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Der Weg der Sammlung und Vertiefung

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Prinz Siddhartha verlässt also den Palast seines Vaters, lässt nicht nur seinen Reichtum, sondern auch seine Eltern, seine Frau und seinen Sohn zurück. Seine neue Lebenssituation kann man sich vielleicht so vorstellen: Der Tag ist heiß, die Luft ist diesig. Die Sahlbäume stehen in voller Blüte. Die Gegend ist unbewohnt und wild, mit Felsen und Höhlen, das nächste Zentrum der Zivilisation liegt viele Tage Fußmarsch entfernt. Unter Bäumen und in Höhlen leben Yogis, spärlich bekleidet, mit mattierten Haaren. Sie sitzen auf Fellen und meditieren oder üben sich im Yoga. Andere singen Mantras oder rezitieren heilige Texte. Eine tiefe Stille, ein großer Friede liegt über dieser Gegend, als hätte sich wenig verändert, seit dem Beginn der Zeit. Am Ufer des nahen Flusses vollführen Saddhus ihre heiligen Rituale und Waschungen.

Ein Mann erscheint, sein Auftreten ist würdig – und doch etwas unsicher. Erst vor kurzer Zeit hat er seine königlichen Gewänder abgelegt und seinen Kutscher mit seinem Pferd zurückgeschickt in den Palast. Er trägt jetzt die zwei, drei Tücher der Asketen und schaut sich um nach Lehrern und Vorbildern. Noch sind ihm die Sinnesfreuden des Palastes nahe. Es ist der Prinz Siddhartha, der zukünftige Buddha.9

Prinz Siddhartha sucht nun einen Lehrer. So zieht er im ganzen Land umher, bis er die besten Meister seiner Zeit findet. Er ist ein schneller und gelehriger Schüler, und es dauert nicht lange, da hat er alles gemeistert, was ihm diese Lehrer beizubringen vermögen. Zuerst verbringt er einige Zeit bei Alara Kalama, einem bekannten Meister, der die Meditation der sieben Versenkungsstufen (jhana/dhyana) lehrt. Als Siddhartha diese verwirklicht hat, lädt ihn der Meister ein, an seiner Seite zu lehren. Obschon diese Meditationszustände gewaltige Höhen und Weiten des Seins eröffnen, obschon Zustände höchster Glückseligkeit und Einheit erfahren werden, spürt der Prinz-Asket, dass er noch nicht die endgültige innere Befreiung erlangt hat. Er zieht weiter.

Als Nächstes sucht er Uddaka Ramaputta auf. Von diesem Weisen heißt es, dass er eine weitere, die achte Versenkungsstufe beherrscht: den Zustand der »Weder-Wahrnehmung-noch-Nicht-Wahrnehmung«, den Gipfel aller möglichen Erfahrungen innerhalb des bedingten Seins. Auch diese Stufe meistert der Prinz. Doch auch jetzt ist in ihm die Gewissheit, das Ende seines Weges und seiner Suche noch nicht erreicht zu haben.

Nicht nur zu jener Zeit, sondern auch heute noch, gibt es spirituelle Traditionen, in denen die Meditation des »gesammelten und ruhevollen Verweilens« (samatha/shamata) und die Verwirklichung der bereits erwähnten Stufen der Versenkung, als letztendlicher Weg der Befreiung gesehen werden. Obschon diese Sammlungs- und Versenkungsstufen außerordentlich tiefe, reinigende und klärende Zustände von Herz und Geist sind, die unserer Meditation erst die Festigkeit und Tiefe verleihen, ohne die wir immer wieder mit Unklarheit und Zerstreuung kämpfen müssen, haben sie nicht die Kraft, Herz und Geist endgültig von der Macht der täuschenden und quälenden Zustände (kilesa/klesha), zu befreien und somit das Ende allen Leidens zu ermöglichen.

Prinz Siddhartha hat nicht nur die innere Klarheit, dies zu erkennen, sondern auch die Ehrlichkeit und den Mut, einmal mehr die Konsequenz daraus zu ziehen: Obwohl seine Lehrer, die größten Meister der Zeit, ihn einladen, an ihrer Seite zu lehren – ein sicher verlockendes Angebot, das Reputation und hohen spirituellen Status verspricht und das nicht nur damals etliche vermutlich gerne angenommen hätten –, macht er sich auf den Weg, um weiter zu suchen.

Der Buddha wird später immer wieder nach Kriterien gefragt, nach denen man beurteilen könne, ob ein Weg, eine Praxis hilfreich und befreiend sei oder nicht. Zu jener Zeit, wie heute, sind zahlreiche Gurus unterwegs, die behaupten, den wirklich befreienden, den einzigen oder zumindest den schnellsten Weg zu lehren. Der Buddha schlägt vor, man solle das, was gelehrt wird, nicht einfach glauben, weil es aus einer alten Tradition stammt oder weil die lehrende Person eine Autorität zu sein scheint oder weil ihre Rede ergreifend und überzeugend klingt.

Vielmehr solle man so vorgehen wie beim Prüfen von Gold: Dieses muss gekratzt, gerieben und durch Säure und Feuer getestet werden. Was letztlich all den Prüfungen standhält, kann als echt angesehen werden. Das bedeutet, dass wir selbst ernsthaft und gründlich überprüfen müssen, was für uns stimmt, indem wir das Gehörte anwenden und herausfinden, ob es heilsam ist und zu Segen und Wohl führt. Dies ist eine Aufforderung zur Selbstverantwortung und verlangt Interesse, Mut, Unabhängigkeit, Selbstvertrauen und große Ehrlichkeit, vor allem sich selbst gegenüber. Natürlich verlangt es von uns mehr als das Anhören von ein paar Belehrungen oder die Teilnahme an einigen Meditationsabenden. Wir müssen uns wirklich mit der Praxis auseinandersetzen und sie über längere Zeit konsequent üben. Dann werden wir selbst wissen, ob sie uns dahin führen kann, wo wir hingehen möchten. Genau das hat der zukünftige Buddha getan, er hat praktiziert und geprüft – und dann seine ersten Lehrer verlassen, um seine Suche fortzusetzen.

Buddhas Tausend Gesichter

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