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7.

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Die Arbeiten gingen zügig voran, seit Ruthland mit der Karavelle Hals über Kopf geflüchtet war. In zwei Tagen, so schätzte Ferris Tucker, würden sie wieder segeln können.

Um das Schanzkleid auszubessern, besorgten sie sich Holz von der „Aguila“. Es gab noch etliche Stellen an dem Wrack, die unversehrt waren.

An diesem frühen Nachmittag wurde auch die kleine Exkursion begonnen, um die Bucht zu erkunden.

Old O’Flynn, Carberry und die Zwillinge nahmen Waffen mit, denn niemand wußte, was sie im hinteren Teil der Bucht erwartete. Möglicherweise gab es sogar eine Siedlung, von der sie nichts ahnten. Sie mußten jedenfalls auf Überraschungen gefaßt sein.

„In ein, zwei Stunden könnt ihr wieder zurück sein“, sagte Hasard. „Erkundet nur, wie es weiter hinten aussieht. Falls es da einen Nebenfluß des Tapti gibt, dann befahrt ihn nicht. Im übrigen brauche ich heute nacht ausgeruhte Männer. Wir werden Posten aufstellen, denn ich rechne mit einem kleinen Besuch. Ruthland und Garcia werden irgend etwas unternehmen, um die Scharte auszuwetzen.“

„Alles verstanden, Sir, aye, aye“, sagte der Profos.

Old Donegal, Philip und Jung Hasard enterten bereits in die Jolle ab. Der Profos folgte so hastig, als befürchte er, die drei könnten ohne ihn ablegen. Er flog förmlich in die Jolle, wo Old O’Flynn bereits die Pinne übernommen hatte.

Die Zwillinge pullten los.

Die Sonne brannte heiß vom Himmel. Es war unerträglich schwül. Auf der linken Seite dampfte der Sumpf unter den Mangroven.

Durch die Bresche konnten sie das Wrack sehen. Es qualmte immer noch. Der Regen hatte vorübergehend aufgehört, er hatte es nicht geschafft, das Feuer vollständig zu löschen. Ein unangenehmer Geruch nach verbranntem Holz lag auch über der zweiten Bucht. Die Qualmwolke über dem Wrack trieb nur langsam auseinander.

„Glaubst du, daß Ruthland noch etwa unternimmt?“ fragte Old Donegal in die Stille hinein. „Der muß doch jetzt endgültig die Nase voll haben.“

„Dem Schnapphahn ist nicht zu trauen“, erwiderte der Profos. „Und Garcia erst recht nicht. Die haben etwas ausgeheckt. Aber wir werden uns die Bande schnappen, verlaß dich drauf. Die Überraschten werden ganz bestimmt nicht wir sein.“

Sie pullten in der Mitte der Bucht entlang und musterten die Uferstreifen. An vielen Stellen begann der Dschungel unmittelbar am Wasser und schien undurchdringlich zu sein.

Eine fast unnatürliche Stille herrschte hier. Kein Tier ließ sich blicken. Der Lärm hatte sie vorübergehend alle vertrieben. Selbst die Wasservögel waren verschwunden.

Carberry konnte es kaum erwarten, jene Stelle zu erreichen, die man von der Schebecke aus nicht einsehen konnte. Alle Augenblicke wandte er den Kopf und sah sich um.

Es erschien ihm wie eine Ewigkeit, bis die Schebecke schließlich aus ihrem Blickfeld verschwand. Jetzt war nur noch eine Qualmwolke über der Bucht zu sehen.

Auf der rechten Seite wurde das Ufer sandig, dann begann das, was Dan O’Flynn als Küste bezeichnet hatte. Das Ufer stieg etwas an, der Sandstreifen wurde breiter. Gleichzeitig verengte sich die Bucht. Die rechte Seite ähnelte einer Küstenlandschaft, wie sie für das Meer typisch war. Die Hügel gingen in Berge über, und alles war, bis auf ein paar kleine Lichtungen, dicht bewachsen.

Nach der Enge der Bucht folgte tatsächlich ein See, dessen Oberfläche von keinem Windhauch gekräuselt wurde. Ein fernes Plätschern verriet einen noch unsichtbaren Wasserfall.

Menschen waren nicht zu sehen. Diese Ecke sah wie ein Stück unberührter Natur aus, als hätte noch nie ein Mensch diese Idylle betreten.

