Читать книгу Seewölfe Paket 34 - Fred McMason - Страница 33

10.

Оглавление

Der spanische Capitán ging ruhelos auf seinem Schiff auf und ab und schlug dabei immer wieder die geballte Linke in die rechte Handfläche.

„Wo, zum Teufel, bleiben denn Ihre unfähigen Trottel?“ brüllte er Ruthland an. „Kein Verlaß auf die Kerle! Die Dämmerung setzt bereits ein, und immer noch sind sie nicht zurück. Sie sollten Ihren Bastarden mal die Furcht Gottes beibringen, Ruthland.“

Sie hatten beide Schiffe Bord an Bord gelegt, damit sie ihr Vorgehen noch einmal genau absprechen konnten.

„Ich kann mir das auch nicht erklären“, sagte Ruthland mit einem kläglichen Grinsen. „Möglicherweise stecken sie irgendwo im Nebel, oder der Seewolf hat doch eine andere Bucht gewählt.“

„Im Nebel!“ höhnte der Spanier. „Daß ich nicht lache! In dem Nebel, der jetzt herrscht, kann sich nicht mal ein Blinder verirren. Ich werde Ihnen was sagen, Mister: Ihre Kerle hat der Teufel geholt, und zwar jener Teufel, den man El Lobo del Mar nennt. Oder Ihre unbedarften Tröpfe haben versagt. Sie sind seit etlichen Stunden überfällig. Die Meldung müßte längst eingetroffen sein.“

Ruthland war ebenfalls verärgert. Er hatte auch keine glaubwürdige Erklärung zur Hand. Ihn wurmte es, daß seine beiden Leute einfach spurlos verschwunden waren. Daher suchte er immer wieder mit dem Spektiv den Fluß ab, konnte aber nicht die Spur von Ihnen entdecken.

„Sie müssen jeden Augenblick eintreffen“, sagte er verunsichert. „Ich nehme jedoch an, daß Killigrew eine andere Bucht aufgesucht hat und sie ihn nicht gleich gefunden haben. Wir haben es immerhin mit einem ausgefuchsten Gegner zu tun, der an alles denkt.“

„Wem sagen Sie das? Keiner weiß das besser als ich. Ich lasse ihnen noch eine Viertelstunde Zeit, dann segeln wir los. Der Wind reicht gerade aus.“

„Und wenn die Männer bis dahin nicht zurück sind?“ wandte Ruthland zaghaft ein, „dann wissen wir nichts über den Liegeplatz.“

„Ihre Kerle kann von mir aus der Teufel holen“, erwiderte Garcia grob. „Wir suchen zuerst die Bucht auf, die ich genannt habe und gehen dann wie vereinbart vor. Ich bitte Sie, sich strikt an meine Anweisungen zu halten. Ich habe die größere Kampferfahrung. Nur so können wir den Kerl zur Strecke bringen. Keine Eigenmächtigkeiten also. Das ist ein strategisch wichtiger Punkt.“

„Mir bereits bekannt“, sagte Ruthland zähneknirschend und verdrossen.

Die Bevormundung ärgerte ihn mächtig, und mehr als einmal bereute er bereits, sich mit dem Spanier eingelassen zu haben. Aber sie waren nun aufeinander angewiesen.

Abermals suchte er nervös mit dem Spektiv den Fluß ab. Aus der Bucht heraus konnte er jedoch nicht viel erkennen und hatte jeweils nur einen kleinen Ausschnitt. Er sah jedoch nichts anderes als das schwarze Wasser des Tapti und ein paar tänzelnde Nebelfetzen, die über der Wasserfläche kreisten.

„Verdammt, wo bleiben die nur?“ rief er ärgerlich.

