Читать книгу Monsieur Violet's Reisen und Abenteuer in Californien, Sonora und dem Westen von Texas - Фредерик Марриет - Страница 11

Achtes Kapitel.

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Die Umbiquas kamen endlich; ihr Mangel an Vorsicht zeigte, dass sie sich des Sieges sicher fühlten. In keinem Falle vermutheten sie Feuerwaffen in dem Blockhause, denn sie machten fünfzig Ellen vor dem östlichen Thurme Halt, und man musste gegen Roche eigentlich Gewalt anwenden, um ihn zu verhindern, dass er von seinem Gewehre Gebrauch machte. Die Pferde waren nicht bei ihnen; wir sahen sie jedoch bald auf der andern Seite des Flusses in einer kleinen offenen Prairie, gehütet von zwei Männern aus dem Haufen, welche einige Meilen weiter oben das Wasser gekreuzt hatten, einmal, um die Thiere im Falle einer Gefahr zur Hand zu haben, und dann, um ihnen einen besseren Weideplatz zu verschaffen, als dies auf dem südlichen Ufer möglich war. Dies war ein Umstand, auf den wir nicht gerechnet hatten; indess stellte, sich im Ganzen doch heraus, dass er uns von grossem Nutzen war.

Die Wilden untersuchten die Aussengebäude sehr genau und gewannen dadurch die Ueberzeugung, es sey gänzlich unmöglich, den Platz durch gewöhnliche Mittel anzugreifen. Sie schossen einige Pfeile und einmal sogar ein Gewehr nach den Schiessscharten ab, um sich zu überzeugen, ob kampffähige Mannschaft im Innern zu finden sey; da wir uns übrigens vollkommen ruhig verhielten, so steigerte sich ihre Zuversicht und Einige zogen an den Ufern des Flusses weiter, um zu sehen, was sich an dem Haupteingange ausrichten lasse. Das Resultat ihrer Inspection schien sie nicht zu befriedigen, denn sie zogen sich ungefähr hundert Ellen zurück, um ihre Plane zu besprechen.

Aus ihren Geberden war klar, dass einige das Gebäude in Brand stecken wollten; doch dieser waren nur Wenige, denn die Andern schienen einzuwenden, dass dadurch die im Innern befindlichen Gegenstände verzehrt würden, welche sie doch nicht gerne aufgeben mochten, namentlich, da eigentlich keine Gefahr zu besorgen stünde. Endlich deutete Einer, vermuthlich ein Häuptling, zuerst mit den Fingern in die Richtnng, wo sie ihre Kanoes gelassen hatten, dann auf den Fluss, und zuletzt auf den Fleck des Horizontes, wo die Sonne aufgeht. Nachdem er zu sprechen aufgehört hatte, standen zwei seiner Leute auf und schlugen die Richtung nach Südwest ein. Ihr Plan war leicht zu erkennen. Diese zwei Männer sollten in Vereinigung mit denen, welche man an der Küste zurückgelassen hatte, die Kähne um die Spitze bringen und in den Fluss einfahren. Hiezu brauchten sie wohl die ganze Nacht, und um Sonnenaufgang wollten sie die Hauptthüre mit ihren Tomahawks angreifen und zerstören.

Mit dem Eintritte der Dunkelheit wurden wir etwas beklommen, denn wir wussten nicht, über welchem teuflischen Plane die Indianer vielleicht brüteten. Ich stellte in jede Ecke des Blockhauses Schildwachen, und wir warteten schweigend, während unsere Feinde, die ein grosses Feuer angezündet hatten, ihre Lebensmittel kochten. Allerdings konnten wir den Inhalt ihrer Worte nicht hören, aber doch war es augenscheinlich, dass sie den Posten als ihrer Gewalt Verfallen betrachteten. Die Hälfte davon legte sich zum Schlafen nieder, und gegen Mitternacht wurde die Stille durch keinen Laut mehr unterbrochen, während auch ihre halbverbrannten Stämme aufhörten, in hellen Flammen zu lodern. Ich wusste wohl, dass es am Morgen scharf hergehen würde, und meinte deshalb, es sey wohl das Beste, wenn ich mich jetzt durch einige Stunden Schlaf erfrischte; aber ich war im Irrthum.

