Читать книгу Der Höllenhund - Фредерик Марриет - Страница 10

8. Kapitel

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Die Witwe Vandersloosch war die Inhaberin eines Lusthauses oder eines Vergnügungsplatzes für Matrosen. Ihre Privatwohnung lag nebenan und stand mit dem Lusthause durch eine Tür in der Mauer in Verbindung. Die Wohnung war sehr klein, aber doch gemütlich, zwei Stockwerke hoch und vorn für jeden Raum mit einem Fenster versehen. Im Erdgeschosse befand sich ein Wohnzimmer und eine Küche, während der erste und zweite Stock je zwei kleine Gemächer hatte. Nichts konnte besser geordnet sein, als dieser behagliche Witwensitz. Außerdem hatte sie einen Hof, welcher hinter dem Lusthause hinlief, mit bequemen Gelassen versehen war und durch eine Tür nach der Straße hinaus führte.

Sobald Herr Vanslyperken angekommen war, machte er der Witwe seine demütige Aufwartung, Smallbones aber, der ihn begleitet hatte, legte die Zwiebacksäcke neben das Kratzeisen an der Türe nieder und bewachte sie pflichtgetreu. Der Leutnant meinte, er werde weit gnädiger als gewöhnlich empfangen, was auch vielleicht der Fall war, da es der Witwe in letzter Zeit ein wenig an Kundschaft gefehlt hatte und sie sich freute, daß die Mannschaft des Kutters angelegt war, um ihr Geld bei ihr zu verjubeln. Vanslyperken hatte bereits seinen Säbel samt dem Bandelier abgenommen und beides nebst dem dreieckigen Hut auf einen Seitentisch gelegt, er saß neben der Dame auf dem kleinen weichgepolsterten Sofa und hatte eben ihre Hand ergriffen, um seine Bewerbung zu erneuern und die Ergüsse seines Herzens, die er auf dem Halbdeck der ‚Jungfrau‘ ausgekocht hatte, ausströmen zu lassen, als der nur zu unwillkommene Snarleyyow zur Türe hereinstürzte.

„Oh, dieses garstige Vieh! Mynheer Vanslyperken, wie konnten Sie sich unterstehen, auch den Hund in mein Haus zu bringen?“ rief die Witwe, mit glutrotem Vollmondgesichte von ihrem Sofa aufspringend.

„In der Tat, Frau Vandersloosch“, versetzte Vanslyperken, „ich ließ ihn an Bord, weil ich wohl wußte, daß Sie keine Freundin von Tieren sind, aber es muß ihn jemand mit ans Ufer gebracht haben. Wer es übrigens gewesen sein mag, ich will ihn ausfindig machen und ihn Ihren Reizen zu Ehren kielholen lassen.“

„Ich habe Tiere wohl gern, Herr Vanslyperken, nur nicht Tiere wie dieses schmutzige, garstige, unangenehme und knurrende Vieh da ist. Auch kann ich mir nicht denken, warum Sie ihn nach dem, was ich Ihnen gesagt habe, noch behalten mögen. Es beweist nicht viele Achtung, Herr Vanslyperken, wenn man einen solchen Hund nur deshalb mit sich herumführt, um mich zu ärgern.“

„Ich versichere Ihnen, Frau — —“

„Versichern Sie mir nichts, Herr Vanslyperken, es ist kein Grund dazu vorhanden. Der Hund ist Ihr Eigentum — aber ich werde es Ihnen Dank wissen, wenn Sie ihn aus dem Hause fortschaffen. Vielleicht ist es gut, wenn Sie mit ihm gehen, da er sich ohne Sie schwerlich abhalten läßt.“