„Vielleicht hat der Seewolf Jonny und Stan wirklich gefaßt“, sagte Hugh Lefray hämisch. „Ich kann mir vorstellen, daß sich Killigrew ebenfalls abgesichert und Wachen aufgestellt hat, wenn er sich in einer so heiklen Situation befindet. Na, und die Wachen werden die beiden eben geschnappt haben. Dann hat man sie ein bißchen ausgehorcht, mißhandelt, gefoltert, bis man alles erfuhr, und schließlich aufgehängt.“

„Quatsch kein dummes Zeug!“ fuhr ihn Ruthland an. Mit jeder Minute wurde er nervöser und verärgerter.

„Hast du eine bessere Lösung anzubieten?“

„Nein, habe ich nicht!“ schrie Ruthland. „Und jetzt laß mich mit deiner albernen Nerverei endlich in Ruhe. Mir genügt der da.“ Dabei zeigte er zu dem Spanier.

„Der genügt mir schon lange“, sagte Lefray so leise, daß Garcia ihn nicht verstehen konnte. „Der hängt mir wie grüne Seife querkant im Hals. Wir hätten den Seewolf auf unsere feine englische Art austricksen sollen, wie wir es ja schon erfolgreich getan haben. Jetzt hat uns dieser Don am Wickel und kommandiert uns wie kleine Rotzjungen herum. Weiß der Teufel, warum du dich so eng an ihn angeschlossen hast.“

„Ich hatte meine Gründe, das weißt du genau. Wir haben Killigrew zwar aus Surat rausgeekelt, aber allein schaffen wir ihn nicht. Und wenn er nach London zurückkehrt und kann gute Beziehungen aufweisen, dann haben wir ausgespielt, denn dann werden sich ganze Flotten in Marsch setzen, um den großen Kuchen zu holen. Für uns bleiben dann nicht mal mehr die Krümel. Genau das ist der Grund, warum wir den Don unbedingt brauchen. Oder hast du das immer noch nicht kapiert?“

Der Mann mit dem entsetzlich tot wirkenden Auge grinste hart. Er schlug eine versöhnlichere Tonart an und kümmerte sich nicht darum, daß Garcia nicht weit, entfernt von ihnen stand und sie mißtrauisch beobachtete.

„Jaja, vielleicht hast du recht, Francis. Aber wenn wir die Angelegenheit erledigt haben, dann soll sich der Kerl mitsamt seinen dämlichen Soldaten zum Teufel scheren. Ich will nichts mehr mit ihm zu tun haben.“

„Genau das habe ich auch vor.“

Garcia wurde wieder ungeduldig. Er scheuchte ein paar Leute hin und her und befahl dem Stückmeister, alle ausgerannten Kanonen noch einmal genau zu überprüfen. Nachdem er für erheblichen Wirbel gesorgt hatte, trat er näher.

„Statt hier Plaudereien zu veranstalten, sollten Sie sich lieber noch mal von der Funktionstüchtigkeit Ihrer Stücke überzeugen, Ruthland“, sagte er schroff. „Große Reden helfen uns nicht weiter, wenn es zur Sache geht. Mit Ihren kleinen Kanonen – oder Kanönchen – erzielen Sie ohnehin keine große Wirkung, deshalb sollten sie wenigstens einwandfrei in Ordnung sein.“

Francis Ruthland fuhr gereizt herum.

„Wir sind feuerbereit, Spanier! Das habe ich vorhin bereits betont. Sie können sich Ihre verächtlichen Bemerkungen sparen. Ich weiß, was ich zu tun habe. Mir wird kein Fehler unterlaufen. An Bord meines Schiffes ist alles in Ordnung.“

„Bis auf die Kundschafter“, höhnte Garcia. „Von denen fehlt noch immer jede Spur. Vielleicht haben sie sich vor lauter Angst einfach mit der Jolle abgesetzt.“

Ruthland lief rot an, verkniff sich aber eine Bemerkung, um den Disput nicht auf die Spitze zu treiben. Er war angespannt und fahrig, denn das, was ihnen bevorstand, war beileibe kein Spaziergang. Sie würden auf einen Gegner treffen, vor dem er insgeheim zitterte, der sich mit allen Mitteln zur Wehr setzte und seine Krallen zeigte. Daß diese Krallen unglaublich scharf waren, wußte Ruthland.

