Читать книгу Monsieur Violet's Reisen und Abenteuer in Californien, Sonora und dem Westen von Texas - Фредерик Марриет - Страница 9

Sechstes Kapitel.

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Es fröstelte mich und ich erwachte. Es war bereits Tag. Ich stand auf und blickte umher, musste aber finden, dass ich in hoher See schwamm, weit ab von der Küste, deren Umrisse von den goldenen Farben des Morgens gesäumt wurden. Das Tau und der Pfahl, an welchem ich das Boot festgemacht hatte, schleppte im Wasser hinten nach, während mich der sanfte Landwind mehr und mehr von dem Gestade entfernte. Eine Weile war ich ziemlich verschüchtert; die Ruder lagen am Lande, und ich hatte kein Hülfsmittel, meinem kleinen Nachen eine erwünschte Richtung zu geben.

Vergeblich ruderte ich mit den Händen und mit dem Pfahle, den ich an Bord genommen hatte. Ich wandte mich um und um, nach allen Richtungen des Kompasses, aber vergeblich. Endlich begann ich nachzudenken. Die See war glatt und ruhig, folglich keine unmittelbare Gefahr vorhanden. Wenn der Padre am Morgen erwachte, so musste er natürlich meinen Unfall entdecken und sah auch vielleicht das Boot; er eilte dann nach der Stadt, konnte aber freilich nicht vor Abend dort anlangen, denn er war ein alter Mann, und der Weg betrug ungefähr fünfundzwanzig Meilen. Dann wurden mir Boote nachgeschickt, vielleicht sogar der mexikanische Schooner, der in der Bay war. Am nächsten Morgen durfte ich zuversichtlich auf Rettung hoffen, und das grösste Unglück, das mir somit begegnen konnte, bestand in dem Fasten und in der Einsamkeit eines Tages. Dies schlug ich übrigens nicht hoch an; ich fügte mich deshalb in mein Schicksal und machte aus der Noth eine Tugend. Zum Glück für mich gehörte das Boot einem Amerikaner, der ein grosser Freund von Fischen war, und enthielt daher viele Gegenstände, die ich zuvor übersehen hatte. Zwischen dem vordersten Dost und dem Bug befand sich eine halb mit Asche gefüllte Tonne, daneben lagen einige Stücke Steinkohlen und etwas, dürres Holz; unter den Sternschoten stand ein kleiner Schrank, in welchem ich eine Bratpfanne, eine Salzbüchse, einen zinnernen Napf, einen Topf mit Honig und einen zweiten mit Bärenfett, endlich einige Kräuter fand, die von den Californiern statt des Thees benützt werden. Zum Glück waren der Wasserkrug, meine Fangleinen und die Köder von rothem Flanell und weisser Baumwolle gleichfalls an Bord. Ich warf die letzteren aus und schickte mich, an, mein Cigarito zu rauchen. In diesen Gegenden führt nämlich Jedermann Stein, Stahl, Schwamm und Tabak bei sich.

So entschwanden mir die Stunden. Da meine Fischerei gut von Statten ging, so zündete ich ein Feuer an und briet mir einige schöne Makrelen; aber nachgerade erreichte die Sonne ihre höchste Höhe und die Hitze wurde so unerträglich, dass ich weine Kleider, sogar auch mein Hemde ausziehen und über die Bänke breiten musste, um Schutz zu erhalten. Mittlerweile hatte ich das Land ganz aus dem Gesichte verloren und konnte nur hin und wieder einige kleine schwarze Punkte, die Spitzen der hohen Fichten, bemerken.

Sobald mein Mahl beendigt war, machte ich ein Schläfchen; ich weiss indess nicht, wie es kam, denn statt der anständigen zwei Siesta-Stunden, die der Spanier zu Verdauung seines Diners als Tonicum braucht, wachte ich erst um Sonnenuntergang wieder auf, und auch da nur deshalb, weil ich eine Bewegung zu fühlen begann, die nichts weniger als angenehm war. In der That begannen auch die Wellen sich in scharfen, schaumbedeckten Zacken zu heben, und die milde Landbrise hatte sich in einen kühlen, scharfen Westwind umgewandelt.

