Читать книгу Seewölfe Paket 34 - Fred McMason - Страница 36

2.

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„Was ist das?“ fragte er tonlos. Für Sekunden hatte er die Schebecke samt den Engländern vergessen.

Er erhielt keine Antwort, denn Molina hatte ebenfalls nicht die geringste Ahnung, was sich über ihren Köpfen zusammenbraute. Er hatte so etwas noch nie in seinem Leben gesehen. Der Satan selbst schien sich unter bestialischer Geräuschentwicklung in die Lüfte geschwungen zu haben, um sein höllisches Konzert zu spielen.

Sie zuckten alle erschrocken zusammen, als sich in der Luft ein mehr als ungewöhnlicher Vorgang abspielte.

Plötzlich hatte der Himmel alle Farben, die sich nur denken ließen. Es gab mehrere ungeheuer laute Explosionen. Danach schossen blutrote Flammenzungen auf die Galeone zu. Ihnen folgten grüne Sterne, die blitzartig auseinanderbarsten und abregneten. Dazwischen heulte und pfiff es grell.

Blut schien vom Himmel zu regnen, blutiges Feuer. Lange Schweife, die offenbar lichterloh brannten, prasselten auf das Deck oder rasten brüllend in die Segel.

Weiteres infernalisches Dröhnen peinigte die Dons, die schlagartig ihre Ruhe und Beherrschung verloren. Eine von jäher Angst gepeitschte Mannschaft begann ziellos hin und her zu rennen. Oftmals geübte Handgriffe oder Deckungsmöglichkeiten vor dem verheerenden Feuer wurden vergessen und übersehen, als wäre niemals jemand damit vertraut gemacht worden.

Es herrschte nur noch Chaos, Gebrüll und Geschrei – und grenzenlose Angst vor dem Unbekannten.

Es verfiel auch niemand auf die Idee, daß dieses fürchterliche Feuer von den Seewölfen stammen könnte. Viele hielten es für eine plötzliche und unerklärliche Naturkatastrophe. Die meisten schoben es in ihrer abergläubischen Furcht auf ein Machwerk des Teufels.

Auf die Planken der Galeone fielen winzige Kugeln, die sich sofort mit ungeheurer Gier ins Holz fraßen und es qualmen ließen. Selbst in den feuchten und klammen Segeln begann es zu schwelen.

Nochmals erfolgten kleinere Explosionen, ein dunkler Rauchpilz breitete sich auf dem Schiff aus. Überall zuckten jetzt Flammen aus dem Nichts auf. Der dunkle Rauchpilz, der anfangs träge über den Decks schwebte und sich erst jetzt wie schwarzer Nebel ausbreitete, sorgte für immer größer werdende Panik. Das Zeug hatte einen Geruch von Schwefel, was die meisten in ihrer Überzeugung bestärkte, daß wahrhaftig der Satan an Bord erschienen war, um sich die verstörten Seelen zu holen.

Ein Mann, vom Gluthauch des Feuers gestreift, fühlte sich vom Teufel selbst berührt; er hüpfte grotesk durch Rauch und Feuer und stürzte sich mit einem gellenden Aufschrei über Bord.

Ein zweiter sah sein Heil ebenfalls im Wasser und verließ das anscheinend verhexte Schiff auf dem gleichen Weg.

Garcia nahm das alles wie einen bösen Traum zur Kenntnis. Auch er dachte nicht an die Seewölfe, obwohl er genau gesehen hatte, daß von dem Achterdeck der Schebecke etwas in den Himmel gestiegen war. Es mußte seiner Ansicht nach etwas ganz anderes dazwischengekommen sein.

Mit offenem Mund stand er da und blickte fassungslos in das Chaos. Seine Kriegsgaleone hatte sich von einem Augenblick zum anderen in ein Tollhaus aus Rauch, Feuer und brüllenden Männern verwandelt. Das war eine Situation, die ihn überforderte, weil sie zu überraschend gekommen war.

Er schluckte hart und blickte ungläubig auf die Segel, in die sich große Löcher aus heller Glut fraßen. Über die Decks legte sich gleichzeitig eine dunkle Nebelwand, die jetzt nach achtern kroch und teilweise das darunter brennende Feuer verbarg.