Kaum hatte ich meine Augen geschlossen, als ich das eintönige, regelmässige Geräusch von Aexten vernahm, welche Bäume fällen. Ich blickte vorsichtig umher; die Töne kamen aus der Entfernung. Aber an den Flussufern sowohl, als hinter dem Lager der Wilden bewegten sich dunkle Gestalten in allen Richtungen. Wir entdeckten endlich, dass die Umbiquas Leitern machten, um die Thüren unserer kleinen Thürme zu ersteigen. Dies war uns natürlich ziemlich gleichgültig, da wir wohl auf den Empfang der Feinde vorbereitet waren; indess wollten wir sie doch bis auf den letzten Augenblick über unsere Stärke im Ungewissen lassen und solange mit unseren Schiessgewehren zögern, bis wir sicher seyn konnten, mit der ersten Salve ihrer Fünf zu erlegen. Unsere Indianer nahmen ihre Bogen und wählten nur solche Pfeile, wie sie von den Kindern beim Fischen benützt werden, um die Gegner auf den Glauben zu bringen, ihre Wunden und die Vertheidigung des Gebäudes sehen blos das Werk einiger kecken und entschlossenen Knaben.

Gegen Morgen erschienen die Umbiquas mit zwei Leitern, jede von drei Mann getragen; sie schlichen umher und gaben ihre Anweisungen mehr durch Signale als durch Worte. Nach den Schiessscharten blickten sie oft in die Höhe; aber das Licht des Tages war noch zu schwach, als dass sie uns hätten entdecken können, und ausserdem glaubten sie vollkommen sicher seyn zu dürfen, da wir die ganze Nacht über die grösste Stille beobachtet hatten. In der That meinten sie, das Bootshaus sey verlassen und der gewisse Grad von Vorsicht, den sie bei ihren Schritten beobachteten, war mehr die Wirkung des behutsamen indianischen Charakters, als eine Aeusserug der Furcht vor etwa möglichem Widerstande.

Die zwei Leitern wurden je an einem der Thürme angelegt und auf jeder stieg ein Indianer heran. Anfangs warfen sie spähende Blicke durch die Oeffnungen zu beiden Seiten der Thüre, aber wir verbargen uns. Dann bildeten sämmtliche Umbiquas mit ihren Bogen und Speeren einen Halbkreis um die Leitern und bewachten die Schiessscharten. Auf den Befehl des Häuptlings sielen die ersten Hiebe, und die Indianer auf den Leitern begannen mit ihren Tomahawks gegen beide Thüren loszuschlagen. Während übrigens der Umbiqua an der östlichen Thüre den dritten Streich führte, wankte er und fiel die Leiter hinunter. In demselben Augenblicke verkündigte ein Schrei von dem andern Thurme her, dass wir dort den nämlichen Erfolg erzielt hatten.

Die Umbiquas zogen sich Hals über Kopf mit ihren Todten zurück und stiessen ein wüthendes Gezeter aus, das drei von unseren Knaben, dem erhaltenen Befehle gemäss, mit einem schrillen, trotzenden Kriegsruf erwiederten. Die Umbiquas waren hierüber ganz ausser sich, benahmen sich aber fortan klüger. Die Pfeile, durch welche ihre Kameraden getödtet worden, waren zwar Kinderpfeile, indess konnte es doch keinem Zweifel unterliegen, dass sie von Kriegern abgeschossen worden waren. Sie zogen sich hinter einen vorspringenden Felsen an dem Ufer des Flusses, nur dreissig Schritte von uns entfernt, zurück, um sich gegen unsere Geschosse zu decken. Dort bildeten sie einen Kriegsrath und harrten ihrer Leute und Kähne, welche eigentlich schon längst hätten zurückkommen sollen. In diesem Augenblicke zerstreute sich der Nebel, der über dem Flusse geschwebt hatte, und wir konnten das andere Ufer sehen, wo sich uns ein Anblick zeigte, der unsere Aufmerksamkeit fesselte. Auch dort ging ein Zerstörungsdrama vor sich, obgleich in einem kleineren Massstabe.

