Читать книгу Der Höllenhund - Фредерик Марриет - Страница 13
11. Kapitel
ОглавлениеWelche Abenteuer Snarleyyow nach dieser ärgerlichen Einmengung in die Spekulationen seines Gebieters auf die Witwe erlebte, bis er in das Fleischboot an Bord des Kutters gelangte, vermögen wir nicht zu berichten, obschon wohl angenommen werden darf, daß er nicht die ganze Nacht verbringen konnte, ohne sich da oder dort unangenehm zu machen. Die Witwe Vandersloosch schlief in jener Nacht nur wenig. Ihre Seele brütete Rachegedanken, aber trotz des Schmerzes, den die Bisse des Hundes veranlaßten, verlor sie doch ihr Geschäft nicht aus dem Auge. Die Kundschaft der Kuttermatrosen war nicht zu verachten, und wenn sie hieran dachte, wurde sie allmählich ruhiger. Noch vor dem Morgen war sie zu einem Entschlusse gekommen.
Aber wir müssen an Bord zurück, wo wir eine fast ebenso große Verwirrung wie am Lande finden. Snarleyyows Wiedererscheinen wurde als übernatürlich betrachtet, denn Smallbones hatte umständlich erzählt, in welcher Weise er den Hund in die Brotsäcke band und in den Kanal warf. Obadiah Coble zuckte die Achseln, während er eine Extratabakrolle in den Mund steckte — Dick Kurz wandelte schweigsamer als je mit zusammengepreßten Lippen umher — Jansen schüttelte den Kopf, indem er vor sich hinmurmelte: „der Hund ist kein Hund“ — und Spurey mußte der Schiffsmannschaft wieder die Legende erzählen, auf welche Art die Bestie an Bord des Schiffes gekommen war. Die einzigen Personen, welche ihren Mut nicht verloren zu haben schienen, waren Jemmy Entenbein und der junge Smallbones, der in seiner Hängematte lag, um sich von seiner Erkältung zu erholen. Der erstere sagte: „Müßten sie mit dem Teufel segeln, so sei das nicht zu ändern.“ Smallbones jedoch, der seine ganze Fassung wieder gewonnen hatte, legte das Gelübde ab, er wolle nie in seinen Versuchen aufhören, diesen Hund oder Teufel zu vernichten, denn wenn er wirklich der Teufel oder einer von seinen Kobolden sei, so habe er die Christenpflicht, sich ihm entgegenzusetzen, um so mehr, da ihm ja doch keine bessere Behandlung zuteil werde, wenn er die Bestie ungeschoren lasse.
Das Schneegestöber währte fort, und die Mannschaft blieb im Schiffe unten, den einzigen Jemmy Entenbein ausgenommen, der sich an die Leeseite des Kuttermastes lehnte und unter dem fallenden Schnee in langsamer Melodie folgendes Liedchen sang, welches ihm wahrscheinlich der Zustand des Wetters ins Gedächtnis gerufen hatte:
Am Landungsplatz unter Mount Wyse,
Da lehnt’ die arme Poll,
Sie lehnt am Schilderhause,
Die Augen tränenvoll.
Es war ein wind’ger Christtag:
Sie deckt mit der Schürz’ den Arm,
Um sich im Schneegestöber
Ein bißchen zu halten warm.
Und Gret’ und Marei,
Die stehen dabei —
Sie schaudern an ihrer Seit’,
Und sehen stumm
Und traurig sich um,
Bewachend die Ebbezeit.
Poll stemmt die Arm’ in die Hüft’:
Sieht am Admiralshaus hinauf
Und läßt den Gedanken voll Gift,
Den verhaltenen, freien Lauf.
Du schicktest das Schiff hinaus in den Sturm,
Daß in Riffen es werde verklammt;
So hör’ denn mein Sprüchlein, du alter Wurm:
Admiral, dafür sei verdammt!
Wer hörte je, daß am Christfest
Fregatten segelten aus
Zum Dienst, wenn’s schneit und stürmet
Und hagelt, daß es ein Graus!
Ich wollt’, ich hätt’ deinen Rücken,
Den krummen, in der Macht;
Ich lederte ihn mit dem Schürer,
Daß du mir schrie’st Weh und Ach!