Der Spanier brauchte sehr lange, um zu begreifen, daß sein Schiff in Flammen stand.

„Der Teufel ist an Bord“, ächzte er. „Wir sind verloren. Gegen teuflische Mächte sind wir Menschen machtlos. Was können wir tun?“

Molina, ganz gewiß keiner von der ängstlichen Sorte, hatte sich hinter das Schanzkleid gekauert, seit ihn winzige Flammenpfeile bombardierten. Zusätzlich hielt er beide Hände über den Kopf.

„Wir müssen löschen!“ schrie er und stand auf. In seinem Gesicht war eine rote Schramme zu sehen. Seine Stoppelhaare waren angesengt, seit er seine Kopfbekleidung verloren hatte. Eine Druckwelle hatte sie ihm vom Kopf gefegt. Seine steifen Finger der linken Hand hatten sich um den Hinterkopf gekrallt. Die rechte Hand hielt die linke fest, und so stand er in einer Pose da, die ihn nicht unbedingt als Ersten Offizier auswies.

„Löschen!“ brüllte Garcia automatisch nachplappernd. „Wir müssen sofort löschen!“

Er, der strenge und harte Tyrann, dem ein Menschenleben nichts galt, wenn es keinen Profit brachte, der keinen Schlendrian an Bord seines Schiffes duldete, war jetzt selbst desorientiert, verängstigt und wußte nicht, was er zuerst tun sollte.

Er war dieser plötzlich hereinbrechenden Katastrophe seelisch und körperlich nicht gewachsen. Sie war nicht vorhergesehen gewesen, und dieser Umstand lähmte sein Gehirn. Er konnte diese Situation weder taktisch noch strategisch durchdenken, wie er das sonst immer tat. Es war alles viel zu schnell gegangen.

Aber er durfte kein schlechtes Beispiel für seine ohnehin schon kopflos gewordene Mannschaft abgeben, und so riß er sich mit aller Gewalt zusammen.

„Löschen!“ brüllte er so laut er konnte.

Sein befehlsgewohnter Ton ließ die Männer nicht mal ängstlich zusammenzucken. Nur ein paar Kerle blieben stehen und sahen ratlos nach achtern, wo die Offiziere ebenso ratlos herumstanden.

Wieder traf ein Regen aus kleinen Feuerpfeilen das Achterdeck. Ein Mann schrie auf und riß beide Hände vors Gesicht. Blindlings stürzte er sich über Bord ins Wasser.

In den Batteriedecks schwiegen die Geschütze. Auch dort war alles voll Rauch und dichtem Qualm. Aus einer Stückpforte zuckte eine lange Flammensäule.

„Oh, hilf uns, Mutter Gottes“, stammelte Garcia, als wer sah, daß ein Mann nach dem anderen seinen Posten verließ und entweder wie irre über die Decks raste oder einfach ins Wasser sprang, um der brennenden Hölle zu entrinnen, „Sie stehen mit dem Teufel im Bunde.“

Seine Mannschaft war restlos davon überzeugt, daß es hier nicht mit rechten Dingen zuging. Killigrew hatte keinen einzigen Schuß abgefeuert, es hatte kein Aufblitzen der Kanonen gegeben, und doch brannte die Galeone jetzt vorn, achtern, unten und oben. Da mußte natürlich der Satan seine Hand im Spiel haben.

Garcia geriet übergangslos in rasende Wut. Er riß dem Ersten Offizier die Pistole aus dem Bandelier und feuerte einen Schuß auf die Kuhl ab. Die leergeschossene Waffe warf er hinterher.

„Auf die Stationen!“ brüllte er mit überkippender Stimme. „Jeder, der seinen Posten verläßt, wird auf der Stelle erschossen!“

Aus großer Höhe sank gemächlich ein brennender Segelfetzen wie ein torkelnder Schmetterling nieder. Kleine Funken stoben nach allen Seiten und trafen schreiende Leute.

Wieder sprang einer über Bord. Zwei andere auf dem Quarterdeck blieben besonnen und pützten Wasser, das sie eilig über die Planken gossen.

Inzwischen war die Galeone längst aus dem Ruder gelaufen. Garcia erkannte, daß sie mit der restlichen Fahrt irgendwo in den Mangroven steckenbleiben würden. Dort waren Sumpf, Morast und sehr flaches Wasser.