Nun hatte die Witwe früher nie so entrüstet gesprochen. Wenn der Leser zu wissen wünscht, warum dies geschah, so wollen wir mitteilen, daß die Witwe Vandersloosch Smallbones bemerkt hatte, wie er, gleich einer Bildsäule, auf zwei Halbsäcken Zwieback vor dem Portale saß. Die Witwe wünschte zu wissen, ob da von einem Geschenke oder von einem Artikel für den Handel die Rede war, sie hielt es daher für sehr rätlich, einen Streit anzufangen, der die Sache aufklären könnte. Der Kunstgriff der Frau Vandersloosch hatte den verdienten Erfolg. Der Unwille der Witwe brachte Herrn Vanslyperken gleichfalls in Zorn, er verrichtete eine Tat, deren er sich selbst nie für fähig gehalten hatte, indem er Snarleyyow mit einem solchen Fußtritt in die Seite begrüßte, daß die Bestie heulend in den Hinterhof hinausflog. Er folgte ihm nach und trieb den Hund trotz dessen Gegenwehr in ein Außenhaus, dessen Türe er abschloß, indem er den Schlüssel umdrehte. Dann kehrte er in das Wohnzimmer zurück und fand die Witwe, aufrecht und den Rücken gegen den Ofen gekehrt, mit einer Miene, daß man sich des Gedankens nicht erwehren konnte, sie stehe noch immer unter dem Einfluß gerechten Zornes. Da stand sie mit aller Würde Herrn Vanslyperken erwartend, damit er die absichtliche oder unabsichtliche Beleidigung wieder gut mache — oder, mit anderen Worten, ihr den Zwieback als Geschenk anbiete. Und er wurde als Geschenk angeboten, denn Vanslyperken kannte kein anderes Mittel, ihren Unwillen zu beschwichtigen. Der Sturm legte sich allmählich, die verächtlich heraufgezogenen Mundwinkel nahmen die gewöhnliche Richtung wieder an. Die Zwiebacksäcke wurden von Smallbones hereingebracht, ihr Inhalt ausgeleert, und die Harmonie war wieder hergestellt. Abermals saß Herr Vanslyperken auf dem kleinen Sofa neben der fetten Witwe, und abermals ergriff er ihre schmelzende Hand. Ach! daß ihr Herz nicht aus demselben weichen Materiale bestand!

Sobald sich Smallbones, die leeren Brotsäcke unter dem Arme, zurückgezogen hatte, blieb er eine Weile nachdenklich vor dem Portal. Nachdem er endlich zu einem Entschlusse gekommen war, ging er nach dem Kramladen über der Kanalbrücke, um sich eine Nadel, etwas starken Zwirn und einen Bückling zu kaufen. Desgleichen versah er sich mit einigen Stecken. In dieser Weise vorbereitet, begab er sich nach der Hoftüre hinter dem Hause der Witwe und ging hinein. Wie wenig ließ sich Herr Vanslyperken träumen, welch ein Unfug gebraut wurde, während er das Bier aus der Witwe eigenem Brauhaus lobte und trank.

Es wurde Smallbones nicht schwer, ausfindig zu machen, wo Snarleyyow eingesperrt war, denn der Hund nagte sich sehr emsig einen Weg durch die Tür, obschon er bis jetzt nur mit dem vierten Teile seiner Arbeit zustandegekommen war. Der Raum war ein Hühnerhaus gewesen, und an dem Boden der Türe befand sich eine kleine Öffnung für den Ein- und Ausgang dieser Zweifüßler — die ursprüngliche Erfindung einer schlauen Jungfrau, welche die Mägde am Eierstehlen hindern wollte. Diese Öffnung war jedoch geschlossen. Smallbones bezog sein Quartier in einem anderen Außengebäude, wo er nicht bemerkt werden konnte, und begann seine Operationen.

Er trennte zuerst den Boden des einen Brotsackes auf und nähte ihn an den andern, um den Schlauch zu verlängern; dann zog er eine Schnur durch den Rand der oberen Öffnung, um den Sack zuziehen zu können, und schnitt seine Stecken in einer Weise zurecht, daß die Mündung aufrecht und offen stehen blieb. Sobald dieses eingeleitet war, begab er sich nach der Stelle, wo Snarleyyow mit großer Emsigkeit an dem Holze nagte, und erlaubte ihm unter der Tür weg nicht nur an dem Bückling zu riechen, sondern auch den Schwanz desselben abzubeißen. Hierauf zog er den Bückling allmählich weiter, bis er ihn in die Mitte der Hühnerstallöffnung gebracht hatte, wo er ihn in einer Entfernung liegen ließ, daß der Hund ihn wohl beschnüffeln, aber nicht erreichen konnte, was denn auch Snarleyyow jetzt tat. Wenn man eine Falle legt, hängt viel von dem Köder ab, Smallbones kannte die Vorliebe seines Feindes für würzige Eßwaren. Er brachte nun seinen Sack heran, befestigte ihn dicht vor der Öffnung, und legte den Bückling in den Schlauch hinein. In der einen Hand hielt er die Schnur und hob dann mit der andern die Falltür. Snarleyyow stürzte heraus und hinein, in einem Augenblick war die Schnur zugezogen und dicht um die Öffnung des Sackes gebunden. Snarleyyow war gefangen. Er purzelte über und über, sich bald rechts bald links rollend — Smallbones grinste in hohem Entzücken. Nachdem er sich eine Weile an den Bewegungen seines Gefangenen belustigt hatte, schleppte er ihn nach dem Außengebäude, schloß die Tür und ließ seinen Fang drinnen. Jetzt war die nächste Aufgabe, jedem Verdacht von seiten des Herrn Vanslyperken auszuweichen. Um dies zu erreichen, riß er die Falltür ab, zerbrach sie in zwei oder drei Stücke, legte sie vor die Öffnung und gab der Sache das Aussehen, als ob sich der Hund durchgenagt hätte. Er ließ den Hund noch immer in seiner Haft, weil er keinen weiteren Versuch wagte, ehe es dunkel wurde, und bis dahin hatte er noch eine gute Stunde zu warten.

