine größere Lücke.

Hasard war wieder mal der erste, der hindurchschlüpfte.

„Noch mehr Knochenmänner?“ fragte Old Donegal unbehaglich, der etwas zurückgeblieben war.

Als er keine Antwort erhielt, drängte er vor. Jetzt wollte er auch nicht länger der letzte Mann sein.

Stumm standen sie eine ganze Weile da und blickten über die kreisförmige Lichtung. Genau gegenüber von ihnen gab es einen weiteren Durchschlupf in den Dornen, der wieder zum Wasser führte.

Das Kreisrund der Lichtung war in zwei Teile aufgeteilt, die genau voneinander abgegrenzt waren.

Lange Stöcke waren in den Erdboden gerammt worden, die sich in einem Abstand von vier Yards gegenüberstanden. Auf dieser Seite waren es zwölf lange Stangen, auf der anderen zählte Hasard siebzehn.

Auf diesen Stangen steckten Totenschädel, und sie schienen sich gegenseitig bösartig grinsend wie Feinde anzustarren.

Jeder der Stöcke trug einen Totenkopf. Manche der Schädel waren mumifiziert. Die Haut spannte sich wie altes, brüchiges Leder über die Knochen.

Der Anblick war noch schauriger als der vorhergehende.

Fassungslos und von Grauen geschüttelt starrten die vier Arwenacks zu den Köpfen. Um sie herum herrschte eine geisterhafte Ruhe. Nicht einmal das Rauschen des Wasserfalles war mehr zu hören.

Hasard und Philip traten zögernd ein paar Schritte vor, ohne den Blick von den Stangen zu wenden, die etwa mannshoch waren. Die Köpfe befanden sich fast auf gleicher Höhe mit den ihren.

Einige der mumifizierten Schädel trugen noch dunkle Haare, die vom Regen schwarz glänzten. Wasser rann in dünnen Rinnsalen von den Köpfen, die aussahen, als weinten sie.

Die anderen bleckten nur bösartig die Zähne und starrten aus leeren Augenhöhlen auf ihr Gegenüber.

Die Phalanx der grausigen Totenschädel standen sich wie in Lebensgröße gegenüber, nur fehlten ihnen die Körper, die aus unerfindlichen Gründen durch Stangen ersetzt worden waren. Es mußten wohl schon im Leben Feinde gewesen sein, die sich bis auf den Tod haßten. Auch jetzt noch war ihre Haltung als drohend und feindlich zu bezeichnen.

Bei jedem Schritt lief durch den Boden eine kleine, fast unmerkliche Erschütterung. Dann begannen die Stangen leicht zu zittern und zu beben. Das übertrug sich wiederum auf die Schädel.

Sie nickten vor sich hin und gaben leise, klappernde Geräusche von sich.

„Eine Kultstätte“, brachte Philip mühsam hervor und vermied es, kräftig aufzutreten. „Hier bekämpfen sich offenbar feindliche Stämme. Oder hat jemand eine andere Erklärung?“

Carberry wischte sich ein paar Tropfen von der Stirn, die von den Blättern heruntergefallen waren. Er zuckte zusammen, als sich Old Donegal hastig an ihm vorbeidrängte. Sein Holzbein stampfte dabei auf den Boden, und sofort begannen sich die Totenköpfe zu verneigen und wieder leise zu klappern.

„Das muß wirklich eine Kultstätte sein“, stammelte der Profos. „Sie schlagen sich gegenseitig tot und stecken die Schädel ihrer Gegner auf diese Stangen. Den Sinn begreife ich allerdings nicht.“

Das Schädelwackeln hörte auf, sobald sie sich nicht mehr bewegten.

Hasard berührte einen der Stöcke mit dem Finger. Er gab sofort nach und schwang hin und her. Der Kopf eines mumifizierten Mannes glitt auf ihn zu und zuckte wieder zurück. Das geschrumpfte Gesicht schien heimtückisch zu grinsen.

Hasard sprang zurück und stieß tief die Luft aus.