Er brüllte den Rudergänger an, Hartruder nach Steuerbord zu legen, doch die Galeone gehorchte dem Ruderdruck nicht mehr oder nur sehr zögernd. Sie lief kaum noch Fahrt und drehte immer weiter zur anderen Seite hinüber.

Er sprang auf den verängstigten Mann zu und schüttelte ihn heftig.

„Hartruder habe ich gesagt, du Bastard! Willst du das Schiff aufs Ufer jagen? Hartruder Steuerbord!“

Der Rudergänger am Kolderstock zitterte am ganzen Körper. Einmal war es die Furcht vor dem herrischen und oft unberechenbaren Capitán, und dann war es die nackte, kreatürliche Angst vor dem Feuer, die noch stärker war. Er sah einen Mann mit brennender Kleidung über das Deck rasen. Bei diesem Anblick verlor er die Nerven.

Er stieß Garcias Hand zur Seite, ließ den Kolderstock los und brüllte: „Fahr zur Hölle, du Schinder!“

César Garcia blickte ihm fassungslos nach. Der Mann hatte vor Angst weitgeöffnete Augen und einen irren Blick. Der Kapitän wollte sich ihm in den Weg stellen, doch in dem flackernden Blick las er gleichzeitig eine mörderische Wut, die gegen all jene gerichtet war, die versuchen würden, ihn aufzuhalten. Der Rudergänger hatte auch die Hände wie Krallen gekrümmt und würde sich nicht scheuen, in der jetzigen Notlage seinen Capitán anzugreifen.

Er stürmte geifernd an Garcia und dem zweiten Offizier vorbei, sprang über die Schmuckbalustrade auf das Quarterdeck und von dort aus mit einem gewaltigen Satz ins Wasser, das schäumend über ihm zusammenschlug.

Der Zweite Offizier eilte kommentarlos zum Kolderstock und übernahm ihn, weil kein anderer Mann in der Nähe war. Die meisten hatten sich auf den einzelnen Decks versammelt und bildeten nur widerwillig Eimerketten, um das Feuer zu löschen. Die allgemeine Disziplin ließ mehr als zu wünschen übrig.

Ein rußgeschwärzter Mann näherte sich dem Capitán mit einer gewissen Unterwürfigkeit.

„Das Feuer ist nicht zu löschen“, sagte er mit versagender Stimme. „Wenn Wasser darüber gegossen wird, fängt das Wasser zu brennen an, Capitán. Wir können nicht löschen.“

Garcia blickte fassungslos Molina an. Sein Blick wanderte ungläubig zu dem Mann zurück.

„Wahnsinn!“ stieß er hervor. „Molina, untersuchen Sie das sofort. Nehmen Sie eine Waffe mit, und schießen Sie jeden Kerl nieder, der sich nicht am Löschen beteiligt. Ich glaube diesen Unsinn nicht. Überzeugen Sie sich davon, und erstatten Sie mir sofort Bericht, auch darüber, wie es unter Deck in den einzelnen Abteilungen aussieht.“

Molina nickte verstört. Rußpartikel des Feuers hatten sein Gesicht getroffen und brannten wie glühende Pfeile darin. Zusammen mit dem anderen Mann verließ der das Achterdeck.

Garcia warf einen haßerfüllten Blick auf den Rudergänger, der im Wasser schwamm und Kurs auf die Karavelle „Ghost“ nahm. Er winkte Ruthland zu und brüllte: „Lassen Sie den Hundesohn nicht an Bord, Engländer! Er ist ein Deserteur und Verräter! Und bringen Sie uns endlich Hilfe, verdammt noch mal!“

Das erstere tat Ruthland bereitwillig. Als der Rudergänger die Karavelle erreichte, wurde eine Pistole auf ihn gerichtet. Der Mann tauchte weg und schwamm zum Ufer hinüber, wo die Mangroven wucherten.

Den Hilferuf befolgte Ruthland allerdings nicht. Er tippte sich nur an die Stirn.