Die Marei und Gret’
Da neben mir stehn —
Sie schaudern an meiner Seit’,
Und sehen stumm
Und traurig sich um
Und bewachen die Ebbezeit.
Poll stemmt die Arm’ in die Hüft’,
Sieht am Admiralshaus hinauf
Und läßt den Gedanken voll Gift,
Den verhaltenen, freien Lauf.
Ich wette darauf, ein brennend Feu’r
In deiner Zeh dir flammt;
So hör’ mein Sprüchlein, du Ungeheu’r:
Admiral, sei auf immer verdammt!
Ich hatte das Mehl, die Rosinen —
Kurz, alles hübsch zugericht’;
Jetzt ist das Weihnachtsmahl uns
So elendlich zernicht’t.
Die Ohrring’ gingen in Pfandstall
Für Fleisch, im Gewicht wohl ein Stein!
Doch mein Liebster ist jetzt auf dem Meere,
Und ich bin verlassen — allein.
Die Marei und Gret’
Da neben mir steht —
Sie schaudern an meiner Seit’,
Und sehen stumm
Und traurig sich um,
Bewachend die Ebbezeit.
Poll stemmt die Arm’ in die Hüft’,
Sieht am Admiralshaus hinauf
Und läßt den Gedanken voll Gift,
Den verhaltenen, freien Lauf.
Du hast wohl mit dem Truthahn schon
Den Wanst dir voll gerammt;
So hör’ mein Sprüchlein, Hurensohn:
Admiral, sei für immer verdammt!
Gewiß kann keiner kochen
Sein Mahl in des Sturmes Gebraus,
Und roh sein Fleisch verzehren?
Welch’ ekler Weihnachtsschmaus!
Doch kommt nach Haus, ihr Mädchen;
Da hilft kein Warten mehr.
Vielleicht bringt nächste Weihnacht
Uns bessere Bescher.
Die Marei und Gret’,
Kommt mit und geht,
Müßt nicht frieren an meiner Seit’.
Seht euch nicht so stumm
Und traurig um;
Die Ebbe trug sie schon weit.
Poll stemmt die Arm’ in die Hüft’,
Sieht am Admiralshaus hinauf
Und läßt den Gedanken voll Gift,
Den verhaltenen, freien Lauf.
Sie haben wohl nichts als ein Kalbfleischgericht,
Während voll dein Wanst gerammt;
So hör’ unser Sprüchlein, alter Wicht:
Admiral, sei dafür verdammt!
„Mein Gott, das ist ja helle Meuterei, Mynheer Schemmy Hentenbein“, bemerkte Korporal Vanspitter, der, von Jemmy unbeachtet, aufs Deck gekommen war und dem Liede zugehört hatte.
„So, ist’s Meuterei?“ entgegnete Jemmy. „Nun, dann geht hin und berichtet auch dieses:
So hör’ mein Sprüchlein, langer Tropf:
Korporal, sei für immer verdammt!“
„Das ist besser und besser, wollte sagen, schlimmer und schlimmer“, erwiderte der Korporal.
„Seht Euch vor, daß ich Euch nicht über Bord werfe“, brauste Jemmy in seinem Zorne auf.
„Das ist noch das allerschlimmste“, sagte der Korporal, indem er nach dem Hinterschiffe stampfte und es Jemmy Entenbein überließ, den Gang seiner eigenen Gedanken zu verfolgen.
„Jemmy, der durch den Korporal aufgestört worden war und nun fühlte, daß sich der Schnee reichlich in seinem Genicke angesammelt hatte, meinte, er könne nun ebensogut in den Raum hinuntergehen.
Der Korporal erstattete seine Meldung, Herr Vanslyperken machte seine Bemerkungen darüber, obschon er es hiebei bewenden ließ, weil er wohl sah, daß eine Kleinigkeit eine allgemeine Meuterei hervorrufen konnte. Snarleyyows Wiedereintreffen tröstete ihn, und ohne sich nur entfernt träumen zu lassen, was in der Nacht vorgegangen war, nahm er sich vor, der Witwe seine Aufmerksamkeit zu beweisen, indem er sich nicht einmal durch das Schneegestöber von einem Besuche abhalten ließ. Nachdem er zuerst seinen Hund in die Kajüte gesperrt und den Schlüssel dem Korporal anvertraut hatte, begab er sich an Land und erschien vor der Tür der Witwe, welche durch Babette geöffnet wurde. Das Mädchen versperrte den Eingang mit ihrer Person und wartete nicht, bis Vanslyperken zu sprechen begann.