„Versündige dich nicht“, sagte Old Donegal. „Die Toten werden uns verfolgen.“

Hasard glaubte derlei Quatsch nicht. Vom Aberglauben seines Großvaters hatte er jedenfalls nicht die Spur geerbt. Er war alles andere als abergläubisch, auch wenn ihn der jetzige Anblick mit Grauen erfüllte.

„Wir gehen dort hinaus“, sagte der Profos. „Es ist wohl besser, wenn wir schnell verschwinden, bevor diese Kerle auftauchen. Ich möchte nicht unbedingt von einer solchen Stange blicken. Möglicherweise schießen die sich gegenseitig vergiftete Pfeile in den Rücken.“

„Nein, sie erschlagen sich“, widersprach Hasard. „Das haben wir an den anderen ja gesehen, und wenn du genau hinschaust, Mister Profos, kannst du die gleichen Verletzungen auch hier an den Köpfen feststellen.“

Carberry warf jedoch nur einen flüchtigen Blick auf die Schädel und verzichtete auf eine genaue Untersuchung.

„Ich bin restlos bedient. Wir kehren an Bord zurück und erstatten dem Sir Bericht.“ Er zeigte zu der Lücke in der Lichtung, die zur Bucht führte.

Doch dazu mußten sie an den Stangen vorbei, und bei jedem Auftreten begann das gleiche makabre Schauspiel. Die nur sehr lose befestigten Köpfe wackelten, und der Profos glaubte sogar, das Klappern ihrer Zähne zu hören.

Sie waren heilfroh, als sie die unheimliche Stätte wieder hinter sich gelassen hatten. Die Schädel bewegten sich noch immer. Erst nach und nach, als der Boden sich beruhigte, hörte auch das schreckliche Wackeln der Köpfe auf.

Hinter ihnen schrumpfte die Lichtung zu einem düsteren Fleck zusammen.

Sie gingen ein Stück am Ufer entlang und wunderten sich nicht sonderlich, daß auch hier, dicht am Dschungel, überall menschliche Gebeine herumlagen. Manche Knochen waren schon alt. Die Sonne hatte sie ausgedörrt und gebleicht, andere waren zertrümmert worden.

An das Bad im Wasserfall dachte längst keiner mehr. Sie hörten ihn wieder rauschen und murmeln, und obwohl ihnen der Schweiß in dicken Tropfen auf den Gesichtern stand, wollten sie nur so schnell wie möglich an Bord der Schebecke zurück.

Am Ufer angelangt, warfen sie noch einen langen und gründlichen Blick in den angrenzenden Dschungel. Es erschien ihnen alles wie ein böser Traum. Es zeigte sich auch kein Mensch, und die Gegend wirkte wie ausgestorben.

„Eine unheimliche Bucht“, sagte Carberry. „Von außen sieht alles so friedlich aus, und doch finden hier öfter fürchterliche Gemetzel statt. Ich bin froh, wenn wir wieder Kurs aufs Meer nehmen.“

Sie stiegen in die Jolle und pullten zurück. Diesmal wesentlich schneller als zuvor, denn für sie bestand höchste Gefahr, falls die Fremden auftauchten. Vielleicht hatten sie ein Tabu verletzt, ohne es zu wissen. Manche Eingeborenen wurden dann zu fanatischen Mördern.

Das Ruder war inzwischen ausgebaut worden und lag am Ufer. Shane und Ferris hatten neue Beschläge angefertigt. Sie hämmerten und klopften und warfen den vier Arwenacks nur einen flüchtigen Blick zu.

Hasard merkte sofort, daß etwas Außergewöhnliches vorgefallen sein mußte.

„Seid ihr Gespenstern begegnet?“ fragte er, als er die Gesichter sah.

„So ähnlich“, erwiderte Carberry. „Wir haben etwas Grausiges entdeckt.“

Haarklein begannen sie zu erzählen. Die Arwenacks bildeten einen Halbkreis um sie und hörten ungläubig zu.