„Ich bin doch nicht verrückt“, sagte er zu Lefray. „Wenn wir uns dem Kahn nähern, fangen wir ebenfalls Feuer. Wenn die Señores ihr Schiff verlassen wollen, dann ist das ihre Sache. Aber ich setze meins nicht ebenfalls aufs Spiel.“

„Warum auch?“ entgegnete Lefray mit einem Achselzucken. „Der Kerl hat auf der ganzen Linie versagt. Eigentlich sollten wir uns nicht mehr um ihn kümmern und ihn seinem Schicksal überlassen. Den Seewolf erwischen wir sowieso nicht mehr.“

Sie taten so, als hätten sie nichts gehört.

Unterdessen überzeugte sich Molina von der furchtbaren Wahrheit. Er ließ ein paar Pützen Wasser über eine helle Flamme auf den Planken gießen und sah entsetzt zu, wie das Wasser zu brennen begann. Schluckend starrte er auf den unheimlichen Vorgang. Das Feuer vermischte sich buchstäblich mit dem Wasser. Das brennende Zeug schwamm obenauf, und dann brannte alles einträchtig weiter.

„Das gibt es doch nicht“, stammelte er fassungslos.

Die Tatsachen bewiesen ihm jedoch das Gegenteil. Mit einem Würgen in der Kehle kehrte er aufs Achterdeck zurück. Es sah so aus, als sei die Galeone nicht mehr zu retten.

Garcia brauchte eine Weile, um die Schreckensnachricht zu verdauen. Auch er wollte es nicht glauben. „Teufelswerk“, sagte er ächzend. „Das ist Feuer vom Satan, Schwefel oder sonstwas. Lassen Sie Sand an Deck holen, aber schnell, und streuen Sie ihn darüber.“

Er sah einen Mann auf der Kuhl, der sich einen Besen geschnappt hatte und damit zu kehren begann, als störe ihn absolut nichts auf dieser Welt. Der Mann fegte wie besessen und schien es tatsächlich zu schaffen, das Feuer an vereinzelten Stellen unter Kontrolle zu kriegen.

Nur einmal hielt der Mann inne, und zwar in dem Augenblick, als die Schebecke der Seewölfe durch die Bresche drang. Da bewegte er sich auf eine Kanone zu und feuerte sie in aller Seelenruhe ab.

Garcia starrte wie hypnotisiert zu dem Mann, den es auch nicht kümmerte, daß sein Besen plötzlich in Flammen stand. Er ging einfach nach unten und holte sich einen neuen. Unverdrossen fegte er danach weiter.

Jetzt wurde Sand in Lederpützen nach oben geschleppt. Das Feuer fraß sich indessen unaufhaltsam weiter, umloderte die Masten und verschlang gierig ein Segel nach dem anderen, obwohl pausenlos der Regen fiel und alles mit Wasser tränkte.

Sand schien noch das einzige Mittel zu sein, das gegen das Wüten des Feuers half. Nasser Sand half die Glut zu löschen. Das galt aber nur für die Planken der einzelnen Decks. Die Masten einschließlich der gesamten Takelage waren nicht mehr zu retten.

Es war ein tödlicher Kreislauf. Wurde das Feuer an Deck mühevoll gelöscht, so fiel von oben wieder brennendes Tauwerk hinunter, oder glutende Spieren krachten an Deck. Damit schloß sich der Kreis, und alles begann wieder von vorn.

Das Feuer war auch schon in die unteren Decks vorgedrungen, wo noch Pulverfässer standen und Kartuschen lagen.

Garcia spürte bereits, wie ihm die Hitze der Planken die Stiefelsohlen versengte. Übergangslos wurde er bleich.

„Das Pulver im Batteriedeck“, sagte er tonlos zum Ersten. „Es muß sofort über Bord. Es kann jeden Augenblick in die Luft fliegen.“

„Wenn wir es über Bord kippen, kann es auf der Stelle Feuer fangen“, wandte Molina ein. „Auf dem Wasser nahe beim Rumpf brennt alles. Es ist zu gefährlich.“

„Dann sollen die Pulveraffen Sand und Wasser in die Fässer kippen!“ schrie Garcia. „Aber möglichst noch heute, wenn ich bitten darf!“

Der Erste hatte alle Mühe, den Befehl in die Tat umzusetzen. Die sogenannten Pulveraffen – zwölfjährige verstörte und verängstigte Jungen – trauten sich nicht mehr in das brennende Batteriedeck. Sie zitterten am ganzen Leib vor Angst.

