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3.

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Der Nebel hatte sich aufgelöst und hing jetzt nur noch als dunstige Schicht weit hinten über dem Dschungel.

Sie hatten es geschafft und waren durch die Bresche gelangt, wo sie jetzt in ruhigem Wasser lagen.

Durch den Mangrovendschungel sahen sie das Feuer in der anderen Bucht. Es loderte immer wieder grell auf und war, wie sie aus Erfahrung wußten, so gut wie nicht zu löschen. Damit war Garcias Kriegsgaleone verloren. Sie hatten auch das Schießen eingestellt.

Ferris Tucker, der zusammen mit Al Conroy den Brandsatz abgefeuert hatte, blickte durch den teilweise gelichteten Dschungel, der die beiden Buchten wie eine Landzunge voneinander trennte.

Der Schiffszimmermann schluckte bedächtig.

„Aus und vorbei“, murmelte er. „Sie werden die Galeone wohl bald aufgeben müssen. Aber dann liegt sie als Wrack vor der Bucht und versperrt uns die Ausfahrt. Ich nehme an, daß Ruthland die Spanier an Bord nimmt und verschwindet. Er dürfte jegliches Interesse an einer Fortsetzung des Kampfes verloren haben.“

Bei seinen Worten schoß auf der „Aguila“ eine Stichflamme hoch. Der Rauchpilz, der über der Bucht hing, vergrößerte sich und wurde gleichzeitig noch dunkler. Ein dumpfes Krachen ertönte.

Al Conroy rieb sich mit der Hand über das Kinn. Ein heller Strahl der Morgensonne traf sein Gesicht wie ein Geisterfinger und ließ seine Augen aufleuchten.

„Die Wirkung war ungeheuerlich und die Überraschung so groß, daß sie dort drüben die Nerven verloren haben. Aber das Wrack wird uns später wirklich noch ein Problem aufgeben. Es treibt unmerklich auf die Einfahrt zu und wird dort sinken. Wie tief ist die Bucht an der Stelle eigentlich?“

„Ziemlich flach“, sagte Ferris. „So flach jedenfalls, daß die Galeone nicht ganz untergehen wird.“

Hinter ihnen war Gebrüll zu hören. Ruthland krebste mit seiner Karavelle in der Bucht herum und hütete sich, in die Nähe der brennenden Galeone zu kommen.

Auf der Schebecke wurden die Jollen längsseits geholt, die als Vorspann gedient hatten. Der Rest der Strecke wurde mit den Langriemen bewältigt.

Hasard zeigte nach Steuerbord, wo sich das flach abfallende Ufer befand. In der Nähe einer Landzunge gab es eine sandige Stelle, die unmerklich in den Dschungel überging.

„Dort pullen wir hin“, sagte er. „Der Platz scheint günstig zu sein, um das Ruder zu reparieren.“

„Wir haben nicht nur das Ruder zu reparieren, Sir“, wandte Ferris ein. „Das Schanzkleid hat auf dieser Seite auch noch einen Treffer erhalten, und dann ist da noch der Fockmast. Der erinnert mich an einen losen Zahn, der wackelt.“

„Das Ruder ist vorrangig, Ferris. Wenn wir das repariert haben, sind wir wieder voll manövrierfähig und können uns zur Wehr setzen. Um alles andere kümmern wir uns anschließend.“

„Aye, aye, Sir. Ich halte es aber für besser, hinter der kleinen Landzunge aufzuslippen. Dort ist auch noch sandiges Ufer. Ich habe zwar eben zu Al gesagt, daß Ruthland jetzt wohl die Nase voll haben wird und an weiteren Kämpfen nicht mehr interessiert sein dürfte, aber es kann doch sein, daß er sich vor die Bresche legt und von dort auf uns feuert. Ist nur so eine Eingebung, Sir, die ja nicht stimmen muß. Liegen wir jedoch hinter der Landzunge, dann muß er schon fast um die Ecke schießen können, um uns zu treffen.“

Hasard sah Ferris nachdenklich an. Schließlich nickte er.