Uns gerade gegenüber befand sich ein Kanoe, dasselbe, auf welchem Tags zuvor unsere zwei Indianer ihren Ausflug angetreten hatten. Die zwei Umbiquas, welche die gestohlenen Pferde hüteten, waren nur einige Schritte davon entfernt, und da sie es augenscheinlich erst kurz zuvor entdeckt hatten, wussten sie noch nicht, welche Schritte sie einschlagen sollten. Sie hatten mit nicht geringer Verwirrung das Kriegsgeschrei und das Gezeter ihrer eigenen Leute gehört; sobald aber der Nebel ganz entschwunden war, bemerkten sie ihren Haufen hinter dem Schutze des Felsen und schickten sich, wahrscheinlich auf gegebene Signale, zu einer Kreuzung des Flusses an. Wie sie eben den Kahn losbinden wollten, blitzte es auf, und zweimal folgte ein lauter Knall; die Indianer fielen nieder — sie waren todt. Unsere beiden Kundschafter, welche sich im Gebüsch versteckt hatten, kamen jetzt zum Vorschein und begannen in aller Ruhe die Scalpe zu nehmen, ohne den Pfeilhagel zu achten, den die zeternden Umbiquas gegen sie entsandten. Dies war jedoch nicht Alles; die Feinde hatten sich in ihrer Wuth und Hast hinter dem Schirme des Felsen hervorgemacht und boten nun ein schönes Ziel; sobald daher der Häuptling zurückblickte, um zu sehen, ob auch von Seite des Bootshauses her eine Bewegung zu fürchten sey, fielen weitere vier seiner Leute unter unserem Feuer.

Das fürchterliche Geschrei, welches nun folgte, vermag ich nicht zu beschreiben, obgleich mir alle Einzelnheiten dieses meines ersten Kampfes noch frisch im Gedächtniss sind. Die Umbiquas nahmen ihre Todten auf und wandten sich gegen Osten in die Richtung des Gebirgs, wo sie allein noch dem Untergang zu entkommen hofften. Ihre Zahl hatte sich jetzt bis auf zehn gemindert, und in ihrem Aeusseren sprach sich Trauer und Niedergeschlagenheit aus. Sie fühlten, dass es ihnen beschieden war, nie wieder in ihre Heimath zurückzukehren.

Wir vernahmen von unsern Kundschaftern, dass die sechs Krieger des Postens von der Ansiedelung zurückgekommen wären und irgendwo im Hinterhalte lägen; dies wirkte entscheidend auf uns. Wir stiegen die Leitern hinab, welche die Indianer zurückgelassen hatten, und schlugen den Prairiepfad ein, um dem Feinde nach allen Seiten den Rückzug abzuschneiden.

Ich will mich beeilen, diese Gemetzelscene zu Ende zu bringen. Die Umbiquas trafen auf den Hinterhalt, aus welchem weitere vier von ihren Leuten erlegt wurden; der Rest zerstreute sich in der Prairie, wo sie vergeblich einen augenblicklichen Zufluchtsort in den Klüften zu finden bemüht waren. Vor Mittag hatten wir Alle getödtet, einen Einzigen ausgenommen, der sich durch Schwimmen über den Fluss rettete. Er langte jedoch nie wieder in seiner Heimath an, denn lange Zeit nachher erkärten die Umbiquas, dass von jener verhängnissvollen Pferdediebstahls-Expedition nicht ein Einziger zurückgekehrt sey.

So endete mein erster Kampf, ohne dass ich selbst auch nur einen Drücker berührt hätte. Oftmals nahm ich ein sicheres Ziel; dann aber begann mein Herz zu klopfen und mein Finger erlahmte, wenn ich dachte, dass meine Kugel einem Menschenleben gelte. Dies hinderte jedoch nicht, dass ich höchlich belobt wurde; und fortan war Owato Wanisha ein Krieger.