Molina brüllte andere Männer an. Zu seinem Entsetzen mußte er feststellen, daß etliche Kerle schlicht den Befehl verweigerten. Statt nach unten zu stürmen, sprangen sie einfach über Bord, um der brennenden Hölle zu entrinnen.

Kampfgeist und Moral waren dahin. Die meisten sahen wohl auch ein, daß es keine Rettung mehr gab, als aus dem Batteriedeck lange Flammen züngelten.

Auf dem Achterdeck tobte der Capitán herum. Wut und Verzweiflung zeichneten sich in seinem Gesicht ab. Er scheuchte den Zweiten Offizier vom Kolderstock fort. Es war ohnehin nutzlos, daß noch jemand am Ruder stand. Die „Aguila“ lief keine Fahrt mehr. Ihre Segel waren nur noch brennende oder glimmende Lappen, die sich nach und nach auflösten und an Deck oder ins Wasser flatterten.

Die Galeone ließ sich nicht mehr manövrieren. Als brennender Torso drehte sie sich langsam um die eigene Achse und gierte langsam auf die Einfahrt der Bucht zu, als wollte sie den Tapti erreichen.

Aber sie konnte die Durchfahrt nicht mehr passieren. Irgendwo davor würde sie als brennendes Wrack versinken. Garcia wußte das mit absoluter Sicherheit.

Er schickte dem Seewolf eine Verwünschung hinterher. Das Blatt hatte sich gewendet, und er, der Jäger, lag jetzt hilflos am Boden, während das Wild in aller Ruhe davonschlich. Dieser Engländer schien wahrhaftig einen Pakt mit dem Teufel geschlossen zu haben. Es gab für Garcia keine andere Erklärung.

Noch einmal winkte er Ruthland zu, doch der Kerl drehte sich um und tat so, als sei er nicht gemeint. Er mied die Nähe des brennenden Schiffes wie die Pest.

Garcia stöhnte in bitterer Verzweiflung auf. Er mußte Ruthland noch dankbar sein, wenn der ihn überhaupt an Bord seines Schiffes nahm. Wenn der Engländer jetzt einfach verschwand, saß er, Garcia, mit dem Rest seiner Mannschaft in Indien fest und wußte nicht mehr weiter.

„Diablo!“ brüllte er laut gegen das Prasseln und Knacken an, das aus allen Räumen und Decks des Schiffes drang. Er hatte auf dem Achterdeck nichts mehr verloren. Wie ein Idiot stand er da nur herum, der sich die Kehle heiser schrie.

Er rannte wie ein Wilder in das Inferno und brüllte Kommandos.

Heiße Glut schoß ihm entgegen. Ein paar Männer waren im Batteriedeck verschwunden. Er folgte ihnen durch einen Vorhang aus Rauch und Feuer, der ihn jeden Augenblick zu ersticken drohte. Die Hitze wurde immer mörderischer. Selbst der fast lautlose Regen schien aus flüssigem Feuer zu bestehen.

Im Batteriedeck schütteten sie überall Wasser hin – schwitzende, fluchende Männer, denen nackte Angst im Gesicht stand.

Pützen mit Sand wurden wahllos ausgestreut und Wasser darüber gegossen. Es zischte und dampfte. Verpuffungen entstanden, vor denen die Männer entsetzt zurückzuckten.

Molina war rußgeschwärzt und hustete. Zusammen mit zwei anderen Männern umklammerte er ein Faß Schießpulver, dessen Inhalt aus matschiger Brühe bestand. Sie zerrten es an die Stückpforte und kippten es außenbords, wo es im Wasser versank.

„Es hat keinen Zweck mehr, Capitán!“ schrie der Erste. „Das Feuer ist nicht mehr zu kontrollieren. Wir müssen das Schiff aufgeben. Die Pulverkammer wird früher oder später in die Luft fliegen. Wir können nicht mehr an sie heran.“

Die Pulverkammer!

Garcias Hals war wie ausgedörrt. In der Pulverkammer und dem Magazin lagerte fast der gesamte Bestand an Schießpulver und Kartuschen.