„Kann sein, Ferris, vielleicht hast du recht. Ruthland ist ein unberechenbarer Querkopf, dem alles zuzutrauen ist. Wir werden hinter die Landzunge verholen, obwohl ich annehme, daß der Kerl jetzt endgültig bedient ist und seine Karavelle nicht auch noch aufs Spiel setzt.“

„Möglicherweise hetzt Garcia ihn auf“, sagte Don Juan, der dem Gespräch gefolgt war. „Sein Haß dürfte alle Grenzen sprengen, wenn er erst einmal sein Schiff verloren hat. Und das dürfte jetzt wirklich bald der Fall sein.“

„Kann sein. Er ist der gefährlichere Gegner. Dann verholen wir also hinter der Landzunge.“

Mit den Langriemen wurde die Schebecke langsam weitergepullt, bis sie die Landzunge erreichten.

Nach ein paar Schlägen im ruhigen Wasser lag die Schebecke still.

Während achteraus das Inferno tobte und die Galeone des Spaniers langsam abbrannte, konnten die Arwenacks in aller Ruhe einen Blick in die neue Bucht werfen.

Es war wirklich ein hervorragender Liegeplatz und gleichzeitig ein vorzügliches Versteck, das vom Fluß her nicht eingesehen werden konnte.

Die Bucht war auch viel größer, als es am Anfang den Anschein gehabt hatte. Hasard sah das jetzt überdeutlich, seit der Nebel verschwunden war. Nur der Monsunregen trübte noch ein wenig die Sicht.

Die linke Seite war mit Mangroven zugewuchert. Dazwischen befand sich morastiger Untergrund, den man zu Fuß nicht durchqueren konnte. Von dieser Seite her war kein Angriff zu befürchten. Niemand vermochte da durchzuwaten, ohne bis zum Hals in den Schlamm einzusinken.

Das Ende der Bucht bestand ebenfalls aus undurchdringlich scheinendem Dschungel, hinter dem sanft die Berge anstiegen, die ebenfalls dicht bewachsen waren. In der Ferne glitzerte das Wasser in bunten Farben. Ganz zart kräuselten sich noch ein paar Nebelschwaden darüber, die wie weißer Dampf aussahen.

„Dort hinten ist ebenfalls alles dicht“, sagte Hasard. „Wir liegen hier wirklich wie in Abrahams Schoß.“

Dan O’Flynn zog ein Spektiv auseinander und setzte es ans Auge. Er warf einen langen Blick hindurch und reichte es schließlich Hasard.

„Es geht anscheinend noch weiter“, sagte er. „Auf der rechten Seite sieht es nach einem sanft ansteigenden Küstenstrich aus.“

„Wir sind bekanntlich etliche Meilen vom Meer entfernt“, erwiderte der Seewolf. „Demnach kann es hier keine Küste geben.“

„Sieht aber trotzdem danach aus“, beharrte Dan. „Hinter den Mangroven steigt das Land mit küstenähnlichem Charakter an. Vielleicht befindet sich dort noch ein See. Die Bucht ist jedenfalls nicht zu Ende, das sehe ich genau.“

Hasard nahm das Spektiv. Als er es wieder absetzte, sah er Dan verwundert an.

„Es stimmt. Dort geht es weiter, aber der Verlauf der Bucht wird immer enger. Ich bin wirklich gespannt, wo die Bucht endet oder hinführt.“

„Das sollten wir möglichst bald erkunden“, meldete sich Hasard junior, der mit seinem Zwillingsbruder Phil bereits die Ohren spitzte. Für Erkundungen waren die Söhne des Seewolfs immer zu haben, genau wie Old O’Flynn, der ebenfalls hellhörig wurde und sofort zur Stelle war.

„Und zwar so schnell wie möglich“, meinte der „Admiral“. „So haben wir einen genauen Überblick und außerdem einen Vorteil.“

Hasard kannte solche Entdeckertouren bereits zur Genüge und lächelte unmerklich. Recht hatten die drei ja, wenn sie das Territorium erkundeten. Man war dann besser gegen Überraschungen gewappnet oder konnte sich darauf einstellen.

„Gut“, sagte er. „Aber die Exkursion verschieben wir noch um ein paar Stunden, bis wir Gewißheit haben, wie es in der anderen Bucht weitergeht. Solange bleiben alle an Bord.“

„Dann könnte ich den Jollenführer spielen“, schlug Carberry voller Eifer vor. „Drei Mann sind zuwenig und können, leicht in Gefahr geraten.“

Der Profos erklärte gestenreich und übereifrig, warum er unbedingt mit dabei sein müsse. Er sei schließlich das Salz dieser Erde, meinte er bescheiden, und ohne Salz ginge gar nichts. Da würde nicht mal die Suppe schmecken.