Am nächsten Tag verliess ich mit meinen Leuten — ich meine damit die sieben, die mich von Monterey her begleitet hatten — das Bootshaus, und da wir Alle gut beritten waren, so erreichten wir in kurzer Zeit die Ansiedelung, die ich vor mehr als drei Monaten verlassen hatte.

Ich fand die Verhältnisse günstiger, als ich gefürchtet hatte, denn mein Vater schien sich von dem erlittenen Schlage rasch wieder zu erholen, und unser Stamm hatte auf einem stürmischen Einfall in das südliche Gebiet der Krähen den Letzteren eine schwere Züchtigung angedeihen lassen. Unsere Leute kehrten mit hundertundfünfzig Scalpen, vierhundert Pferden und sämmtlichen Vorräthen an Decken und Tabak zurück, welche die Krähen kurz zuvor gegen ihr Pelzwerk von den Yankee’s eingetauscht hatten. Unsere feindseligen Nachbarn blieben für lange Zeit zaghaft und entmuthigt — ja, sie wagten es in demselben Jahre kaum, ihre eigenen Jagdgründe zu besuchen. Mit dem Tode des Fürsten Seravalle verhielt sich’s, wie ich aus dem Munde solcher vernahm, die dabei zugegen waren, folgendermassen —

Ein Jahr nach unserer Ankunft aus Europa hatte der Fürst Gelegenheit, durch eine Gesellschaft heimkehrender Händler Briefe nach St. Louis am Missouri zu schicken. Mehr als drei Jahre waren verflosseu, ohne dass er eine Antwort erhielt; aber ein paar Tage nach dem Antritte meiner Montereyer Reise vernahm der Fürst von einer Shoshonenpartie, die von Fort Hall zurückkehrte, dass daselbst eine grosse Karavane erwartet werde. Er beschloss daher, sich selbst nach dem Orte zu begeben, um unterschiedliche Metallwaaren, deren wir bedurften, einzukaufen und weitere Weisungen nach St. Louis ergehen zu lassen.

Dort angelangt, fand er zu seiner grossen Ueberraschung nicht nur Briefe für sich mit unterschiedlichen Güterballen, sondern auch einen französischen Gelehrten, der von einer wissenschaftlichen Gesellschaft noch Californien geschickt worden war. Der Letztere war durch den Bischof und dem Präsidenten des College zu St. Louis an uns empfohlen; er hatte auch fünf französische Jäger als Wegweiser bei sich, die viele Jahre ihres Lebens in Streifzügen, von den Rocky Monetains an bis zu den südlichen Ufern von Untercalifornien, verbracht hatte.

Der Fürst verliess seine Shoshonen bei dem Fort und trug ihnen auf, die Waaren bei einer passenden Gelegenheit nachzubringen, während er in Begleitung seiner neuen Gäste den Rückweg nach unserer Ansiedelung antrat. Am zweiten Tage ihrer Reise trafen sie auf einen starken Kriegshaufen der Krähen, ohne jedoch etwas zu fürchten, da die Shoshonen zu jener Zeit mit allen ihren Nachbarn im Frieden lebten. Die treulosen Krähen jedoch, welche eben so wenig als der Fürst wussten, dass sich eine Shoshonen-Jagdpartie in unmittelbarer Nähe befand, wollten eine so schöne Gelegenheit, ohne viele Gefahr reiche Beute zu erwerben, nicht aus der Hand geben. Sie liessen die Weissen ihres Weges ziehen, folgten ihnen aber in einiger Entfernung nach und überraschten sie Abends in ihrem Lager so plötzlich, dass an ein Waffenergreifen nicht zu denken war.