Er blickte Garcia von der Seite her verstohlen an und versuchte eine Gemütsregung zu erkennen. Aber das Gesicht des kleinwüchsigen Spaniers blieb ausdruckslos bis auf seine Augen. Darin sah Ruthland es immer wieder kurz aufblitzen. Garcia schien darauf zu brennen, seinen Gegner endlich stellen zu können.

Die Viertelstunde war fast verstrichen.

Ruthland nahm noch einmal das Spektiv und warf einen langen Blick in die Runde. Es war jetzt so hell geworden, daß sich mühelos alle Einzelheiten erkennen ließen.

Von seinen Spionen war nichts zu sehen, und so drückte er den Kieker wütend einem Mann in die Hand.

Garcias Lächeln war überheblich und höhnisch. Wenn er Ruthlands Kerle ansah, verkniff er sich nur mühsam ein verächtliches Grinsen. Die waren fast alle bärtig und wirkten schmutzig.

Seine Kerle dagegen waren aus Eisen. Er hatte sie auch mit größter Härte geformt. Die Decks waren blitzsauber und stets aufgeklart, und seine Männer waren glattrasiert und trugen tadellose Kleidung, was man von den anderen nicht gerade behaupten konnte. Schon die Brustpanzer seiner Leute wirkten furchteinflößend, und er hatte dafür gesorgt, daß auf jedem Brustpanzer der Name „Aguila“ eingraviert war.

Somit unterschieden sich seine Leute wesentlich von den wilden und bärtigen Gesellen, die außerdem keine Disziplin hielten, sonst wäre das mit der Jolle seiner Ansicht nach nicht passiert.

„Die Zeit ist abgelaufen“, schnarrte er. „Wir segeln los. Nach erfolgreicher Operation kehren wir in die Bucht zurück und gehen daran, die Siedlung Esperanza weiter auszubauen und zu befestigen. Ich habe keine Lust mehr, auf die beiden Trottel zu warten. Jede Minute Vorsprung hilft dem Seewolf und verschafft uns Nachteile.“

Abrupt drehte sich Garcia um und gab Befehle.

Lefray grinste verächtlich hinter ihm her.

„Wenn alles vorbei ist, kann der Don seine Siedlung allein ausbauen und befestigen“, sagte er hämisch. „Wir verschwinden nach erfolgreicher Mission.“

„Genau dann, wenn der Kerl für uns die Kastanien aus dem Feuer geholt hat“, sagte Ruthland. „Dann nichts wie weg. Los, purr die Kerle jetzt auf Stationen, Hugh.“

Innerhalb kurzer Zeit herrschte an Bord beider Schiffe ein emsiges Treiben.

Die Anker wurden gelichtet, Segel gesetzt. Der Wind füllte sie nur schwach, und mit ebenso schwacher, anfangs kaum merklicher Fahrt, segelten Galeone und Karavelle aus der Bucht.

Als sie den Tapti erreichten, gerieten sie in die leichte Strömung, und die Fahrt wurde etwas schneller.

Sie segelten flußabwärts und hatten noch ein schwieriges Manöver zu bewältigen, um in die andere Bucht zu gelangen. Da wurde von ihnen noch einmal alles an seemännischem Können gefordert.

Nachdem die Arwenacks mit vereinten Kräften an das Abholzen der Passage gegangen waren, zeigte sich auch bald der erste Erfolg.

Ein Teil der Mangroven schwamm wie Treibgut im Wasser der Bucht herum. Es sah aus wie nach einer kleinen Schlacht.

Ein Stück der Passage war frei, und so konnten sie bald daran denken, die Schebecke hindurchzubringen.