Die günstige Richtung des Windes war indess ein Trost, und während ich meine Kleider anlegte, begann ich zu erwägen, dass unter einem zweckmässigen Gebrauch des Steuers und durch meine aufrechte Stellung im Boote mein Körper gewissermassen als ein kleines Segel dienen könnte. Da hörte ich auf der Backbordseite meines Bootes wohl zwanzig Stimmen ein „Hi, hi, hi!“ brüllen. Wie man sich denken kann, fuhr ich erstaunt zusammen, und als ich mich umwandte, bemerkte ich fünfzig Ellen vor mir ein grosses, von zehn Rudern bewegtes Boot vor den Wellen treiben. Es war mit Leuten, Fässern und Tonnen ungefüllt, und Einer am Steuer gab Signale, augenscheinlich, um mich zum Haltmachen einzuladen. Ein paar Minuten später waren wir dicht neben einander, und ich darf wohl behaupten, dass unser Erstaunen gegenseitig war — das ihrige, weil sie mich allein und ohne Ruder sahen, das meinige, weil ich ein so jammervolles Schauspiel erblicken musste. Sie bildeten augenscheinlich die Mannschaft eines gescheiterten Schiffes und mussten, ihrem Aussehen nach, furchtbare Anstrengungen und Entbehrungen durchgemacht haben. Mein steinerner Krug war voll; ich händigte ihn dem Manne am Ruder ein, welcher der Kapitän zu seyn schien; aber die biedere, wohlwollende Seele goss ein wenig Wasser in den Napf und reichte ihn zuerst allen seinen Begleitern, ehe er selbst kosten wollte. Der Krug mochte ein paar Gallonen enthalten, war aber natürlich bald geleert.

Ich gab ihnen eine gebratene Makrele, die ich für mein Nachtessen aufbewahrt hatte, und die Leute händigten sie dem Kapitän ein, der sie, trotz seiner edelmüthigen Weigerung, sogleich essen musste. Dies bemerkend, zeigte ich ihnen neun oder zehn andere frische Fische, von denen ein paar sehr gross waren, und bedeutete ihnen, sie sollten dieselben kochen. Sie sangen und lachten: ja wohl da, Fisch kochen! Nein, es bedarf einer geringen Kochkunst, wenn man am Hungersterben ist. Sie theilten sich brüderlich darein, und dieser Mundvorrath, nebst dem Honig für den Kapitän und dem Bärenfett für die Matrosen, schien sie Alle mit neuem Leben begabt zu haben.

Der Kapitän und vier von der Mannschaft traten mit Rudern in meinen Nachen. In diesem Augenblicke begannen die Sterne sichtbar zu werden; ich deutete auf einen im Osten als Wegweiser, und wir pflügten dem Ufer zu, wobei wir von dem Winde und den Wellen sehr begünstigt wurden. In einem seltsamen Gemische von Englisch, Französisch, Italienisch und Lateinisch machte mir der Kapitän begreiflich, sein Schiff sey eine russische Brigg gewesen, die von Asitka im russischen Amerika aus nach Acapulko in Mexiko fahren wollte, um Getreide, Talk und Branntwein zu holen; sie sey bei nächtlicher Weile in Brand gerathen, und die Mannschaft habe kaum Zeit gehabt, das Langboot niederzulassen. Mundvorrath hatten sie nicht mitnehmen können, denn die Tonnen und Fässer, die sie in der Eile an Bord gebracht hatten, waren ihnen unnütz; ohne ihre Entfernung von der Küste zu kennen, und sowohl der Nahrung als des Wassers entbehrend, hatten sie achtundvierzig Stunden gerudert, bis sie endlich, eine gute halbe Stunde vor meinem Erwachen, mein Boot entdeckten. Sie meinten anfangs, es sey leer; als sie mich aber aufstehen sahen, riefen sie mir zu, in der Hoffnung, ich könne sie zu einem Landungsplatze führen. Ich erzählte ihm sodann, wie es eben gehen mochte, meine Abenteuer und versprach ihm für den nächsten Tag Lebensmittel in Fülle; ebenso gut hätte ich übrigens schweigen können, denn der arme Mensch, der sich jetzt sicher fühlte, war in Folge der gewaltigen Anstrengungen in tiefen Schlaf versunken.

Mit dem Anbruche des Morgens landeten wir an der Mündung eines kleinen Flusses, in deren Nähe sich einige schöne Ruinen befanden. Es war dieselbe Stelle, die ich mit dem Padre aufzusuchen beabsichtigt hatte. In der Umgegend weideten einige wilde Pferde; ich putzte mein Gewehr, lud es und schoss eines der Thiere; aber während dies geschah, hatte sich die erschöpfte, hungrige Mannschaft an dem Strande ausgestreckt und bekundete durch ihr Nasenconcert, dass nach so schweren Anstrengungen ihr dringendstes Bedürfniss in Ruhe bestand. Ihre Anzahl betrug mit Einschluss des Kapitäns zwanzig Köpfe.

