Читать книгу Monsieur Violet's Reisen und Abenteuer in Californien, Sonora und dem Westen von Texas - Фредерик Марриет - Страница 6
Drittes Kapitel.
ОглавлениеDiese zeitweilige Auflösung unserer landwirtschaftlichen Niederlassung fiel in’s Jahr 1838. Bis dahin hatte ich, die letzten paar Monate ausgenommen, meine Zeit ausschliesslich unter meine civilisirten und uncivilisirten Lehrer getheilt. Trotz meiner besseren Bildung war ich aber doch ein Indianer, nicht nur in meinem Anzuge, sondern auch in meinem Herzen.
Ich habe bereits erwähnt, dass ich bei der von dem Fürsten zusammenberufenen Berathung anwesend war, da ich bereits unter die Häuplinge gehörte, obgleich ich erst siebenzehn Jahre zählte. Meine Aufnahme wurde durch folgenden Fall veranlasst.
Als wir Kunde von der Ermordung oder dem Verschwinden der sieben Weissen erhielten, welche der Fürst zu Beischaffung von Vieh nach Monterey geschickt hatte, wurde ein Haufen abgesandt, um der Spur der Vermissten zu folgen und auszukundschaften, was aus ihnen geworden sey. Auf meine Bitte wurde der Befehl über diesen Streifzug mir anvertraut.
Wir setzten über die Buona-Ventura und verfolgten die Fährte unserer Weissen zweihundert Meilen weit aufwärts; nun aber verloren wir dieselbe und fanden mit einemmale unser nur aus fünfzehn Mann bestehendes Häuflein von ungefähr achtzig Krähen, unsern unversöhnlichen Feinden, umringt.
Durch List gelang es uns, nicht nur durchzubrechen, sondern auch sieben der Gegner zu überrumpeln. Meine Begleiter wollten sie auf der Stelle tödten, was ich aber nicht zugab; wir banden sie daher auf ihre eigenen Pferde fest und beeilten uns, so gut wir konnten, obschon die Krähen uns entdeckt hatten und Jagd auf uns machten. Wir hatten fünfzehn Tage zu reisen, bis wir wieder in der Heimath anlangten, und wurden von einem Feinde verfolgt, der uns an Zahl sieben- oder achtmal überlegen war. Durch listige Wendungen, bei denen ich nicht verweilen will, und die Güte unserer Pferde gelang es uns, ihnen zu entwischen und unsere Gefangenen wohlbehalten in die Ansiedelung zu bringen. Zum Kampfe war es nun allerdings nicht gekommen, aber Gewandtheit gilt gleichfalls als eine gute Eigenschaft. Ich wurde daher bei meiner Rückkehr unter die Häuptlinge aufgenommen und erhielt den indianischen Namen Owato Wanisha oder Geist des Bibers, durch den meine Schlauheit und Hurtigkeit angedeutet werden sollte. Damit jedoch der Rang eines Kriegerhäuptlings auf mich übertragen werden könne, war es durchaus nöthig, dass ich mich auf dem Schlachtfelde ausgezeichnet hatte.
Ehe ich in meiner Erzählung fortfahre, muss ich Einiges über meine Lehrer, die Missionäre, bemerken. Der Jüngste davon, Polidori, ging mit der Esmeralda zu Grunde, als er von Monterey Vieh holen wollte; die Anderen waren der Padre Marini und Padre Antonio — beide sehr talentvolle und gelehrte Männer. In den asiatischen Sprachen waren sie ungemein bewandert, und mit Entzücken folgte ich ihren Untersuchungen und den verschiedenen Theorien, welche sie in Betreff einer frühen Auswanderung der Indianer über das stille Weltmeer aufstellten.
Beide waren geborene Italiener. Sie hatten viele Jahre unter den westlich vom Ganges wohnenden Völkern zugebracht und waren in ihrem vorgerückten Lebensalter nach dem sonnigen Italien zurückgekommen, um in der Nähe des Ortes zu sterben, wo sie einst als Kinder spielten. Als sie jedoch mit dem Fürsten Seravalle zusammentrafen und von den wilden Stämmen hörten, unter denen er gelebt hatte, so hielten sie es für ihre Pflicht, denselben das Evangelium zu bringen und sie zu unterrichten.
So traten diese edlen Männer — alt, hinfällig und mit einem Fusse schon im Grabe — auf’s Neue der Mühesal und Gefahr entgegen, um unter den Indianern die Religien der Liebe und des Erbarmens zu verbreiten, deren Dienste sie sich geweiht hatten.
Bei den Shoshonen waren jedoch ihre Bekehrungsversuche vergeblich, denn die Indianer haben einen ganz eigenen Charakter. Falls sie nicht leidend sind oder unterdrückt werden, mögen sie auf das nicht hören, was sie „die glatten Honigworte der Blassgesichtweisen“ nennen, und wenn es doch einmal geschieht, so fechten sie jedes Dogma, jeden Glaubenspunkt an und bleiben unüberzeugt. Die Missionäre beschränkten sich deshalb mit der Zeit darauf, Werke der Barmherzigkeit zu üben, indem sie durch ihre ärztlichen Kenntnisse den Kranken Beistand leisteten und durch moralische Lehren den ungestümen, bisweilen grausamen Charakter dieses wilden, ununterrichteten Volkes milderten.