„Da hinten ist ein Fluß“, sagte der Profos. „Dort, wo der See zu Ende ist, beginnt ein Flußlauf. Wir sollten mal hinpullen.“

„Aber nicht in den Fluß“, sagte Old Donegal. „Wir sehen ihn uns nur an.“

„Jaja“, knurrte der Profos ungeduldig. „Wir wollen uns ja auch nur orientieren, weiter nichts.“

Als sie über den See pullten, entdeckte Carberry den Wasserfall. Er entsprang irgendwo in den Bergen und plätscherte aus etwa zehn Yards Höhe in eine schmale Rinne, die wiederum in den See führte. Zwischen dem Wasserfall und dem Fluß bestand allerdings keine Verbindung.

„Hier ist bestimmt noch niemand gewesen“, meinte Old Donegal. „Darauf würde ich mein Holzbein verwetten.“

„Tu’s lieber nicht“, sagte Philip, „sonst mußt du wieder an Krücken laufen.“

„Ich habe ein Gefühl für derartige Dinge“, belehrte ihn der Admiral, und wußte noch nicht, daß er sich diesmal gründlich irren sollte.

„Am liebsten würde ich mich eine halbe Stunde lang unter den kühlen Wasserfall stellen“, sagte der Profos sehnsüchtig. „Bei der Hitze wäre das eine herrliche Erfrischung. Warum sollten wir das eigentlich nicht tun? Nur ein Weilchen, nicht länger.“

Da die anderen auch dafür waren, beschlossen sie, später diese Abkühlung kurz zu genießen.

Sie pullten zu jener Stelle hinüber, wo der Flußlauf zu sehen war.

Eine Furt war zwischen den Mangroven frei, dahinter begann ein kleiner Fluß, über dem sich der Dschungel schloß. Auf dem Wasser war es schattig und fast dunkel. Das Flüßchen war doppelt so breit wie die Jolle und konnte gut befahren werden. Tief war es allerdings nicht, wie Carberry feststellte. Man konnte nicht mal bis zum Hals darin stehen.

Hier, an dem kleinen Fluß, senkte sich auch wieder die Küste und ging in Dschungel über.

„So, jetzt wissen wir, wie es hier aussieht“, sagte Old Donegal. „Nun sehen wir uns den Sandstreifen an, nehmen ein Bad und kehren wieder zurück. Von dieser Seite aus droht uns keine Gefahr, da können wir ganz beruhigt weiterarbeiten.“

Philip und Hasard hielten jetzt auf den küstenähnlichen Sandstreifen zu und nahmen Kurs auf den Wasserfall.

Carberry kniff die Augen zusammen und blinzelte in die grelle Nachmittagssonne. Sehr aufmerksam spähte er zu dem sandigen Streifen.

„Da liegt so ein merkwürdiges Ding“, sagte er. „Was kann das sein?“

Philip drehte sich ebenfalls um und warf einen kurzen Blick ans Ufer.

„Sieht nach einem Gerippe aus“, sagte er trocken.

Old O’Flynn verriß daraufhin prompt die Pinne. Dem Profos war anzusehen, daß sich sein Magen verkrampfte.

„Gerippe?“ fragte der Admiral ächzend. „Hier gibt’s doch überhaupt keine Menschen.“

„Jedenfalls keine lebenden“, sagte Jung Hasard ungerührt. „Aber da drüben scheinen noch mehr zu sein. Sieht jedenfalls so aus. Wir werden das gleich feststellen, wenn wir am Wasserfall sind.“

„Ach, der Wasserfall“, erklärte der Profos wegwerfend. „So heiß ist es nun auch wieder nicht, daß ich unbedingt baden muß. Was meinst du, Donegal?“

„Heiß? Mir ist richtig kalt“, sagte der Admiral. „Wenn ich jetzt bade, kriege ich eine saftige Erkältung, und das kann sehr schnell den Tod nach sich ziehen.“

„Genau“, tönte Carberry. „Der Kutscher hat schon gesagt, daß man nicht bei großer Hitze ins kalte Wasser gehen soll. Dann kriegt man einen Herzschlag und nippelt ab. Außerdem wird es Zeit, zurückzukehren, sonst gibt es mit dem Sir Ärger. Es wird gleich dunkel.“

Die Zwillinge grinsten sich eins.

„Dunkel wird’s erst in etwa fünf Stunden“, sagte Hasard. „Wir sind noch nicht mal eine Stunde fort. Wenn wir zurückkehren und den anderen lapidar berichten, da lägen ein paar Knochen rum, dann will Dad Einzelheiten wissen. Schon aus diesem Grund müssen wir uns überzeugen, denn das Gerippe läßt darauf schließen, daß es hier Menschen gibt.“

Als Old Donegal die Pinne wieder festhielt, nahm er stur Kurs auf die Biegung und hielt vom Ufer ab. Daraufhin ließen Hasard und Philip die Riemen sinken und stellten das Pullen ein.