Sie schufteten im Schweiße ihres Angesichts und lichteten den undurchdringlichen Verhau immer mehr.

„Bald haben wir es geschafft“, sagte Batuti. „Wenn wir so weiter arbeiten, sind wir in einer knappen Stunde fertig.“

„Wird auch höchste Zeit“, meinte Luke Morgan. „Lange wird der Besuch nicht mehr auf sich warten lassen.“

Auf der Schebecke standen Old O’Flynn und Will Thorne. Beide suchten ständig mit Spektiven den oberen Verlauf des Tapti ab. Die Mastspitzen der beiden Schiffe würden ihre Annäherung lange vorher verraten.

„Da bewegt sich etwas“, sagte der alte Segelmacher zu Old Donegal. „Oben, an der Flußkrümmung taucht etwas auf.“

Old Donegal stierte sich die Augen aus und nickte aufgeregt.

„Tatsächlich, da ist ein Mast zu erkennen.“

Er wollte sich aber erst ganz genau vergewissern, ehe er die anderen wahrschaute.

Hinter der Flußbiegung, noch verborgen durch den Dschungel, bewegte sich etwas, das aussah wie ein langer, blattloser Baumstamm. Zwischen einer Lücke wurde der Teil eines gelohten Segels sichtbar, dann tauchte auch der zweite Mast auf.

Old O’Flynn wetzte zum Schanzkleid, steckte zwei Finger in den Mund und stieß einen schrillen Pfiff aus.

„Wahrschau!“ brüllte er. „Unser Besuch ist in Anmarsch! Sie sind noch hinter der Flußbiegung.“

Hasard sah, wie Donegal aufgeregt winkte und verstand auch jedes Wort, das er sagte.

„Aufhören!“ befahl er knapp. „Es ist soweit. Alles zurück zum Schiff, aber in geordneter Formation, wenn ich bitten darf. Wir müßten es jetzt schaffen, die Schebecke durchzubringen.“

Es gab keine überhastete Eile und auch keine Unruhe. Sie ließen nur Äxte, Beile und Sägen liegen, um durch das Werkzeug nicht behindert zu werden.

Innerhalb kurzer Zeit waren sie alle in den Jollen und pullten an Bord zurück.

Jeder wußte genau, was er zu tun hatte. Es war schon lange vorher in allen Einzelheiten besprochen worden.

Etliche Arwenacks enterten an Bord auf. Die anderen blieben in den vorgespannten Jollen, um die Schebecke zu ziehen. Ein paar gingen an die großen und langen Riemen, mit denen die Schebecke gepullt werden konnte. Batuti und Bob Grey drückten das Schiff mit Bootshaken von den Stelzwurzeln ab, bis es frei schwamm.

„Wir können nur mit zwei Kanonen feuern“, sagte Hasard ruhig. „Mehr stehen uns in der derzeitigen Position nicht zur Verfügung, wenn wir nicht die Breitseite zeigen wollen. Wir bleiben also in dieser Position. Die Kerle werden es nicht leicht haben, einfach in die Bucht zu segeln. Ich nehme an, daß sie sofort feuern, sobald sie uns gesichtet haben. Wir schießen einen Brandsatz ab, und zwar einen gebündelten. Al und Ferris übernehmen das.“

Ferris Tucker und Al Conroy holten den vorbereiteten Brandsatz aus dem Pulvermagazin. Es waren sechs Stück, zu einer kompakten „Bombe“ gebündelt, die Garcia und Ruthland das Fürchten lehren sollte. Wenn dieses Ding richtig traf, hatten sie die ersten Schwierigkeiten bereits überwunden. Dann konnten sie noch blitzschnell durch die Passage entwischen.

Hasard und Don Juan blickten zu dem Fluß. Mastspitzen und Segel waren jetzt deutlich zu erkennen. Die Karavelle segelte dicht hinter der stark armierten Galeone, beide Schiffe wuchsen über den Tapti hinaus und wurden immer größer. Man konnte auch sehen, daß sie alle Rohre ausgerannt hatten.

