Читать книгу Monsieur Violet's Reisen und Abenteuer in Californien, Sonora und dem Westen von Texas - Фредерик Марриет - Страница 7
Viertes Kapitel.
ОглавлениеDie Shoshonen oder Schlangenindianer sind ein tapferes und zahlreiches Volk; sie bewohnen einen grossen und schönen Landstrich, der von Osteu nach Westen fünfhundertundvierzig und von Norden nach Süden beinahe dreihundert Meilen breit ist. Ihr Gebiet liegt zwischen 38° und 43° nördlicher Breite und erstreckt sich von 116° westlich von Greenwich bis zu den Küsten des stillen Meltmeers, also nahe bis zu 125° westlicher Länge. Das Land ist reich und fruchtbar, namentlich in der Nähe der zahlreichen Ströme, wo der Boden bisweilen eine tiefrothe, an andern Stellen aber eine ganz schwarze Farbe hat. An Abwechslung fehlt es nicht, und obgleich der grösste Theil unter die Klasse der sogenannten wellenförmigen Prairieen gehört, so gibt es doch auch sehr viel Waldung, namentlich an den Flüssen und in den Niederungen, während die Landschaft überhaupt malerisch wird durch die zahlreichen, phantastisch gestalteten Gebirge, die durchaus nicht mit einander zusammenhängen und schon vermöge ihrer ursprünglichen Formationen grosse Verschiedenheit bieten.
Fast überall findet man Massen von gediegenem Kupfer, und zwischen zwei Bergketten, die sich parallel von den Flüssen Buona-Ventura und Calumet in westlicher Richtung hinziehen, sind nur zwei oder drei Fuss unter der Oberfläche reiche Lagen von Bleiglanz. Schwefel und Magnesia liefern die nördlichen Districte in Fülle, während in dem Sand der südlichen Flüsse Goldstaub vorkömmt, der gelegentlich von den Indianern gesammelt wird. Das Land wird von drei edlen Strömen durchzogen — der Buona-Ventura, dem Calumet und dem Nu-elije-sha-wako oder Fremdenfluss, während zwanzig kleinere Flüsse mit ungestümem Geräusch von den Gebirgen herabstürzen, bis sie in die Prairieen eintreten, wo sie glatt in langen Schlangenlinien zwischen blumigten Ufern und unter dem dichten Laubwerk der westlichen Magnolie hingleiten. Die Ebenen sind, wie bereits bemerkt, sanft wellenförmig und bilden vortreffliche, natürliche Weiden von Moskitogras, blauem Gras und Klee, auf welchen sich zahlreiche Heerden von Büffeln und Mustangs oder wilden Pferden in ruhiger Sicherheit nähren, aus der sie nur zur Jagdjahreszeit aufgeschreckt werden.
Die Shoshonen6) sind ohne Frage ein sehr altes Volk. Es würde unmöglich seyn, zu sagen, wie lange sie sich schon in diesem Theile des Festlandes niedergelassen haben. Der Schnitt ihres Gesichtes deutet auf asiatischen Ursprung und ihre zierliche, bilderreiche Redeweise erinnert an die anmuthige Abwechslung von Sadis herrlichsten Gedichten.
Ein Beleg von ihrem Alter und fremden Ursprunge gibt der Umstand, dass nur wenige ihrer Ueberlieferungen sich auf ihre dermaligen Wohnplätze beziehen, sondern auf Länder jenseits des Meeres hindeuten, wo ewiger Sommer herrscht, die Bevölkerung zahllos ist und die Städte aus grossen Palästen bestehen, die, ähnlich den Ueberlieferungen der Hindus, „lange vor der Schöpfung des Menschen von guten Geistern gebaut wurden“.
Es unterliegt keinem Zweifel, und ist auch von den übrigen Stämmen zugegeben, dass die Shoshonen den Urstamm der Comanches, Arrapahoes und Apaches, dieser Beduinen der mexikanischen Wüsten, bilden. Sie sprechen alle dieselbe schöne und harmonische Sprache, haben die gleichen Ueberlieferungen und zerfielen erst so kürzlich in ihre Unterabtheilungen, dass sie die Perioden der Trennung mit verschiedenen Ereignissen der spanischen Binnenland-Eroberungen im nördlichen Theile von Sonora in Verbindung bringen können.