Die Gefangenen wurden mit ihren Pferden und ihrem Gepäcke nach der Stelle geführt, wo ihre Ueberwinder Lager gemacht hatten und nun alsbald Berathung abhielten. Der Fürst machte dem Häuptlinge bittere Vorwürfe über seine Verrätherei, denn er wusste nicht, dass die Krähen die grössten Schufte zwischen den Gebirgen sind. Die Händler und sämmtliche Indianerstämme schildern sie als „Diebe, die nicht wissen, was es heisst, ein Versprechen zu halten, oder eine ehrenhafte Handlung zu begehen.“

Niemand wird ihnen je Vertrauen schenken, als etwa ein Fremder. Sie sind so feig, als grausam. Mord und Raub bilden die Grundzüge ihres Daseyns, und Wehe den Händlern oder Jägern, denen die Krähen während ihrer Ausflüge begegnen, wenn sie nicht wenigstens ein Zehntheil der feindlichen Streitmacht betragen. Einen Beleg von ihrer Feigheit mag der Umstand abgeben, dass einmal Roche, ein junger Pariser Namens Gabriel und ich zufällig auf ein Lager von dreizehn Krähen und drei Arrapahoes trafen; sie überliessen uns ihre Zelte, ihr Pelzwerk und ihr getrocknetes Fleisch, indem nur die Arrapahoes sich zum Kampfe anschickten, aber auch bald einen der Ihrigen verloren hatten.

Kehren wir jedoch zum Gange unserer Geschichte zurück. Der Häuptling hörte den Fürsten Seravalle mit verächtlicher Miene an, dadurch klärlich zeigend, dass er ihn kenne, und dass er ihm nicht sehr geneigt sey. Um jedoch seinen Hass auf die beste Weise auszubeuten, stellte er die doppelsinnige Frage an seine Gefangenen, was sie geben wollten, um ihre Freiheit zu erhalten. Auf ihre Antwort, sie seyen bereit, zwei Büchsen, zwei Pferde und hundert Dollars abzutreten, erklärte er, die ganze Habe, die sie mit sich führten, sey ohnehin schon sein Eigenthum, und er verlange noch mehr von ihnen: einer der Kanadier solle nämlich mit fünf Krähen nach Fort Hall gehen und Letztere im Auftrag des Fürsten sechszig Decken, zwanzig Büchsen uud zehn Fässchen Pulver in Empfang nehmen. Mittlerweile wolle er die Gefangenen in das Gebiet der Krähen mitnehmen, wohin man die Güter nachbringen solle; sobald dann dieselben angelangt wären, könnten die Weissen freien Fusses weiter ziehen. Der Fürst, der jetzt die Absicht der Feinde verstand und recht wohl wusste, dass man ihnen nie erlauben würde, wieder zurückzukehren, wenn sie sich einmal in den festen Plätzen der Krähen befänden, wies diesen Vorschlag zurück, machte aber, um Zeit zu gewinnen, mehrere andere, die natürlich nicht genehmigt wurden. Sobald der Häuptling sah, dass er wahrscheinlich nicht weiter erhalten werde, als er schon jetzt im Besitze hatte, so warf er seine heuchlerische Maske ab und trat mit einemmale in seinem wahren Charakter auf, indem er seine Opfer zu beschimpfen begann.

„Die Blassgesichter,“ sagte er, „seyen gemeine Hunde und zu grosse Memmen, um gegen die Krähen zu fechten. Sie seyen noch weniger, als Weiber, indem sie sich in die Hütten der Shoshonen verbärgen und ihnen ihre Büchsen borgten, so dass diese jetzt hinreichend Pulver und Feuerwaffen hätten, um von Allen gefürchtet zu werden. Jetzt aber wollten sie die Blassgesichter tödten, um zu sehen, welche Farbe das Blut von Memmen hätte. Wären sie einmal todt, so könnten sie fernerhin weder Büchsen, noch Pulver an die Shoshonen verschenken, die sich dann wie Prairiehunde in ihre Löcher vergraben und es nie wieder wagen würden, den Pfad eines Krähen zu kreuzen.“