Hasard ließ sich schließlich überzeugen. Vier Männer konnte er zur Erkundung abstellen, ohne daß sie deshalb mit den Arbeiten in Verzug gerieten.

„In Ordnung, aber erst später. Im Augenblick droht uns vom jenseitigen Ende der Bucht ganz sicher keine Gefahr.“

Der Profos wollte das erst bezweifeln, doch Hasards kühler Blick ließ ihn nur diskret hüsteln. Carberry wäre am liebsten gleich mit der Jolle losgepullt. Zum Glück wußte der Profos noch nicht, welche Überraschung ihn auf der anderen Buchtseite erwartete, sonst hätte sein Eifer einen schnellen Dämpfer erhalten.

Ein infernalischer Krach ließ die Arwenacks herumfahren. Alle starrten in die Bucht, wo die „Aguila“ in Agonie lag und ihren letzten, einsamen Todeskampf ausfocht.

Vermutlich war ein Faß Schießpulver in die Luft geflogen.

Ein grellweißer Blitz zuckte aus dem Mittelschiff hoch und raste funkenstiebend in den Himmel. Der Explosionsdruck fegte etliche Spanier über das teilweise zerfetzte Schanzkleid außenbords.

Unter dem Blitz quoll eine ballähnliche Wolke hoch, die gleich darauf die typische Pilzform annahm und sich wulstartig nach allen Seiten aufblähte. Schwarz, grau und braun war dieser Pilz, der sich schlagartig über die Decks legte.

Die riesige Flamme verpuffte unter fauchender Geräuschentwicklung. Der Druck fetzte ein Stück brennender Leinwand weg. Wie ein feuriger Drache torkelte die qualmende und funkenspeiende Leinwand quer durch die Bucht.

Irgendwo im Wasser schrie gellend ein Mann um Hilfe. Aber keiner schenkte ihm Beachtung. Die Dons waren wie von Sinnen und hatten die Kontrolle über ihr Schiff und sich selbst verloren.

Die Galeone trieb auf den Ausgang der Bucht zu, und diesmal streifte ihr Heck den Mangrovenwald. Der federnde Anprall verlieh ihr einen kleinen Schub, bis sie quer vor der Einfahrt lag. Sie erweckte den Anschein, als wollte sie mit allerletzter Kraft den Tapti erreichen.

Mittlerweile lag sie tiefer im Wasser. Durch ein paar zerfetzte Planken drang Wasser in ihren Rumpf. Sie hatte auch leichte Schlagseite, wie Hasard deutlich erkannte.

„Die säuft genau da ab, wo sie es besser nicht tun sollte“, sagte Batuti.

Sie sahen, wie Garcia ein paar eingeschüchterte Leute zusammentrommelte. Er schlug mit den Fäusten voller Wut auf sie ein, als sie deutlich ihre Angst zeigten. Etliche Dons waren so schwarz wie Schlotfeger und sahen fürchterlich aus.

„Was hat der Kerl vor?“ fragte Jeff Bowie heiser, als ein paar Männer lange Bootshaken an Deck brachten. „Die werden doch nicht versuchen, zum Fluß zu gelangen? Damit erreichen sie absolut nichts.“

Hasard beobachtete mit zusammengepreßten Lippen das Manöver.

Garcia hatte längst erkannt, daß sein Schiff verloren war. Aber er wollte ihnen noch eins auswischen, indem er die Galeone als unüberwindbares Hindernis vor die Einfahrt legte. Daß sie an dieser Stelle untergehen würde, stand außer Frage. Ihr Bug mußte jeden Augenblick Grundberührung haben.

„Sein letzter Streich“, sagte Hasard. „Damit schiebt er uns eine Nuß zwischen die Zähne, an der wir lange zu knacken haben.“

Dumpfe Schläge klangen aus dem Innern des Schiffes. Ein paar Dons wüteten mit Beilen und Äxten an den Planken herum. Sie wollten das verlorene Schiff schneller auf Grund bringen.

Deutlich erkennbar sackte das Vorschiff noch weiter ab.