„Haltet das Schiff mit den Riemen so, daß wir ihnen das Heck zeigen“, sagte der Seewolf. „Und nun pullt langsam los. Das gilt auch für die Männer in den Jollen.“

Die Boote zogen langsam an. Von Bord aus wurde ebenso langsam mit den Langriemen gepullt. Die Schebecke wirkte jetzt wie eine kleine Galeere, die stehend gerudert wurde.

„Recht so“, sagte Hasard, als die Mastspitzen immer größer wurden. „Diesen Kurs beibehalten.“

„Hoffentlich langt das“, sagte Ben zweifelnd. „Von hier aus sieht die Passage doch verdammt schmal und eng aus.“

„Es wird reichen, Ben. Ein paar Mangroven werden wir bei unserer Fahrt noch beiseite fegen. Wir müssen nur darauf achten, daß die Langriemen rechtzeitig eingeholt werden, damit sie in den Wurzeln nicht hängenbleiben.“

Ferris und Al Conroy hatten die „Bombe“, wie sie sie kurzerhand nannten, in die Abschußvorrichtung geschoben. Glimmende Lunten lagen bereit.

Der Schiffszimmermann prüfte den Wind.

„Hervorragend“, sagte er. „Wichtig ist nur, daß wir den Kurs nicht ändern, sonst fliegt das Ding vorbei und alle unsere Mühe war vergebens. Was hältst du von dem Schußwinkel, Al?“

„Der stimmt“, erwiderte Al Conroy. „Wenn sich nichts ändert und die Galeone in die Bucht einläuft, kriegen sie das Ding verpaßt. Es dürfte etwa zwanzig Yards über den Masten explodieren, und das ist genau die richtige Höhe.“

„Kurs genau halten“, schärfte Hasard den Arwenacks noch einmal ein. „Keine Abweichung. Schön langsam pullen.“

Jeder wußte, worauf es ankam. Die Leinen der Jollen hingen ein wenig durch, spannten sich dann wieder und berührten das Wasser. Oben an Deck wurde in gleichmäßigem Takt gepullt. Die Männer taten das so ruhig und gelassen, als hätten sie alle Zeit der Welt.

Die Passage rückte langsam näher. Immer noch bezweifelten einige, ob die Schebecke durch die Lücke zu bringen sei.

Von allen Seiten ragten die mörderischen Wurzeln ins Wasser. Wenn sie daran hängenblieben, mußte sich die Schebecke zwangsläufig drehen und quertreiben.

Inzwischen hatten sich die beiden Gegner der Bucht genähert.

Garcia fuhr mit der Galeone ein riskantes und waghalsiges Manöver. Er wendete schon oberhalb der Einfahrt und beschrieb mit der „Aguila“ einen weiten Bogen. Auch Ruthland holte jetzt zu diesem Bogen aus. Er befand sich etwa hundert Yards hinter der Galeone.

Das Manöver gelang hervorragend, wie Hasard neidlos anerkennen mußte, obwohl es sehr schwierig war. Der „Giftzwerg“, wie die Arwenacks den spanischen Capitán nannten, hatte die Schebecke jetzt entdeckt und wartete gelassen, bis er in Schußposition war.

Der Bug schwang langsam herum, und auf der Backbordseite blitzte es am Vorschiff dreimal hintereinander grell auf.

Die Absicht war klar. Garcia wollte die Breitseite an Backbord abfeuern, mit dem Bug wieder abfallend in die Bucht segeln, und dann die andere Seite einsetzen. Dieses Vorhaben mußte möglichst gleich auf Anhieb gelingen, denn er konnte in der Bucht keine großen Manöver durchführen. Zum einen fehlte ihm dazu der nötige Wind, zum anderen war der Raum begrenzt, auf dem er operieren konnte.