Der Fürst antwortete dem Häuptlinge mit Verachtung. „Die Krähen,“ sagte er, „sollten nicht so laut reden, damit sie nicht von den Shoshonen gehört würden, und eine Lüge sollte man nie unter freiem Himmel aussprechen. Was seyen die Krähen gewesen, ehe die weissen Männer an die Ufer der Buona-Ventenra gekommen? Sie hätten ja nicht einmal ein eigenes Land, denn der eine Theil davon sey von den Schwarzfüssen, der andere von den Arrapahoes und den Shoshonen genommen worden. Ferner seyen die Krähen wie die Tauben, von den Gebirgs-Falken gejagt. Sie lägen in tiefen Spalten der Erde und kämen nur bei Nacht zum Vorschein, aus Furcht, einem Shoshonen zu begegnen. Die Weissen hätten übrigens die Shoshonen um ihre Ansiedelung versammelt und sie gelehrt, im Frieden mit ihren Nachbarn zu bleiben. So sey es vier Jahre gehalten worden, und die Krähen hätten Zeit gehabt, andere Wigwams zu bauen. Warum handelten sie nun wie Wölfe, die ihre Wohlthäter bissen, statt ihnen Dankbarkeit zu erweisen?“

Trotz seines Alters hatte der Fürst doch viel Feuer in sich namentlich, wenn sein Blut in Wallung gerieth. Er war in Allem, mit Ausnahme der Wildheit, ein Shoshone geworden und verachtete aus dem Grunde seines Herzens die schuftigen Krähen. Der Häuptling dagegen griffen nach der Handhabe seines Tomahawks — so tief fühlte er den bittern Hohn seines Gefangenen. Da liess sich mit einemmale Rasseln vernehmen; eine Büchse knallte und einer der Krähen sprang hoch in die Luft, um als Leiche zusammenzustürzen.

„Der Häuptliug hat zu laut gesprochen,“ sagte der Fürst; „ich höre den Tritt eines Shoshonen. Die Krähen werden gut thun, sich in’s Gebirge zu flüchten, sonst wird ihr Fleisch die Hunde unseres Dorfes mästen.“

Die Gluth des Zornes und des tiefen Hasses schoss über das Gesicht des Häuptlings; aber er stand mit allen seinen Leuten regungslos und lauschte auf die Töne, um sich zu überzeugen, in welcher Richtnng sie der Gefahr entfliehen sollten.

„Furcht hat die Krähen in Steine verwandelt,“ nahm der Fürst wieder auf; „was ist aus ihren leichten Füssen geworden? Ich sehe die Shoshonen.“

„Der Hund von einem Blassgesicht wird sie nicht mehr sehen,“ versetzte der Wilde, indem er seinen Tamahawk in den Schädel des unglücklichen Fürsten begrub, dem es in dieser Weise vorbehalten war, in einem fernen Lande einen unrühmlichen Tod zu sterben.

Die andern Gefangenen, welche gebunden waren, konnten natürlich keinen Widerstand leisten. Der französische Gelehrte und seine zwei Führer waren im Nu geschlachtet. Aber ehe die Uebrigen geopfert werden konnten, flog eine gut gezielte Salve in den dichtesten Krähenhaufen, der alsbald aus einander stürzte, um in den Wäldern Verstecke zu suchen, während zwanzig aus ihrer Mitte, darunter ihr grausamer Häuptling, todt und verwundet auf dem Platze blieben. Dann brachen aus dem Dickicht dreissig Shoshonen hervor, welche alsbald auf die Flüchtlinge Jagd machten und nur einen von den Ihrigen zurückliessen, um die drei noch lebenden Jäger zu befreien und über der Leiche ihres gemordeten Freundes und Gesetzgebers zu wachen.

Eine halbe Stunde spielte nun aus den gegenseitigen Verstecken ein scharfes Plänklerfeuer zwischen den Shoshonen und Krähen. Letztere verloren zehn weitere Scalpe, und als sie endlich einen mit Büschen und Dornsträuchen bewachsenen Hügel erreichten, zahlten sie eifrig Fersengeld, ohne nur zu versuchen, die ihnen nachgeschickten Salven zu erwiedern. Die bejammernswürdigen Opfer wurden nach der Ansiedelung gebracht, und an dem Tage ihrer Beerdigung brachen die Shoshonen nach dem Lande der Krähen auf. Das Ergebniss des Feldzugs habe ich bereits mitgetheilt.