Es ist nicht meine Absicht, lange bei speculativen Theorien zu verweilen; indess muss ich doch bemerken, dass Ueberlieferungen, denen man Vertrauen schenken darf, von Nationen oder Stämmen ausgehen müssen, welche durch unvordenkliche Zeiten feste Wohnsitze gehabt haben. Dass das nördliche Festland Amerikas zuerst von Asien aus bevölkert wurde, kann wohl nur wenig beanstandet werden, und wenn dies der Fall ist, so liegt die Voraussetzung nahe, dass diejenigen, welche zuerst herüberkamen, die vordersten und passendsten Gebiete einnahmen. Die Einwanderer, welche nach ihrer Landung auf ein Clima und einen Strich, wie in Californien, trafen, brachen wahrscheinlich nicht wieder auf, um einen besseren zu suchen. Dass ein Aehnliches auch bei den Shoshonen der Fall war, dass sie Abkömmlinge der frühestesten Einwanderer sind und dass sie nie das Gebiet verliessen, wo sich ihre Vorfahren angesiedelt hatten, wird durch alle ihre Traditionen bestätigt.
Gegen die Berichte, welche Missionäre und Reisende über eine wenig bekannte Volksraçe erstatten, müssen wir vorsichtig seyn, da sie selten mit den besseren und höheren Classen, welche geeignete Auskunft zu ertheilen wissen, in Berührung kommen. Sichere Kenntnisse werden weniger dadurch, dass man ihren Stamm aufgenommen, sondern vornehmlich durch den Umstand gewonnen, dass man als Häuptling in ihre Aristokratie eintritt.
Setzen wir den Fall, dass ein Fremder nach Wapping oder an einen andern englischen Ort käme und die nächsten Besten über die Religion, die Gesetze und die Geschäfte von England ausfragen wollte, so würde er nur sehr ungenügende Berichte erhalten; in ähnlicher Weise verhält es sich mit den Missionären und Reisenden unter diesen Nationen, die nur selten weiteren Zutritt erhalten. Unter den besseren Classen der Indianer müssen wir also Auskunft über ihre Geschichte, ihre Ueberlieferungen und ihre Gesetze suchen, und was ihre Religion betrifft, so wird ein Fremder nie in ihre Lehrsätze eingeweiht werden, wenn er nicht in früher Jugend unter das Volk selbst geräth und ein Angehöriger desselben wird.
Mögen die Missionäre in den Berichten an ihre Gesellschaften sagen, was sie wollen, so machen sie doch keine Bekehrungen, etwa die geheuchelte eines landstreicherischen Trunkenboldes ausgenommen, und derartige Menschen gehören ohnehin schon zu den Auswürflingen ihrer Stämme.
Die Ueberlieferungen der Shoshonen bestätigen vollkommen meine Annahme, dass ihre Altvorderen zu den frühesten asiatischen Einwanderern gehörten; sie berühren die Geschichte späterer Wanderzüge, gegen welchen die ersten Ansiedler einen schweren Kampf zu bestehen hatten, um ihre Gebiete zu behaupten, sprechen von der Zerstreuung der neuen Emigranten nach Norden und Süden und geben Bericht über die Ausbreitung der Bevölkerung, wodurch einzelne Theile der Stämme veranlasst wurden, weiter im Osten ihr Auskommen zu suchen.
Wie sich erwarten lässt, finden wir, dass die Traditionen der östlichen Stämme, welche hin und wieder vor ihrem Erlöschen gesammelt wurden, unbedeutend und abgeschmackt sind. Der Grund liegt darin, dass sie nach dem Osten gedrängt wurden und dort auf andere Indianerstämme trafen, welche vor ihnen nach diesen Gegenden vertrieben wurden und sich bereits dort angesiedelt hatten; so begann denn alsbald ein Leben voll anhaltender Feindseligkeit und beharrlichen Wechsels der Wohnstätte. Wenn aber ein Volk durch viele Generationen hindurch unausgesetzt Krieg führt und wandert, so liegt die Annahme ganz nahe, dass ein so bewegtes Leben der Fortpflanzung von Volkssagen keinen Raum gibt und letztere am Ende für den Stamm verloren gehen müssen.
Wenn wir also nach zuverlässigen Berichten forschen wollen, müssen wir sie dort suchen, wo die Bevölkerung seit unvordenklichen Zeiten ihre Wohnstätte nicht gewechselt hat, und um eine wahrscheinliche Geschichte dieser grossen, kriegerischen Völker, ihrer Erhebung und ihres Falles zu schreiben, hat man die Thatsachen im Südwesten des Oregon, desgleichen in den nördlichen Theilen von Californien und Sonora zu sammeln. Die westlichen Apachen oder die Shoshonen bieten mit ihren Alterthümern und den Trümmern eines entschwundenen Ruhmes dem forschenden Geiste ein ergreifendes Interesse, während in ihrer bilderreichen Ausdrucksweise derjenige, welcher in den asiatischen Sprachen bewandert ist, leicht den alten Ursprung entdecken wird.