Ich hatte zuviel unter den Indianern gelebt, um nicht im Stande zu seyn, gegen Erschöpfung anzukämpfen und rasch zu handeln. Die Sonne stand noch nicht drei Stunden am Himmel, als ich bereits die besten Theile des Pferdes gekocht hatte. Die Unglücklichen schliefen noch immer und ich fand, dass es nicht leicht war, sie zu wecken. Endlich kam ich auf einen Gedanken, der auch richtig zum Ziele führte: ich stiess nämlich den Ladstock meines Gewehres in ein Stück dampfendes Fleisch und hielt es so, dass der Duft davon gerade unter ihre Nasen streichen musste. Kein Zauberstab hätte wirksamer seyn können; in weniger als zwei Minuten kauten und schluckten sie sammt und sonders an ihrem Frühstücke mit einem Eifer, in welchem gewiss keine Schläfrigkeit mehr zu erkennen war. Es ist keine Kleinigkeit, zwanzig hungrige Russen zufrieden zu stellen; aber doch nimmt Alles zuletzt ein Ende. Einer davon kniete vor mir nieder und küsste meine Füsse. Der arme Mensch! er meinte, ich hätte Wunder was für ihn und seine Gefährten gethan und vergass darüber ganz, dass ich ihnen vielleicht mein eigenes Leben verdankte.

Die Leute waren sehr ermüdet; als sie jedoch hörten, sie könnten bis zum Nachmittag eine Stadt erreichen, trafen sie in aller Behendigkeit Vorbereitungen zum Aufbruche. Wir ruderten langsam an eine Küste hin, denn Aufbruche. Wir ruderten langsam an eine Küste hin, denn die Hitze war ungeheuer und die Ruderer fühlten sich bald völlig erschöpft. Um ein Uhr landete ich an meinem früheren Lagerplatze. Der Padre hatte natürlich die Ruder, das Segel und die Decken zurückgelassen. Mein Boot war im Augenblicke aufgetakelt und aus den Decken fertigten die im Langboot ein Segel, indem sie zugleich aus einem Ruder und einer langen Stange, die sie zusammenbanden, eine Art Nothmast errichteten. Als wir die Nordspitze der Bay umfuhren, bemerkte ich den mexikanischen Schooner und viele Boote ziemlich weit draussen in der See, ohne Zweifel um nach mir zu fahnden.

Um sechs Uhr Abends landeten wir unter dem Zuruf eines verwunderten Volkshaufens vor Monterey.

Ich war allgemein beliebt, und mein Verlust hatte grosse Unruhe veranlasst; als ich daher landete, wurde ich von allen Seiten mit Fragen angegangen. Die Frauenzimmer waren mir besonders gewogen; einige küssten mich (beiläufig bemerkt, nur diejenigen d’un certain age), und alle waren der Meinung, ich solle auf dem Altar der Jungfrau Maria ein halb Dutzend Kerzen opfern. Unter ihnen befand sich jedoch ein Wesen, das um mich sogar geweint hatte; es war Isabella, eine von des Gouverneurs Töchtern, ein Mädchen von fünfzehn Jahren. Der General war gleichfalls sehr erfreut, mich wieder zu sehen. Er war mir sehr gewogen, weil wir beim Cigarrenrauchen mit einander Schach spielten und ich mich von ihm matt machen liess, obgleich ich ihm die Königin und den ersten Zug zum Voraus hätte geben können. Ich will hier sotte voce bekennen, dass mir dieser kluge Wink von den Töchtern an die Hand gegeben wurde, welche wünschten, dass ich Gnade in seinen Augen finden möchte.

„Dios te ayuda niño,“ sagte der Gouverneur zu mir (ich fürchtete, wir würden nimmer mit einander Schach spielen). „Que tonteria, andar a dormir in una barca, quando se lo podia sobre tierra firma!“ (Welche Narrheit, in einem Boote zu schlafen, wenn es auf gutem, festem Grunde geschehen kann!)

Ich erzählte ihm die Geschichte von den armen Russen, und trotz seines Stolzes traten ihm Thränen in die Augen, denn er war sehr wohlwollend. Er nahm den Kapitän in seine Wohnung, und ertheilte Befehl, die Mannschaft gut unterzubringen. Die Gastfreundschaft der Bewohner von Monterey hatte jedoch nicht so lange gewartet, und die armen Bursche vergassen bald unter der Aufmerksamkeit, die man ihnen zu Theil werden liess, ihre ausgestandenen Gefahren. Fünfzehn Tage später brachte sie der mexikanische Schooner nach der Bay von St. Franzisco, wo eben eine nach Asitka bestimmte russische Kriegsbrigg angelangt war. Sie schieden jedoch nicht mit leeren Händen von uns. Sobald die Bewohner von Monterey ihre leidenschaftliche Vorliebe für Talk und Branntwein bemerkt hatten, gaben sie ihnen von diesen liebenswürdigen Erfrischungen in so reichlicher Menge, dass sie für eine lange Weile ihren Kummer ertränken konnten. Was den Kapitän betraf, so wurde ihm ganz jene Aufmerksamkeit zu Theil, zu der er durch sein wackeres Benehmen berechtigt war; am Abende vor seiner Abreise erhielt er einen ziemlich grossen, mit Leinwand und Kleidern gefüllten Koffer zum Geschenk.