Die „Ghost“ lag jetzt in einem Winkel vor der Galeone, der es ihr ermöglichte, die Bucht noch zu verlassen. Ruthland hatte jeden Fetzen Tuch weggenommen. Etliche seiner Leute waren damit beschäftigt, pausenlos Wasser an Deck zu pützen, um dem Funkenflug vorzubeugen und nicht selbst Feuer zu fangen.

Etliche Dons, die in heller Panik die Galeone verlassen hatten, schwammen auf die Karavelle zu und versuchten, aufzuentern.

Ruthland war jedoch nicht gewillt, alle an Bord zu nehmen, und so scheuchte er einige mit groben Worten fort. Andere Schiffbrüchige versuchten es erst gar nicht. Sie schwammen an Land, krochen zwischen den Mangroven herum oder flüchteten in den Dschungel. Die Angst vor dem Feuer saß ihnen im Nacken.

„Mit, den Dons hat Ruthland ein Problem am Hals“, sagte Ben Brighton. „Wenn die alle an Bord wollen, ist seine Karavelle hoffnungslos übervölkert. Deshalb jagt er die meisten auch zum Teufel, dieser Halunke. Es scheint ihn auch nicht zu interessieren, was aus den Männern wird. Eine feine Freundschaft ist das.“

„Da hast du recht“, erwiderte Hasard. „Eiserner Zusammenhalt und eiserne Disziplin. Das sind wahre Männer.“

In diesem Augenblick gab es auf der Galeone einen harten Ruck. Ganz plötzlich saß sie vor der Einfahrt fest.

Ein entsetzlich lautes Knirschen war zu hören. Dann folgte ein Krach, als würden Bäume geschlagen.

Es war der Großmast der Galeone, der dem Anprall nicht standhielt. Die Flammen hatten an ihm gezehrt, und auch jetzt noch loderte er.

Er neigte sich nach vorn, wackelte einen Augenblick bedrohlich hin und her und stürzte dann um.

Er traf beim Fallen die Rahen des Fockmastes und hieb sie mit einem gewaltigen Schlag an Deck. Der Fockmast selbst zersplitterte zu einem Stumpf. Der obere Teil ging über Bord, wobei er das Schanzkleid auf der Steuerbordseite kurz und klein schlug.

Reste des Großmastes durchschlugen mit Wucht das Deck. Neue Feuer loderten aus dem Innern auf, und es gab eine gedämpfte Explosion. Im Rumpf der Kriegsgaleone entstanden gezackte Löcher. Sie sackte achtern noch tiefer ab und legte sich leicht auf die Seite.

Damit war das Schicksal des Schiffes endgültig besiegelt.

Weitere Männer verließen das Schiff, indem sie über Bord sprangen und angstvoll dem Dschungel zustrebten.

Der Mann, den Carberry als „sturen Büffel“ bezeichnet hatte, hielt immer noch die Stellung in unerschütterlichem Gleichmut. Er hatte keinen Besen mehr in der Hand, aber er stand inmitten von Rauch und Feuer an der Nagelbank des Großmastes, der nur noch aus einem zersplitterten Stumpf bestand.

Dort blieb er endlos lange stehen und sah auf das qualmende Wrack. Erst nach längerer Zeit begann er damit, glutende Holzteile mit den Füßen durch die Speigatten zu schleudern. Was er tat, war absolut sinn- und nutzlos, aber er war offenbar einer von der Sorte, die immer etwas tun mußten, auch wenn es noch so unsinnig erschien.

Garcia und Molina irrten durch das aufgelaufene Wrack zwischen Feuer und Rauch. Der Capitán glaubte, von einem quälenden Alptraum befallen zu sein, als er die Trümmer sah.

Auf dem Achterdeck konnten sie sich nicht mehr aufhalten, da qualmte und brannte es, und eine mörderische Hitze lag über den aufgerissenen Planken.

Zwei Offiziere waren spurlos verschwunden. Vielleicht waren sie auch über Bord gesprungen.

Garcia blickte an sich hinunter und lachte stoßartig auf. Seine Uniform war pechschwarz von den Rußflocken. Der Monsunregen hatte daraus eine schmierige Pampe werden lassen. Molina sah genauso schrecklich aus wie er selbst.

Auf dem teilweise zerstörten Achterdeck ging eine Kanone los, wohl infolge der sich immer stärker ausbreitenden Hitze. Sie spie einen Feuerstrahl aus und zuckte zurück. Die Brooktaue, die sie sonst bremsten, waren durchgesengt, und als sie zurückrollte, drehte sie sich um ihre eigene Achse, durchbrach das Schanzkleid und polterte ins Wasser.