Smallbones war eben zu rechter Zeit mit seiner Arbeit zustandegekommen, denn die Witwe, welche auch nach ihren Gästen im Lusthaus sehen wollte, hatte Vanslyperken verlassen, und so dachte der Leutnant, dies sei eine gute Gelegenheit, um nach seinem vierfüßigen Liebling zu sehen. Er kam in den Hof heraus, nicht wenig bedenklich, als er daselbst Smallbones traf.

„Was tust du hier, Bursche?“

„Ich warte auf Euch, Sir“, versetzte Smallbones demütig.

„Und der Hund?“ entgegnete Vanslyperken, als er die zerstreuten Bruchstücke an dem Eingange des Hühnerhauses bemerkte.

„Er muß sich wohl durchgenagt haben, Sir.“

„Und wo ist er?“

„Ich weiß es nicht, Sir. Vermutlich ist er nach dem Boote hinuntergegangen.“

Sobald Snarleyyow die Stimme seines Gebieters hörte, begann er zu winseln, und Smallbones zitterte. Zum Glück zeigte sich in diesem Augenblicke die Witwe an der Hintertüre des Hauses und rief Herrn Vanslyperken. Ihre Stimme übertönte das Winseln des Hundes, so daß der Leutnant es nicht hörte. Freilich war er nur halb überzeugt, aber er wagte es nicht, in Gegenwart seiner Geliebten viel Interesse an dem Tiere zu zeigen, und kehrte daher nach der Wohnstube zurück, wo der Hund sehr bald vergessen wurde.

Da sich jedoch die Orgien im Lusthause mehr und mehr steigerten, fand es die Witwe um so nötiger, dort fleißig Besuche zu machen, nicht nur um für den Bedarf ihrer Kunden zu sorgen, sondern auch, um sie durch ihre Anwesenheit im Zaume zu halten. Gegen Abend wurde in der Regel ihre Anwesenheit am häufigsten. Vanslyperken wußte dies wohl und verlegte daher seine Werbungen stets auf den Nachmittag, um mit Eintritt der Dunkelheit an Bord zurückkehren zu können. Smallbones, der von der Hintertüre aus die Bewegungen seines Meisters bewachte, bemerkte, daß er sein Bandelier über die Schulter warf, was in der Regel als Signal zum Aufbruch galt. Es war jetzt dunkel genug, weshalb er nach den Außengebäuden eilte, den eingesackten Snarleyyow herauszog, ihn über die Schulter warf und durch die Hoftür hinausging, um sich nach dem Kanal vor dem Hause der Witwe zu begeben. Er blickte umher, konnte aber niemand bemerken, weshalb er den Sack mit dessen Inhalt nach dem stehenden Wasser hinunterzog. In demselben Augenblick kam Herr Vanslyperken, der sich von der Witwe verabschiedet hatte, aus dem Hause heraus. Ein schweres Klatschen — und dann Stille!

„Wer da? Ist das nicht Smallbones?“ rief Herr Vanslyperken.

„Ja, Sir“, versetzte Smallbones erschrocken.

„Was habe ich da für einen Lärm gehört?“

„Einen Lärm, Sir? O, ich habe einen Pflasterstein in den Kanal gestoßen.“

„Und weißt du nicht, was für eine schwere Strafe darauf gesetzt ist, du Schurke? Wo hast du die Brotsäcke?“

„Die Brotsäcke, Sir? Herr Kurz hat sie mitgenommen, um einiges Gemüse hineinzutun.“

„Herr Kurz? Ah, schon gut. Komm mit, Bursche, und wirf mir keine Steine mehr in den Kanal, es hätte jemand den Tod davon haben können. Da ist ein Boot unten — ich höre die Leute sprechen.“

Herr Vanslyperken eilte nach seinem Boote, das auf ihn wartete, um sich zu überzeugen, ob Snarleyyow da war. Zu seinem großen Ärger und Verdrusse waren seine Erwartungen getäuscht. Er setzte sich daher nicht in der angenehmsten Stimmung auf die Bank nieder, sich dabei Gedanken machend, ob Smallbones wirklich einen Pflasterstein in den Kanal geworfen habe oder nicht, indem er sich vornahm, wenn der Hund nicht wieder zum Vorschein komme, solle Smallbones gekielholt werden. Es war übrigens auch möglich, daß man den Hund schon an Bord genommen hatte.