Ich traf bei meinem Vater die drei Jäger, von denen zwei im Begriffe waren, nach Californien aufzubrechen; der dritte aber, ein junger Pariser, Namens Gabriel, zog es vor, bei uns zu bleiben, und war immer mein treuer Begleiter, bis wir uns an den Ufern des Mississippi trennten, als ich von dort aus die Richtung nach dem atlantischen Ocean einschlug. Er und Roche kehrten bei jener Gelegenheit wieder zu den Shoshonen zurück. Ein Leben voll wilder und gefährlicher Abenteuer hatte zu viel Anziehendes für sie, als dass sie es hätten aufgeben mögen, und der Irländer that ein Gelübde, wenn er je wieder in das Bereich der Civilisation zurückkehre, so werde er nach Monterey ziehen, denn dies sey der einzige Ort, wo er auf seinen langen Wanderungen ein Volk gefunden habe, das seinen Ideen zusage.

Als ich bei dem Zusammentritte einer grossen Versammlung dem Stamme den Angriff mittheilte, den die Umbiquas auf das Bootshaus gemacht hatten, und den Erfolg desselben berichtete, zollten mir alle Anwesenden lauten Beifall. Ich wurde auf der Stelle zum Kriegerhäuptling gewählt, und dieselbe Versammlung fasste den Entschluss, ohne Zögerung eine Abtheilung auszuschicken, um die Umbiquas zu züchtigen. Mein Vater gestattete nicht, dass ich mitging, da die Angelegenheiten des Fürsten in Ordnung gebracht und die Schulden, die er zu Fort Hall contrahirt hatte, bezahlt werden mussten. Ich sah mich deshalb genöthigt, zwei Monate lang die Verrichtungen eines Buchhalters zu vollziehen, Rechnungen zu schreiben und so weiter — eine ziemlich langweilige Beschäftigung, der ich nicht den mindesten Geschmack abgewinnen konnte. Inzwischen nahm der Feldzug gegen die Umbiquas einen noch erfolgreicheren Fortgang, als der gegen die Krähen; überhaupt war es ein glorreiches Jahr für die Shoshonen und sie werden sich desselben noch lange Zeit als einer Periode erinnern, zu welcher ihre Beinbekleidung und ihre Moccassins im buchstäblichen Sinne des Worts mit Menschenhaaren genäht waren und die auf der Prairie unbegraben bleichenden Gebeine ihrer Feinde sogar die Wölfe abhielten, über die Buona-Ventura herüberzukoommen. In der That war das Jahr so ereignissvoll, dass mein Buch über Gebühr anschwellen müsste, wenn ich Alles aufzählen wollte.

Die Cachette an unserem Landungsplatze hatte ich nicht vergessen. Wir schafften Alles nach dem Bootshause, und da die heissen Sommertage die Ansiedelung bereits nicht sehr angenehm zu machen begannen, so zogen wir nach der Seeküste, während der grössere Theil des Stammes nach den Wellenprairieen des Südens auf die Jagd zog.

Die Geschenke der Einwohner von Monterey erwiesen sich für meinen Vater als eine sehr werthvolle Erwerbung. Es waren viele Bücher darunter, die er sich zueignete; sein Alter und seine Gebrechlichkeit vertrugen sich nicht mehr mit den Anstrengungen des indianischen Lebens, weshalb er die Einsamkeit aufsuchte und sich gerne mit Lectüre abgab. Was Gabriel und Roche betraf, so wurden wir nun unzertrennlich; unsere Charakter waren zwar in manchen Punkten ganz verschieden, aber der Umstand, dass wir stets zusammen lebten und dasselbe Zelt mit einander theilten, knüpfte doch ein inniges Band brüderlicher Einigkeit.

Der Leser wird seiner Zeit finden, dass wir manche waghalsige That ausführten und viele vergnügte Tage mit einander verbrachten. Dies geschah sowohl in den nördlichen Städten von Mexiko, als in den westlichen Prairieen von Texas, wo wir mit den Comanches jagten und gelegentlich einige schuftige Texianer entlarvten, die in den entfernten Ansiedelungen unter der Maske der Indianer an ihren eigenen Landsleuten Raub und Mord zu begehen pflegten.

Monsieur Violet's Reisen und Abenteuer in Californien, Sonora und dem Westen von Texas

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