Es ist merkwürdig, wie allgemein sich Ueberlieferungen unter Nationen verbreiten, welche die Wohlthat der Buchdruckerkunst entbehren. Auch in Europa war zuverlässig vor dieser grossen Entdeckung die grosse Masse weit besser mit ihrer alten Geschichte vertraut, als es in unsern Tagen der Fall ist, denn damals gingen die Ueberlieferungen von Familie zu Familie über; es war die geheiligte Pflicht eines jeden Hausvaters, sie ebenso unverfälscht seinem Sohne mitzutheilen, als sie von seinen Vorfahren auf ihn gekommen waren. Ebenso verhält sich’s bei den Indianern, welche in einer langen Periode ihre Heimath nicht gewechselt haben. Während der Jagdjahreszeit, in den langen Abenden des Februars, theileu die Stammältesten den jungen Kriegern alle ihre geschichtlichen Ueberlieferungen mit, und würde ein Gelehrter einer derartigen „Vorlesung über die Vergangenheit“ anwohnen, so müsste er zugeben, dass in Harmonie, Beredtsamkeit und logischem Vortrage ein Rothhautredner nicht leicht zu übertreffen ist.
Die Shoshonen besitzen klare Hindeutungen auf die fernen Länder, aus denen sie eingewandert sind. Ueber die Zeit dieses Ereignisses schweigen sie; indess müssen sie doch unter die ersten Ankömmlinge gehört haben, denn sie schildern mit grosser topograpischer Genauigkeit all’ die blutigen Kämpfe, welche sie gegen spätere Einwanderer zu bestehen hatten. Oft geschlagen, wurden sie dennoch nie erobert und haben stets den Boden behauptet, den sie von Anfang an für sich ausgelesen.
Ungleich den grossen Familien der Dahcotahs und Algonquins, welche noch die vorherrschenden Züge der wandernden Nationen im südwestlichen Asien bewahren, scheinen die Shoshonen in allen Perioden ein kriegerisches Volk gewesen zu seyn, das jedoch nie seinen Wohnsitz wechselte. Reich waren sie nie, und ebenso wenig befanden sie sich je im Besitz sonderlicher Kenntniss von Künsten und Wissenschaften. Ihre Traditionen über die frühere Heimath sprechen von reichen, gebirgigen Gegenden mit balsamischen Lüften und Bäumen, welche schöne und süsse Früchte trugen; wenn sie aber grosse Städte, Paläste, Tempel und Gärten berühren, so geschieht es stets in Beziehung auf andere Nationen, mit welchen sie in beharrlichem Kriege lebten; daraus möchten wir schliessen, dass sie Abkömmlinge der Mantschu-Tartaren sind.
Zu beiden Seiten der Buona-Ventura liegen auf ihrem Gebiete viele grossartige Ueberreste zerstörter Städte; obgleich nun diese mit einer früheren Periode ihrer Geschichte im Zusammenhange stehen, wurden sie doch nicht von den Shoshonen erbaut.
Die Fontainen, die Aquäducte, die grossen Kuppelgebäude und die langen anmuthigen Obelisken, die an dem Fusse massenhafter Pyramiden in die Höhe steigen, deuten unzweifelhaft auf die lange Anwesenheit eines sehr civilisirten Volkes; auch mögen die Berichte der Shoshonen über diese geheimnissvollen Ueberreste dem Forscher als Schlüssel zu der merkwürdigen Thatsache dienen, dass tausend ähnliche Ruinen überall auf dem ganzen amerikanischen Festlande gefunden werden. Ich gebe im Nachstehenden eine Schilderung von Ereignissen aus einer sehr ferneren Periode, wie sie von einem alten, weisen Shoshonen während der Jagdjahreszeit in den Prairie-Abendlagern erzählt wurde:
„Es ist schon lange, lange her — als die Pferde noch unbekannt waren in Lande7) und bloss der Büffel die weiten Ebenen durchstreifte; damals gab es noch riesige, schreckliche Ungeheuer. Die Zugänge zu den Bergen und Forsten wurden von den bösen Geistern gehütet,8) während die Seeküste, von ungeheuren Eideren bewohnt,9) oft der Schauplatz schrecklicher Kämpfe war zwischem dem Menschen, dem ältesten Sohne des Lichts, und den gewaltigen Kindern der Nacht und der Finsterniss. Damals hatte auch das Land, in dem wir jetzt leben, eine andere Gestalt. Funkelnde Steine wurden in den Flüssen gefunden; die Gebirge hatten noch nicht ausgespieen ihre glühenden Eingeweide und der grosse Herr des Lebens zürnte noch nicht mit seinen rothen Kindern.