Der Siebzehnpfünder, den sie ausgespien hatte, ließ eine gischtende Fontäne in der Bucht entstehen.

„Wir sollten von Bord gehen“, sagte Molina heiser und keuchend. Alle Augenblicke blieb er hustend stehen und wedelte den Rauch vor seinem Gesicht fort. „Es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann die restlichen Pulverfässer explodieren, Capitán. Wir schwimmen zur ‚Ghost‘ hinüber und gehen an Bord.“

Garcia schien ihn nicht zu hören. Sie standen jetzt vor den aufgebogenen Planken der Kuhl. Die Nähte zwischen den Planken hatten sich hochgewölbt, und eine zähe Masse aus Pech, Teer und Werg breitete sich aus. Der Gestank war entsetzlich und kaum auszuhalten.

Garcia schien erst wieder in die Wirklichkeit zurückzufinden, als eine zweite Kanone feuerte. Der Krach ließ ihn herumfahren.

Diesmal schlug die Kugel in der Nähe der „Ghost“ ein. Vor ihrem Bug stieg eine Wassersäule auf. Sie hörten Ruthland laut und ordinär fluchen. Offenbar kapierte er nicht, was hier vorging.

„Stellt das Feuer ein, ihr Idioten!“ schrie er. „Ihr schießt mir ja mein Schiff zusammen!“

„Bastard“, knurrte Garcia. „Der Kerl ist die Dummheit in Person. Der begreift überhaupt nichts.“

Die Kanone blieb mit rauchender Mündung an Deck stehen. Eins der Brooktaue war gebrochen.

Hinter ihnen begann es irgendwo unter Deck laut zu zischen.

„Das Schießpulver“, sagte Molina mit zuckenden Lippen.

Garcia schüttelte lauschend den Kopf. „Wassereinbruch. Es wird immer mehr.“

„Wir sollten jetzt von Bord gehen, Capitán“, drängte der Erste erneut. „Wir haben nicht mehr viel Zeit.“

Garcia blieb störrisch. Er lauschte auch weiterhin dem zischenden Geräusch, das rasch anschwoll und lauter wurde. Aber genau genommen waren da mehrere Geräusche, die sich kaum noch voneinander unterscheiden ließen. Das eine war das unheimliche Zischen, das andere das Gurgeln und Brausen von eindringendem Wasser, und das dritte war das Knacken und Krachen, Knistern und Ächzen in den Planken und dem Rumpf der Galeone. Das Zischen begann jedoch, alle anderen Geräusche immer stärker zu überlagern.

Durch die Ritzen in den Planken drang Feuer, das sich in einer gekrümmten Linie von der Kuhl nach achtern fraß. Glühende Schlangen schossen durch das Schiff.

Molina trat an eine Stelle, wo Glut und Feuer das Schanzkleid völlig zerfressen hatten. Er konnte auf die Rüste blicken, auf der es ebenfalls kokelte und qualmte.

„Na los!“ schrie er Garcia an. „Auf was warten Sie noch? Heilige Mutter Maria, wir fliegen gleich in die Luft!“

Bei dem letzten Wort ging achtern auf der Galeone etwas mit urweltlichem Getöse hoch. Planken wölbten sich und flogen splitternd nach oben. Armdicke Holzteile von der Querbalustrade wirbelten durch die Luft. Das ganze Achterdeck schien abzuheben.

Molina sah noch einen grellen Blitz, der ihm in den Augen schmerzte und ihn so blendete, daß er nichts mehr erkennen konnte. Den donnernden Knall hörte er nicht mehr.

Eine Druckwelle fegte ihn außenbords. Er sah das Wasser auf sich zurasen und griff haltsuchend um sich.

Noch während er in die warmen Fluten der Bucht eintauchte, bemerkte er Garcia, der die Arme ausgebreitet hatte, als wollte er das Fliegen lernen. Die Ärmel seiner Uniformjacke sahen wie große Flügel aus, sein Mund war wie zu einem Entsetzensschrei geöffnet. Aber kein Ton drang über seine Lippen.

Dann versank für Molina die Welt für lange Augenblicke. Als er auftauchen wollte, um Luft zu holen, wurde er von einem anderen Körper gleich wieder unter Wasser gedrückt.