„Was soll das?“ fragte der Admiral gallig.

Die Zwillinge lehnten sich auf der Ducht zurück.

„Mir scheint, daß hier zwei ausgewachsene Männer Bammel vor ein paar ausgebleichten Knochen haben“, erklärte Philip. „Dad dürfte sich sehr darüber wundern.“

„Sehr“, bestätigte Hasard mit Nachdruck. „Vielleicht glaubt er uns das gar nicht.“

Langsam begannen sie weiterzupullen. Der Admiral nahm mit mürrischem Gesicht Kurs auf die Uferlandschaft. Carberry wirkte etwas verlegen und vermied es, zum Ufer zu blicken. Er gab sich so gelangweilt, daß es den Zwillingen sofort auffiel.

Deutlich war jetzt ein Gerippe auf der freien Fläche zu erkennen. Es handelte sich um ein ausgebleichtes Skelett, das in der Nähe einer Palme lag. Neben dem Gerippe lagen weitere Knochen herum, die von einem zweiten Menschen stammen mußten.

Die Zwillinge pullten ans Ufer und ließen die Jolle auf dem flachen Sandstreifen auflaufen.

Old Donegal und Carberry kletterten mit knallroten Köpfen aus dem Boot.

Die Zwillinge gingen direkt zu dem Knochenmann und betrachteten ihn.

„Dem haben sie den Schädel eingeschlagen“, sagte Philip und wies auf das große, gezackte Loch im Hinterkopf. Jemand mußte mit einem keulenartigen Gegenstand hart zugeschlagen haben.

Der Totenkopf grinste sie an. Das Gebiß war schadhaft, der Unterkiefer stark verrenkt. Um die Hüftknochen war der Fetzen eines dunklen Tuches geschlungen. Es war nur noch ein brüchiger Lappen.

„Ob es ein Inder war?“ fragte Old Donegal beklommen. Er hielt respektablen Abstand von dem Skelett wie der Profos auch, der immer wieder schlucken mußte. Knochenmänner waren nun mal nichts für ihn – für Old Donegal ebenfalls nicht. Vor Skeletten hatten beide einen Heidenrespekt.

„Vom Schiff kann es keiner gewesen sein“, erwiderte Hasard. Er beugte sich etwas vor. Am Oberarmknochen befand sich ein eiserner Schmuckring.

„So was tragen die Sikhs“, sagte Hasard. „Das sind fanatische Eiferer, die sehr rachsüchtig sind. Also war es ein Inder.“

Er drehte sich um und blickte weiter landeinwärts. Er sagte nichts, sondern wies nur stumm mit dem Finger in jene Richtung.

Dem Profos lief ein kalter Schauer über den Rücken. Neben einem Busch mit leuchtendroten Blüten lagen zwei weitere Skelette. Auch sie mußten sich schon länger hier befinden. Die Knochen waren fast weiß.

Der eine Tote sah fürchterlich aus. An seinem Schädel klebten noch dunkle und graue Haare, die ihm bis auf die Schultern fielen.

„Schrecklich“, sagte der Profos. „Hat man ihnen auch die Schädel eingeschlagen?“

„Ja, beiden“, sagte Philip, nachdem er sich mit einem Blick davon überzeugt hatte. „Hier muß ein schrecklicher Kampf getobt haben. Vielleicht sind sich hier religiöse Fanatiker an den Kragen gegangen.“

„Da sind Fußspuren“, sagte Old Donegal. „Sie führen vom Ufer in den Dschungel. Hier wird es immer unheimlicher.“

Als seine Worte verhallt waren, hörte man nur noch das Rauschen des Wasserfalles. Es war eine zeitlose Melodie.

Deutlich waren Fußabdrücke nackter Sohlen zu erkennen. Anfangs entdeckten sie nur einige, dann wurden es immer mehr.

Carberry sah sich nach allen Seiten argwöhnisch um. Er fühlte sich von heimlichen Blicken belauert. Immerhin war nicht ausgeschlossen, daß man sie beobachtete. Langsam nahm er seine Pistole in die Hand und spannte den Hahn.

„Die Fußspuren sind noch nicht alt“, sagte Philip in die Stille. „Der Regen hat sie nicht verwischt. Sie sind zwar undeutlich, aber trotzdem einwandfrei zu erkennen. Hier müssen vor ganz kurzer Zeit etliche Leute gewesen sein.“

Sie untersuchten die beiden Skelette genauer. Dabei stellten sie fest, daß auch hier wieder die eisernen Oberarmringe zu sehen waren.