Zu den Vortheilen, welche die Shoshonen unseren Missionären verdankten, gehörte auch die Einführung der Vaccination. Anfangs waren sie freilich sehr misstrauisch dagegen und leisteten sogar heftigen Widerstand; endlich gewann aber doch die Einsicht der Indianer die Oberhand, und ich glaube nicht, dass nach unserer Ansiedelung auch nur Ein Shoshone geboren wurde, ohne dass ihm die Kuhpocken eingeimpft worden wären. Die Padres Marini und Polidori unterwiesen die eingebornen Heilkünstler in dem Verfahren, das jetzt allenthalben geübt wird.
Ich kann hierorts die Geschichte der wackern Missionäre zu Ende bringen. Als ich einen Streifzug nach Monterey machte, dessen Einzelnheiten ich demnächst angeben werde, wurde ich von Padre Marini begleitet; denn da ihm sein Bekehrungsgeschäft unter den Shoshonen nicht glücken wollte, so glaubte er in den spanifchen Ansiedelungen von Californien nützlich werden zu können. Bald nach unserer Ankunft zu Monterey trennten wir uns, und ich habe seither nichts mehr von ihm gesehen oder gehört, obgleich ich noch Gelegenheit haben werde, aus Anlass unserer Reise nach dieser Stadt und unseres dortigen Aufenthalts von ihm zu sprechen.
Der Andere, Padre Antonio, starb in der Ansiedelung vor meinem Zuge nach Monterey, und die Indianer bewahren noch jetzt seine Kleidung, sein Messbuch und ein Cruzifix als die Reliquien eines edeln Mannes. Der arme Padre Antonio! Ich hätte wohl die Geschichte seines früheren Lebens kennen mögen. Auf seinen Zügen lag der Stempel einer tiefen Schwermuth; es mochte ihr wohl irgend ein herzbrechender Kummer zu Grunde liegen, den die Religion zwar zu mildern, aber nicht zu beseitigen im Stande war.
Nach seinem Tode nahm ich Einsicht von seinem Messbuch. Die weissen Blätter waren vorn und hinten mit frommen Betrachtungen beschrieben, enthielten aber ausserdem noch ein paar Worte, welche über eine gewisse Periode seines Lebens mehr sagten, als ganze Bände. Die ersten Worte lauteten: „Julia, obiit, A. D. 1799. Virgo purissima, Maris stella. Ora pro me.“ Auf dem folgenden Blatte stand: „Antonio de Campestrina, Convient. Dominicum. In Roma, A. D. 1800.“
Er war alfo nach dem Tode eines ihm theuren Wesens in’s Kloster gegangeu — vielleicht seine erste und einzige Liebe. Der arme Mann! wie oft habe ich nicht grosse Thränen über seine welken Wangen niederrinnen sehen! Doch er ist heimgegangen und sein Kummer ruht im Grabe. Auf der letzten Seite des Messbuches befanden sich ebenfalls zwei Linien von zitternder Hand — wahrscheinlich kurz vor seinem Tode geschrieben: „J, nunc anima anceps; sitque tibi Deus misericors.“
Trotz des bisherigen Fehlschlagens gab der Fürst Seravalle seine Plane dennoch nicht auf. Dem Rathe meines Vaters zufolge wollte man nun versuchen, einige Mexikaner und Canadier herbeizuziehen, damit sie dem Feldbau neuen Aufschwung gäben; denn ich darf hier wohl bemerken, dass sowohl der Fürst, als mein Vater, längst den Entschluss gefasst hatten, unter den Indianern zu leben und zu sterben.
Dieser Auftrag sollte durch mich zur Ausführung gebracht werden. Es stand mir ein langer Ausflug bevor, denn wenn es mir in Monterey nicht gelang, meinen Zweck zu erreichen, so sollte ich entweder mit einer Partie von Apaches-Indianern, die mit den Shoshonen stets im Frieden lebten, oder mit einer der mexikanischen Karavanen nach Santa Fé gehen.
In Santa Fé gab es stets eine grosse Anzahl von Franzosen oder Canadiern, die alljährlich im Auftrage der Pelzwerk-Kompagnien von Saint Louis herkamen, so dass wir einige Aussicht hatten, Leute für uns zu gewinnen. Wären meine Bemühungen jedoch fruchtlos, so sollte ich, da ich dann bereits zu weit gegangen sey, um allein zurückkehren zu können, mit den Pelzhändlern von Santa Fé auf dem Mississippi nach St. Louis ziehen, dort einige werthvolle Juwelen verkaufen, Leute zu Bildung einer starken Karavane miethen und auf der Astoria-Fährte unsere Ansiedelung wieder aufsuchen.
Da übrigens meine Abenteuer so zu sagen erst mit dem Antreten dieser Sendung beginnen, so will ich, ehe ich die Geschichte derselben gebe, den Leser einen Blick in die Geschichte und Ueberlieferungen der Shoshonen oder Schlangenindianer thun lassen, unter denen ich trotz meiner Jugend doch schon zu Rang und Würden gelangt war.