„In einem Sommer — und es war ein schrecklicher — blieb der Mond (das heisst die Sonne) lange Zeit stehen; er war von rother Blutfarbe und gab weder Nacht noch Tag. Takwantona, der Geist des Bösen, hatte die Natur überwunden und die weisen Männer der Shoshonen sagten viel schweres Unglück voraus. Die grossen Aerzte erklärten, dass das Land bald getränkt werden würde mit dem Blute seines Volkes. Sie baten umsonst und opferten, gleichfalls ohne Erfolg, zweihundert ihrer schönsten Jungfrauen auf den Altären des Takwantona. Der böse Geist lachte und antwortete ihnen nur mit seinem zerstörenden Donner. Die Erde bebte und riss entzwei; die Wasser hörten auf, in den Flussbetten zu strömen, und grosse Massen von Feuer und brennendem Schwefel wälzten sich von den Gebirgen herunter, Tod und Entsetzen mit sich bringend. Wie lange dies währte, welcher Lebende vermöchte es zu sagen? Da stand der blutige Mond — es war weder Licht noch Dunkel, und wie hätte der Mensch Zeit und Jahreszeit unterscheiden können? Es dauerte vielleicht nur das Leben eines Wurms, vielleicht aber auch das lange Alter einer Schlange.
„Der Kampf war furchtbar, aber endlich zerbrach der gute Herr des Lebens seine Fesseln. Die Sonne schien wieder. Es war zu spät! Die Shoshonen lagen im Staube und ihr Herz war klein geworden. Sie waren arm und hatten keine Wohnungen; sie waren wie der Hirsch in den Prairieen, gehetzt von dem hungrigen Panther.
„Und ein fremdes, zahlreiches Volk landete an den Ufern des Meeres. Es war reich und stark, deshalb machte es die Shoshonen zu seinen Sklaven und baute grosse Städte, wo es seine ganze Zeit zubrachte. Menschenalter verschwanden. Die Shoshonen waren Weiber — sie jagten für die mächtigen Fremden; sie waren Lastvieh, denn sie schleppten Holz und Wasser zu ihren grossen Wigwams; sie mussten fischen für ihre Herren, während sie selbst hungerten in der Mitte des Ueberflusses. Wieder entschwanden Menschenalter. Die Shoshonen konnten es nicht mehr ertragen, sondern entliefen in die Wälder, auf’s Gebirge und an die Küsten des Meeres. Und siehe! der grosse Vater des Lebens lächelte ihnen wieder; die bösen Geister wurden alle zerstört und die Ungeheuer in den Sand begraben.
„Sie wurden bald stark und grosse Krieger; sie griffen die Fremden an, zerstörten ihre Städte und trieben sie wie Büffel, weit nach dem Süden, wo die Sonne immer brennt, und von wo aus sie nicht mehr zurückkehrten.
„Seit dieser Zeit sind die Shoshonen ein grosses Volk gewesen. Oft und vielmal sind wieder Fremde gekommen, aber sie waren arm und klein an Zahl, konnten also leicht getrieben werden nach dem Osten und Norden in die Länder der Krähen, der Flachköpfe, der Wallah-Wallahs und der Jal-Alla-Pujees (der Calapusen).“
Ich habe diese Tradition aus Vielen gewählt, da sie, die bildliche Ausschmückung abgerechnet, einen sehr richtigen Leitfaden für die Geschichte der Shoshonen in früheren Perioden zu geben scheint. Sogar der Umstand des Zugeständnisses, dass sie eine Zeit lang Sklaven jener Volksraçe waren, welche die Städte bauten, deren Trümmer noch jetzt Zeugniss ablegen von ihrer Grösse — bildet einen kräftigen Beweis für die Verlässlichkeit der Angabe im Allgemeinen. Auf die gegenwärtigen Shoshonen und ihre Gebräuche werde ich in einem spätern Theile meiner Erzählung zurückkommen