Der Seewolf unterbrach den Bericht kein einziges Mal. Nur sein Gesicht wurde allmählich kantiger und verschloß sich.

„Das hat uns gerade noch gefehlt“, sagte er, als Carberry die Geschichte zu Ende erzählt hatte. „Da steht uns höchstwahrscheinlich ein nächtlicher Besuch von Ruthland bevor, und von der anderen Seite haben wir ebenfalls nichts Gutes zu erwarten. Wir liegen hilflos auf dem Strand und haben noch die ‚Aguila‘ als Hindernis vor uns. Feine Aussichten sind das.“

„Es scheint sich um eine Kultstätte zu handeln, Dad, Sir“, sagte Philip. „Diesen Eindruck erweckte es jedenfalls.“

„Wenn es Sikhs sind“, sagte der Kutscher bedächtig, „dann handelt es sich um fanatische Gesellen, um sogenannte Schüler einer religiösen Gemeinschaft. Sie sind durch die Lehren des Islams und des Hinduismus stark beeinflußt und schlimme Eiferer. Trugen alle diese eisernen Armringe?“

„Nein, nicht alle, aber viele. Sie haben sich vermutlich gegenseitig die Schädel eingeschlagen. Die Toten haben fast alle große Löcher in den Köpfen, und die meisten wurden sogar enthauptet.“

„Dann scheint es sich um einen religiösen Kastenkrieg zu handeln“, sagte der Kutscher. „Dabei rotten sich einzelne Kasten gegenseitig aus. Die aufgespießten Köpfe dürften dabei als Trophäen eine wichtige Rolle spielen. Möglicherweise hat das irgendeinen Einfluß auf die Reinkarnation oder das Leben nach dem Tode. So genau weiß ich das nicht.“

„Dann werden sie uns wohl kaum in Ruhe lassen, wenn sie wieder aufkreuzen“, sagte Hasard.

„Ganz sicher nicht. Wir müssen damit rechnen, daß sie wie die Wilden über uns herfallen.“

„Fragt sich nur, in welchen Abständen und aus welcher Richtung diese Leute auftauchen“, sagte Hasard. „Auf jeden Fall werden wir jetzt noch mehr Posten aufstellen und alle bis an die Zähne bewaffnen.“

„Ja, das sollten wir unbedingt tun“, riet der Kutscher. „Ich vermute, daß sich die einzelnen Sippen mit Booten hier treffen und am Ufer der Bucht ihre tödlichen Kämpfe austragen. Wenn sie uns sehen, werden sie sich verbünden und auf uns losgehen, um sich danach selbst gegenseitig niederzumetzeln. Weiter nehme ich an, daß sie mit kleinen Booten den Flußlauf hinunterfahren, von dem ihr erzählt habt. Irgendwo in den Bergen und Hügeln hausen sie wohl, und hin und wieder geht es aus irgendeinem Anlaß zur Sache.“

„Na, prächtig“, sagte Hasard. „Zumindest sind wir jetzt auf die verschiedenen Besuche vorbereitet und werden uns dementsprechend einrichten. Vor übermorgen sind wir mit der Reparatur nicht fertig. Ich werde jetzt die Jolle nehmen und mir das selbst mal ansehen. Willst du mich begleiten, Ed?“

„Eigentlich habe ich noch eine Menge zu tun“, sagte der Profos verlegen.

„Das hat Zeit bis später, Ed. Oder sind das etwa Ausflüchte?“

„Beileibe nicht, Sir. Ich und Ausflüchte! Ich habe die Knochenmänner ja schon gesehen.“

„Sehr gut, dann kannst du mir den Weg zeigen, wenn du dich schon so gut auskennst.“

Da konnte der Profos schlecht nein sagen. Er enterte leise ächzend ab, als plage ihn das Rheuma, und nahm dann in der Jolle Platz.

Die anderen konnten sich des Eindruckes nicht erwehren, als habe der bärenstarke und bullige Profos wacklige Knie. Aber das konnte auch täuschen.

Seewölfe Paket 34

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