Anschließend, so nahm Hasard an, würde Ruthland in die Lücke vorstoßen und seine Stücke einsetzen.

Die Ruhe in der Bucht wurde jäh gestört. Ein paar kreischende Affen schwiegen entsetzt, als der Krach begann.

Drei brüllende Feuerzungen rasten aus den Rohren. Dichter Qualm wölkte auf, dem wilder Donner folgte. Gefährlich nahe schwang das Heck der Galeone am Ufer vorbei. Im Kielwasser war ein rasender Wirbel zu erkennen.

Garcia hatte in seinem Eifer zu früh gefeuert. Alle drei Kugeln donnerten in die Mangroven und hieben ein paar Wurzeln auseinander, die nach allen Seiten davonflogen.

Morast und Dreck spritzten auf. Dicker, schwarzer Schlamm wurde zur Seite geschleudert. Die Bucht hallte wider von den röhrenden Abschüssen der Kanonen.

Zu diesem Zeitpunkt nahm auch Ruthland Kurs auf die Bucht und schor hinter dem Heck der Galeone ebenfalls auf den Kurs ein. Aber dessen seemännische Qualitäten ließen etwas zu wünschen übrig.

Carberry sah es mit tiefer Genugtuung.

„Ein Affenarsch ist und bleibt ein Affenarsch“, sagte er drastisch. „Der versengt sich jetzt das Heck.“

Es beeindruckte sie nicht sonderlich, daß ihnen die Kugeln um die Ohren flogen. Sie pullten unverdrossen weiter und hatten beide Schiffe genau im Blickfeld, wenn auch etwas seitlich versetzt. Jetzt wurde es allerdings kritisch, als die „Aguila“ weiter herumschwang.

Da geschah das, was Carberry vorhergesehen hatte.

Ruthland kriegte Berührung mit dem Uferstreifen aus Mangroven und dichtem Verhau, der am äußeren Eingang der Bucht bis ins Wasser ragte.

Die „Ghost“ empfing einen harten Schlag, und auf den Schreck hin begannen einige Kerle nervös und aufgeregt zu feuern.

Die Kugeln, die sie abfeuerten, hätten fast die Galeone getroffen, so dicht zischten sie vorbei. Geschrei und Gebrüll waren zu hören, als die „Ghost“ aus dem Ruder lief und mit killenden Segeln schräg versetzt der Galeone folgte.

Sie driftete ab und wurde nur sehr mühsam wieder abgefangen. Aber da befand sie sich bereits in einer Position, die den Arwenacks vorerst nicht mehr gefährlich werden konnte.

Acht weitere Stücke spien ihr tödliches Eisen aus. Aus dem unteren Batteriedeck lösten sich ebenfalls vier rötliche Feuerzungen und hüllten die Galeone in dichten Rauch ein.

In der Bucht rumorte und brüllte es wie bei einem mittelschweren Erdbeben.

Die Arwenacks zogen die Köpfe ein, als es heiß und fauchend über sie hinwegorgelte. Im Dschungel schlug es erneut mit elementarer Wucht ein. Eine Palme wurde geknickt, zwischen den Mangroven stiegen schmutzige Säulen auf.

Die Passage war nur noch wenige Yards entfernt.

„Weiterpullen!“ schrie Hasard durch den wilden Lärm.

Zwei Kugeln rasten über die Ruderer auf der Schebecke. Sie lagen so dicht, daß die Arwenacks den Luftzug spürten.

Eine dritte schlug ein und traf das Schanzkleid. In einem wüsten Splitterregen barst ein Teil auseinander und wirbelte davon.

„Jetzt“, sagte Ferris in aufreizender Ruhe. „Jetzt ist der günstigste Zeitpunkt für unsere Antwort.“

Hasard nickte ihm zu und sah abwechselnd zu der Galeone und dann wieder zur Karavelle, die sich abmühte, nicht noch weiter aus dem Ruder zu laufen.