Er schlug um sich, schluckte Wasser und befreite sich schließlich von dem Körper. Es war Garcia, den der Explosionsdruck ebenfalls über Bord gefegt hatte.

Der Capitán hatte eine blutige Schramme an der Stirn. Ein Zahn war ihm durch ein Trümmerstück ausgeschlagen worden. Auch seine Lippen bluteten.

„Jetzt – jetzt ist sie erledigt“, stöhnte Garcia, während er neben seinem Ersten Offizier auf die „Ghost“ zuschwamm, die vor der Einmündung der Bucht lag. „Aber wir kriegen diesen englischen Bastard noch, verlassen Sie sich drauf.“

„Zunächst ist einmal wichtig, daß wir uns selbst in Sicherheit bringen“, sagte Molina kühl.

Anfangs hatte er noch Spaß daran gehabt, El Lobo del Mar erbarmungslos zu jagen, doch jetzt war ihm dieser Spaß gründlich vergangen und sein Interesse an der zweifelhaften Jagd so gut wie erloschen.

Es war eine traurige Bilanz, die er zog. Sie hatten die halbe Welt durchquert, um auf die Spur des Seewolfs zu stoßen. Jetzt, da sie glaubten, ihn endlich zu haben, verloren sie ihr Schiff und waren auf die Hilfe eines mehr als fragwürdigen Engländers angewiesen. Molina hatte auch seine gesamten Habseligkeiten verloren, und diese Tatsache vergällte ihm den Spaß auf Rache.

Sie hatten den Kampf verloren und mußten sich damit abfinden. Aber Garcia gab nicht auf, das bewiesen seine Worte. Er war von einem krankhaften Haß erfüllt, einem Haß, der ihn unermüdlich weitertrieb.

„Wir kriegen ihn schon noch, Molina“, keuchte er. „Es ist nur eine Frage der Zeit. Aus dieser Bucht kann er nicht mehr heraus. Ich werde mit Ruthland das weitere Vorgehen besprechen. Notfalls hungern wir die Bastarde aus.“

Der Erste schwamm weiter auf die Karavelle zu. Er gab keine Antwort. Er wußte auch nicht, was er hätte erwidern sollen. Er war nur müde und wollte vorerst seine Ruhe haben.

„Haben Sie nicht gehört, was ich sagte?“ fauchte Garcia. „Sie tun ja so, als ginge Sie das alles nichts mehr an. Aber noch bin ich der Capitán, auch wenn ich kein Schiff mehr habe. Das entbindet Sie nicht von der Pflicht, mir gegenüber Gehorsam zu zeigen.“

„Es ist alles zwecklos geworden“, sagte Molina ruhig. „Mit der lächerlichen Karavelle werden Sie Killigrew niemals erwischen. Wir haben es ja nicht mal mit einem schwerarmierten Kriegsschiff geschafft.“

„Weil die Kerle mit dem Satan im Bunde stehen!“ schrie Garcia. „Sie haben ihre Seelen gegen unser Schiff verpfändet, und der Böse hat ihnen geholfen. Aber jetzt haben sie nichts mehr zu verpfänden, denn ihre Seelen sind verloren.“

„Wie Sie meinen, Capitán.“ Aus Molinas Worten sprach völlige Gleichgültigkeit. Er hatte die Nase voll.

Vor ihnen wuchs die Karavelle auf und wurde immer größer. Aus den Augenwinkeln sah Garcia drei stumme Gestalten im Wasser der Bucht. Sie trieben mit dem Gesicht nach unten und waren tot.

Eine Jakobsleiter war von der Karavelle außenbords gehängt worden. Oben, an der Pforte des Schanzkleides, stand Ruthland und neben ihm Lefray, der Kerl mit dem fürchterlichen toten Auge. Beide musterten schweigend die Spanier. Es half ihnen auch niemand beim Aufentern.

Tropfnaß, verschmiert und verdreckt enterten sie mit ihren vollgesogenen Klamotten auf, bis sie schnaufend an Deck standen.

Ein paar andere von der „Aguila“ befanden sich ebenfalls an Bord und wirkten ziemlich teilnahmslos und ermattet. Es waren nicht mehr viel. César Garcia konnte sie an den Fingern beider Hände abzählen, einschließlich sich selbst und dem Ersten Offizier.

Seewölfe Paket 34

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