Zur Feier meines glücklichen Entkommens wurde eine heitere Nacht verbracht. Man hatte Kanonen gelöst und Flaggen aufgehisst, um die Boote zurückzurufen, und Abends um zehn Uhr tanzte, sang und sprang die ganze Einwohnerschaft auf dem Rasen, als sey es der letzte vergnügte Tag in unserem ganzen Leben.

So entschwanden vier Wochen, und ich muss zu meiner Schande zugestehen, dass ich absichtlich zwei Gelegenheiten versäumte, um nach Santa Fé zu kommen. Eines Morgens jedoch wurden alle meine weiteren Wonneträume zerstreut. Ich sann eben über meine erste Liebeserklärung nach, als unser alter Diener mit vier indianischen Wegweisern anlangte. Er hatte die Ansiedelung vor sieben Tagen verlassen und den ganzen Weg zu Wasser gemacht. Sein Auftrag lautete, mich wieder zurückzubringen, wenn ich Monterey noch nicht verlassen habe. Die Botschaft, die er brachte, lautete sehr traurig Der Fürst war von den Krähen ermordet worden. Die Shoshonen hatten einen Krieg begonnen, um seinen Tod zu rächen, und mein Vater, der mit jedem Tage mehr hinschwand sah in Bälde einer Wiedervereinigung mit seinem vorangegangenen Freunde in einer bessern Welt entgegen. Arme Isabella! Ich hätte dieses Beiwort auch auf mich ausdehnen können, aber die verhängnissvollen Botschaften regten mich in einem Grade auf, dass ich nur wenig Zeit fand, an Freude und Liebe zu denken. Meine augenblickliche Rückkehr wurde zu einer heiligen Pflicht, und ausserdem erwarteten die Shoshonen, dass ich mit ihnen meinen ersten Kriegspfad antreten werde.

Der alte Gouverneur hielt es für räthlich, dass ich den Heimweg zur See machen sollte, da die Arrapahoes-Indianer in jenem Augenblicke Feinde der Shoshonen wären und wahrscheinlich mich abzuschneiden versuchen würden, wenn ich die Buona Ventura hinaufführe. Vor meiner Abreise erhielt ich einen Besuch von einem Irländer, einem wilden jungen Burschen aus Cork, Namens Roche, der voll Scherz und Lebhaftigkeit war. Er war an der Küste von einem der amerikanischen Schiffe ausgerissen und, trotz der ausgesetzten vierzig Dollars Belohnung, nicht wieder entdeckt worden, so dass das Fahrzeug ohne ihn absegeln musste.

General Morreno war anfangs sehr aufgebracht und wollte den armen Teufel in’s Gefängniss legen; aber Roche benahm sich so possierlich und wusste die Uebel, welche er wegen seines katholischen Glaubens an Bord erfahren haben wollte, so schlau darzustellen, dass sich nicht nur die Geistlichkeit, sondern überhaupt ganz Monterey in’s Mittel legte. Roche erwies sich bald als eine sehr werthvolle Erwerbung für die Einwohnerschaft, denn er war ein unermüdlicher Tänzer und ein guter Violinspieler. Ausserdem hatte er sich bereits an die mexikanische Sitte und Sprache gewöhnt, und in der Pferde- oder Büffeljagd that es ihm Niemand zuvor. Er wusste den alten Frauen lange Geschichten von den Wundern Erins, St. Patrick’s Mirakeln und dem Steine zu Blarney zu erzählen Kurz, man gewann ihn bald sehr lieb, und er hätte reich und glücklich werden können, wenn er in Monterey einen bleibenden Wohnsitz gewählt haben würde. Sein wilder, abenteuerlicher Geist erlaubte ihm jedoch nicht lange, sich des dortigen ruhigen Lebens zu erfreuen, und als er hörte, dass eine schöne Aussicht vorhanden war, in der „Ansiedelung der Granden“ den Schädel eingeschlagen zu kriegen, bat er um die Erlaubniss, sich meiner Partie anschliessen zu dürfen.

Ich liess mir Roche’s Begleitung gefallen und schiffte mich mit ihm, meinem Diener nnd den Indianern an Bord des Schooners ein. Die guten Leute machten mir zum Abschiede viele Geschenke; ja, ich hätte mit den Pistolen, dem Pulver, den Pferden, den Musketen, den Messern und den Säbeln, welche ich in dieser Weise zusammenbrachte, eine ganze Legion bewaffnen können. Der Gouverneur, seine Töchter und alle diejenigen, welche in den Booten Platz finden konnten, begleiteten mich bis zum nördlichen Theile der Bay, und ich sagte ihnen mit beklommenem Herzen Lebewohl.

Monsieur Violet's Reisen und Abenteuer in Californien, Sonora und dem Westen von Texas

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