„Der Teufel mag wissen, was hier vorgefallen ist“, sagte der Profos unbehaglich. „Ich habe das lausige Gefühl, als seien wir hier nicht mehr allein.“

Der Uferstreifen mit seiner erhöhten Küste sorgte jedoch noch für mehr Überraschungen, als sie ihn näher in Augenschein nahmen.

Zwanzig Schritte weiter fanden sie wieder ein Skelett, dem merkwürdigerweise der Schädel fehlte.

Old Donegal und Carberry hatten ihre anfängliche Scheu fast verloren. Seit der Profos annahm, daß irgendwelche Kerle in der Nähe waren, fühlte er sich stark und überlegen, und dem Admiral erging es genauso. Kerle, die herumliefen, konnte man wenigstens greifen und sie notfalls ein bißchen durchklopfen, während die Knochen hier am Ufer ihnen unheimlich waren.

Sie betrachteten den Knochenmann, der keinen Schädel mehr hatte, und rätselten herum, was hier wohl vorgefallen sein mochte. Der Totenkopf war auch nirgendwo zu finden.

Sie stießen am Dschungelrand gleich auf vier weitere Skelette. Bei dem unheimlichen Anblick prallten sie zurück. Auch diese Skelette hatten keine Schädel mehr.

„Kopfjäger vermutlich“, sagte Hasard tonlos. „Das ist kein Zufall mehr, daß die meisten von ihnen keine Köpfe haben.“

„Oder Menschenfresser“, murmelte Old Donegal. „Aber ich dachte immer, die gäb’s nur noch auf abgelegenen Inseln.“

Verwischte Fußspuren tauchten wieder auf. Alle führten ausnahmslos in den Dschungel.

Philip entdeckte eine Feuerstelle mit Holzkohlenresten. Der Monsunregen hatte die Asche zu schwarzer Schmiere werden lassen und den Sand um die Feuerstelle dunkel gefärbt.

Die Feuerstelle war kreisförmig und bestand aus schwärzlichen Steinen.

Als Hasard in der Schmiere herumstocherte, förderte er ein paar Knochen zutage.

„Mann, wo sind wir hier bloß gelandet?“ fragte der Profos erschüttert. „Das sah hier alles so ruhig und friedlich aus, und jetzt sind wir mitten unter Kannibalen. Ich kann das kaum glauben.“

„Die Feuerstelle mit den Knochen darin sind wohl Beweis genug“, sagte Old Donegal. „Die haben hier Leute erschlagen und gefressen, nachdem sie sie geröstet haben.“

„Aber Inder tun das nicht“, sagte Philip bestimmt. „Das gibt es hier im ganzen Land nicht.“

„Weißt du es besser?“ fuhr ihn Old Donegal an.

„Nein, aber es kann ja etwas anderes sein. Möglicherweise ist das hier eine Art Kultstätte, wo die Opfer erschlagen und Teile von ihnen verbrannt werden, aber frage mich nicht warum. Darauf weiß ich auch keine Antwort.“

„Sollen wir den Fußspuren folgen?“ fragte Carberry. „Ich glaube, daß wir dort im Dschungel auch noch auf einiges gefaßt sein müssen. Das hier ist ja die reinste Skelettküste.“

„Nachsehen sollten wir auf alle Fälle“, erwiderte Jung Hasard. „Dann wissen wir vielleicht endlich, wo wir dran sind.“

Auf Anraten Edwin Carberrys nahmen sie ihre Pistolen in die Fäuste, um gewappnet zu sein. Sie mußten jedenfalls damit rechnen, auf Fremde zu stoßen, wenn die Fußspuren noch so frisch waren.

Vor dem schmalen Dschungelpfad fanden sie weitere Knochenmänner. Auch ihnen waren die Köpfe abgeschlagen worden. Einige trugen noch Fetzen von Kleidung, bei anderen waren die Knochen wahllos in alle Richtungen verstreut.

„Es wird immer unheimlicher“, sagte Old Donegal. Seine Stimme klang seltsam hohl. „Ich möchte nicht wissen, was uns noch alles bevorsteht.“

Langsam und vorsichtig drangen sie auf dem schmalen Pfad in den Dschungel vor. Schon hier stieg das Gelände sanft an und führte zu den langgestreckten Hügeln hinauf. Wie es schien, war der Pfad oft begangen worden. Aber zu welchem Zweck?

Als Jung Hasard ein paar dichte Zweige mit den Händen teilte, blickte er entsetzt auf eine kleine Lichtung. Das Licht der Sonne war etwas gedämpft und ließ die Szene noch gespenstischer erscheinen.

Er blieb so abrupt stehen, daß sein Bruder gegen ihn prallte.

Seewölfe Paket 34

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