Er wandte den Blick ab, als er ein wildes Zischen hörte.

Ferris Tucker hatte den gebündelten Brandsatz gezündet, der jetzt wie eine Horde kreischender Affen losstob.

Er raste in die Bucht, hinterließ eine grauweiße Rauch- und Qualmwolke und tobte unter höllischer Geräuschentwicklung ein kurzes Stück in den morgendlichen Himmel.

Auf der Galeone vergaßen sie für einige Augenblicke das Feuern, und dann vergaßen sie es ganz, weil sie dazu nicht mehr in der Lage waren.

Der gebündelte Brandsatz hatte seinen Kulminationspunkt erreicht und barst über der Galeone mit einem ekelhaft lauten und schmerzenden Geräusch auseinander.

Die ganze Palette chinesischer Feuerwerkskunst brannte schlagartig ab. Es war ein schönes und schauriges Bild zugleich.

Die „Pfirsichbäume“ strebten auseinander und glühten in der Luft in allen Farben auf. Rote, grüne, goldene und grellweiße Sterne zerplatzten in einem wilden Regen und ergossen sich auf die Galeone der Dons.

Die Spanier standen da und starrten noch oben. Sie hatten etwas Derartiges noch nicht gesehen und begriffen nicht, was sich da über ihren Köpfen abspielte.

Einzelne Schreie waren zu hören – Entsetzensschreie. Und als das dem Griechischen Feuer ähnliche Gemisch auf Segel und Decks niederregnete, da sprangen einige der Dons voller Angst über Bord.

Nach dem Aufplatzen der ersten Sterne wurde die Panik größer. Schlagartig bildete sich auf dem Deck ein dunkler Pilz, der wiederum in sich zu explodieren schien und nach allen Seiten auseinanderstrebte.

Ein Segel loderte auf, dann ein zweites. An Deck stieg eine Feuersäule hoch und griff nach brüllenden Männern.

Garcias eiserne und sonst so disziplinierte Kerle gerieten in eine unbeschreibliche Panik, als das Feuer an allen Seiten ausbrach. Daß es so gut wie nicht zu löschen war, wußten die Spanier zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Die bittere Erfahrung stand Garcia erst noch bevor.

Als Hasard sich umdrehte, schlugen aus dem unteren Batteriedeck ganz plötzlich züngelnde Flammen hoch. Wieder sprangen ein paar Männer mit Gebrüll über Bord, als die feurigen Zungen nach ihnen griffen.

„Riemen ein“, sagte Hasard.

Die Riemen wurden eingezogen. Die Jollen hatten die Passage gerade hinter sich. Da schob sich der Rumpf der Schebecke auch schon durch die schmale Lücke und walzte alles nieder, was sich ihm noch in den Weg stellte.

Sie schafften es gerade noch. Wieder zurückblickend, sah der Seewolf, daß von der brennenden Galeone keine Gefahr mehr drohte.

Sie lief brennend und laut knisternd und prasselnd aus dem Ruder und legte sich quer. Der Rudergänger hatte es vorgezogen, sein Heil ebenfalls im Wasser zu suchen.

Der Kutscher stieß hart die Luft aus.

„Das ging ja noch mal gut“, sagte er erleichtert. „Aber es scheint ein neues Problem auf uns zuzukommen. Wenn die Galeone untergeht, versperrt sie uns die Ausfahrt aus der Bucht.“

„Uns bleibt wirklich nichts erspart“, knurrte der Profos Edwin Carberry. „Kaum ist ein Problem gelöst, taucht schon das nächste auf. Aber darüber sollten wir uns erst später die Köpfe zerbrechen.“

Sie waren durch und konnten aus der Bresche in die Bucht blicken. Dort sah es grauenhaft aus. Die ganze Bucht schien in hellen Flammen zu stehen …

ENDE

Seewölfe Paket 34

Подняться наверх