Er bahnte sich hustend einen Weg durch das von Halbdämmer erfüllte Batteriedeck und enterte einen Niedergang auf. Von dort aus ging es über einen kurzen Gang zu den Magazinen.

Dort brannten die Planken, und dichter Qualm versperrte ihm den weiteren Weg. Hilflos blieb er vor dem Gang stehen. Molina war ihm gefolgt und stierte in den Rauch. Winzige Rußpartikel drangen ihnen in die Atemwege.

Vier oder fünf geschwärzte Gestalten waren damit beschäftigt, unaufhörlich Wasser auf die Planken zu gießen. Bei jeder Pütz zischte es, und der Qualm wurde noch dichter. In dem Rauch züngelten immer wieder neue Flammen hoch, die nach den Balken leckten. In den Fugen war helle Glut zu sehen.

Das Feuer fraß sich unaufhaltsam durch das Holz und würde nach einer Weile das Innere der Magazine erreichen. War das geschehen, würde die „Aguila“ in einer gewaltigen Explosion bersten. Dann blieb keine Planke mehr auf der anderen.

Eine der rußgeschwärzten Gestalten brach stöhnend zusammen. Ein zweiter Mann schleppte sich würgend und keuchend zurück. Er fiel auf die Knie und erbrach sich.

Garcia stand da und stierte in Qualm und Flammen.

„Das Schott einschlagen“, sagte er mühsam und mit tränenden Augen. „Gießt Wasser in die Räume.“

„Wir schaffen das nicht mehr“, erwiderte der Erste mit heiserer Stimme. „In dem Rauch hält es niemand aus, ohne zu ersticken. Wir sollten das Schiff so schnell wie möglich verlassen.“

„Wann wir das Schiff aufgeben, bestimme ich!“ kreischte Garcia. „Wir müssen den Versuch wagen. Lassen Sie Äxte holen!“

Äxte und Beile wurden gebracht. Die Männer banden sich nasse Tücher vor die Gesichter und hieben verzweifelt auf das Schott ein.

Holz splitterte und barst. Andere gossen mit wildem Schwung Wasser ziellos über Männer und Holzbalken.

„Raus mit dem Zeug, über Bord damit!“ schrie Garcia. Er packte selbst mit an, mußte aber schon nach kurzer Zeit aufgeben, weil er keine Luft mehr kriegte.

Zwei anderen gelang es, in die Pulverkammer vorzudringen. Mit dem Mut der Verzweiflung stürzten sie hinein.

Garcia stand in ein paar Schritten Abstand keuchend daneben und versuchte in der Finsternis etwas zu erkennen. Er sah nichts, nicht mal die Umrisse der Männer.

Er wartete und wartete. Es erschien ihm wie eine Ewigkeit, aber die Männer kehrten nicht zurück.

Er riß einem Kerl in seiner Nähe den nassen Lappen vom Gesicht und tastete sich in den Raum. Der Qualm war so dicht, daß er nicht die Hand vor den Augen sah.

Er stolperte über eine stumme Gestalt am Boden und mußte sich zurückziehen. Der beizende Rauch war unerträglich, und er spürte, wie ihm alles vor den Augen verschwamm. Taumelnd verließ er den Raum. Ein Schwall Wasser traf ihn so hart, daß er fast den Halt verlor.

„Das ist das Ende“, sagte er mit erstickter Stimme. „Das ist das Ende. Wir schaffen es nicht mehr. Dieser Bastard von einem Höllenhund hat mich, César Garcia, geschlagen. Und trotzdem kriege ich ihn, das schwöre ich!“

Molina entgegnete nichts. Sie hatten jetzt wahrhaftig anderes zu tun, als an Rache zu denken. El Lobo del Mar war für sie im Augenblick so weit entfernt wie der Mond. Er war unerreichbar geworden. Aber der Capitán dachte auch jetzt noch an seine Rache.

Er lachte stoßartig und verächtlich auf. Dann wandte er sich abrupt um und ließ Molina stehen.

Es gab nichts mehr zu tun. Was sie taten, war nichts weiter als eine Sisyphusarbeit, eine völlig nutzlose Sache. So wie sie hatte es auch der griechische Sagenheld, der König von Korinth, getan. Durch Schlauheit und List hatte er immer wieder sittlich und moralisch fragwürdige Erfolge errungen, für die ihn die Götter nach seinem Tode bestraften.