Man kann sich leicht denken, daß Herr Vanslyperken, sobald er das Halbdeck erreichte, zuerst fragte, ob Snarleyyow an Bord sei. Er wurde von Korporal Vanspitter mit militärischer Begrüßung empfangen, denn Obadiah Coble, der als kommandierender Offizier zurückgeblieben war, hatte sich selbst Urlaub erteilt und war mit einigen Matrosen Dick Kurz und seiner Gesellschaft nachgezogen, dem Korporal als dem nächstältesten Offizier den Befehl über das Fahrzeug überlassend. Die Antwort lautete zu Herrn Vanslyperkens großem Verdrusse verneinend, er stieg daher in sehr übler Laune nach seiner Kajüte herunter und ließ Smallbones vor sich rufen. Aber ehe die Aufforderung an letzteren erging, hatte er noch Zeit, einem oder zweien der Verschwörer zuzuflüstern, daß die Bestie fort sei. Dies war genug. In weniger als einer Minute verbreitete sich das Geflüster durch den ganzen Kutter.

„Er ist fort“, zischelte man sich oben und unten in die Ohren, bis sogar Korporal Vanspitter davon Kunde erhielt. Er hatte sie von einem Seesoldaten, dieser berief sich auf einen Kameraden, der Kamerad auf einen Matrosen, und so verfolgte der unermüdliche Korporal das Gerücht bis auf Smallbones, weshalb er sofort Anlaß nahm, die Sache pflichtgemäß Herrn Vanslyperken zu melden. Er stieg nach der Kajüte hinunter und klopfte.

Inzwischen hatte Vanslyperken seiner üblen Laune gegen Smallbones Luft gemacht, indem er, sobald er sein schöneres Ich wieder in die Kommode eingeschlossen, den armen Jungen mit einer ungewöhnlichen Quantität von Fußstößen regalierte und ihm zugleich mit dem in der Scheide befindlichen Säbel einen schweren Schlag auf den Kopf versetzte. Dieser aber wiederholte in seinem Innern Trostes halber nur die magischen Worte: „Er ist fort!“

„Mit Erlaubnis, Sir“, sagte Korporal Vanspitter, „ich habe durch die Schiffsmannschaft erfahren, daß der Hund fort ist.“

„Ich weiß das, Korporal“, erwiderte Vanslyperken.

„Und, Sir, die Aussage ist von Smallbones ausgegangen.“

„Wirklich? So hast also du ausgesagt, der Hund sei fort? Sprich, Spitzbube, wo ist er?“

„Mit Erlaubnis, ich sagte, der Hund sei fort, und das ist wahr, aber es ist mir kein Wörtchen davon über die Lippen gekommen, daß ich wisse, wo er ist — und ich weiß es auch nicht. Er ist fortgelaufen und wird wahrscheinlich morgen wieder zurückkommen.“

„Korporal Vanspitter, wenn der Hund morgen früh um acht Uhr sich nicht wieder an Bord einfindet, so werdet Ihr alles bereit halten, um diesen Schurken zu kielholen.“

„Ja, Mynheer“, entgegnete der Korporal, hochentzückt, daß es wieder etwas zu strafen gab.

Smallbones machte eine Jammermiene.

„Das ist sehr hart“, sagte er. „Ist’s denn meine Schuld, wenn der Hund vielleicht in den Kanal gefallen ist? Wenn Snarleyyow auf den Boden des Kanals kam, so ist das kein Grund, um mich unter dem Boden des Kutters durchziehen zu lassen.“

„Ja, ja“, erwiderte Vanslyperken. „Ich will dich lehren, Pflastersteine vom Kai herunterzuwerfen. Verlaß die Kajüte, Bursche.“

Smallbones, den das schuldige Gewissen bei Erwähnung der Pflastersteine erblassen ließ, zog sich eilig zurück, und Vanslyperken begab sich zu Bette, um von Rache zu träumen.

Der Höllenhund

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