Er wurde dazu verurteilt, in der Unterwelt einen riesigen Felsbrocken einen steilen Berghang hinaufzuwälzen. Jedesmal, wenn er fast den Gipfel erreicht hatte, rollte dieser Felsbrocken wieder zurück, und die nutzlose Arbeit begann von neuem – bis in alle Ewigkeit.

So war es auch hier, nur mit dem Unterschied, daß es sich um ein Feuer handelte, das nicht zu löschen war. War es ihnen gelungen, einen Brand zu ersticken, so flackerte an einer anderen Stelle sofort ein neues Feuer auf, und alles begann von vorn.

Molina hastete nach oben und blieb am Niedergang zur Kuhl stehen.

Der Fockmast stand in hellen Flammen, die gierig nach oben züngelten. Am Großmast glimmten Rahen und Spieren. An der Steuerbordseite hatte sich das Feuer durch den Rumpf gefressen. Einer der Siebenpfünder neigte sich langsam über die von Glut zerfressenen Decksplanken.

Die Decks waren pechschwarz und stanken entsetzlich nach qualmender Farbe und brennendem Teer. Kleine Feuerteufel tanzten Irrlichtern gleich über die Planken und fraßen rötliche Löcher hinein.

Durch den Rumpf des großen Schiffes lief ein Knacken und Ächzen, als würden die Planken bersten.

Ein donnernder Knall ließ Molina herumfahren. Er sah gerade noch, wie sich die Siebzehnpfünder-Kanone zur Seite neigte, das Deck durchbrach und dabei einen Höllenlärm veranstaltete. Die Brooktaue barsten mit einem lauten Geräusch. Die schwere Kanone versank im Rumpf, schlug im unteren Deck alles kurz und klein und rumpelte dann unter Getöse in die Bilge.

Wasserdampf stieg durch das riesige Loch im Deck auf.

Der Erste Offizier verbarg sein Gesicht in den Händen. Als er kurz aufblickte, sah er den Capitán herantaumeln. Seine Uniform war von Ruß und Dreck geschwärzt. Das Weiße in seinen Augen stach aus dem Gesicht heraus und ließ ihn wie einen Wahnsinnigen erscheinen.

Schweratmend blieb er stehen und sah mit feuchten Augen in das Inferno. Sein Blick fiel wieder auf den seltsamen Mann, der noch immer mit dem Besen die Planken der Kuhl fegte.

Der Kerl hielt in seiner Arbeit nicht inne. Er mußte verrückt sein, anders konnte sich Garcia sein Verhalten nicht erklären. Ein Besen nach dem anderen verbrannte ihm unter den Händen, und immer wieder rannte der Kerl nach unten, um einen neuen zu holen, mit dem er die sinnlose Arbeit in aller Ruhe fortsetzte.

„Hör auf damit, du Trottel!“ schrie Garcia. „Hör sofort mit diesem idiotischen Gefege auf!“

Der Mann ließ den Besen fallen und salutierte. Steif wie eine Götzenfigur blieb er stehen und rührte sich nicht.

„Befehlen Sie die Leute von Bord“, sagte der Erste mit eindringlicher Stimme. „Jeden Augenblick kann das Pulver hochgehen und uns alle zerreißen.“

Seine Worte wurden von einem fürchterlichen Rumoren überlagert. Eine Rah löste sich wie eine brennende Riesenfackel. Sie schlug zwischen Kuhl und Vorschiff ein, zertrümmerte eine Nagelbank und bohrte sich in die Planken. Feuer spritzte nach allen Seiten, glühende Holzsplitter flogen ihnen um die Ohren.

Garcia gab keine Antwort. Er schien die Worte des Ersten nicht gehört zu haben. In ihm war alles tot, ausgebrannt. So ausgebrannt wie sein stolzes Schiff, das jetzt nur noch ein nutzloses Wrack war.

Der Kerl, der so emsig das Deck gefegt hatte, stand einsam und verlassen da und wartete auf weitere Befehle, die nicht erfolgten. Er blieb weiterhin auf seinem Posten und starrte vor sich hin.

Zwei weitere Männer setzten sich ab, indem sie über Bord sprangen.

Seewölfe Paket 34

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