„Mynheer Vanslyperken, Ihr könnt nicht hereinkommen, Frau Vandersloosch ist sehr krank und liegt zu Bette. Der Doktor sagt, es sei ein sehr schlimmer Fall und hat ihr verboten, Besuche anzunehmen.“
„Krank?“ rief Vanslyperken. „Eure teure, bezaubernde Gebieterin krank? Gütiger Himmel! Was fehlt ihr denn, meine liebe Babette?“ versetzte Vanslyperken, indem er ganz das Interesse eines zärtlich besorgten Liebhabers zur Schau stellte.
„Ihr seid allein daran schuld, Herr Vanslyperken“, versetzte Babette.
„Ich?“ rief Vanslyperken.
„Ja, oder Euer garstiger Köter, was dasselbe ist.“
„Mein Hund? Ich wußte nicht, daß er hier zurückgeblieben war“, entgegnete der Leutnant. „Aber seid so gut, Babette, mich einzulassen, denn es schneit gewaltig und — —“
„Und Ihr dürft nicht herein, Herr Vanslyperken“, erwiderte Babette, ihn zurückdrängend.
„Gütiger Himmel! Was gibt es denn?“
Babette erzählte nun, was vorgegangen war, und da dies mit großem Wortreichtum geschah, so war Herr Vanslyperken, noch ehe sie damit zu Ende kam, auf seiner Windseite ganz eingeschneit. Zur Bekräftigung ihrer Angabe zog sie ihre wollenen Strümpfe herunter und zeigte die Wunden, welche sie in dem Kampfe der letzten Nacht als ihren Anteil erhalten hatte. Mit diesem Tatsachenbeweise entledigte sich Babette des Auftrages ihrer Gebieterin, des Inhalts, daß Herr Vanslyperken nicht eher wieder eingelassen werden solle, bis Snarleyyows Leichnam auf der Schwelle, wo sie jetzt ständen, niedergelegt sei. Nach dieser Erklärung schlug das Mädchen, dem eine Unterhaltung bei reichlich fallendem Schnee nicht sonderlich behagte, gar unhöflich Herrn Vanslyperken die Türe vor der Nase zu und überließ es ihm, die Mitteilung mit möglichst gutem Appetit zu verdauen.
Trotz des kalten Wetters eilte der Leutnant in lodernder Leidenschaft von dem Hause weg. Der Schweiß stand auf seinem Gesichte und mischte sich mit dem schmelzenden Schnee. „Sein oder Nichtsein!“ die Witwe aufzugeben oder seinen teuren Snarleyyow, einen Hund, den er umsomehr liebte, je mehr er durch ihn in Verdrießlichkeiten kam — einen Hund, der ihm besonders teuer war, weil ihn jedermann haßte — einen Hund, der keine einzige ansprechende Eigenschaft besaß und ihm daher besonders wert war — einen Hund, der von aller Welt angegriffen wurde, namentlich aber von jener Vogelscheuche, dem Smallbones, für den sein Tod ein Triumph sein würde — nein, das war unmöglich. Aber dann die Witwe mit ihren vielen Gulden in der Bank, und einem so guten Einkommen von dem Lusthause, welches er im Geiste schon für sein Eigentum hielt! Es war der Hafen, den er sich schon lange als Ziel vorgesteckt hatte — er konnte die Hoffnung nicht aufgeben.
Und doch mußte eines von beiden geopfert werden. Eines? Nein, er konnte sich nicht dazu entschließen. „Da fällt mir ein Ausweg ein“, dachte er. „Ich will die Witwe auf den Glauben bringen, ich habe den Hund töten lassen, und bin ich dann einmal in ihrem Besitz, so soll der Hund wieder zurückkommen. Unterstehe sie sich dann nur ein Wort zu sagen!“
Diesen Entschluß hatte Herr Vanslyperken gefaßt, als er wieder zu seinem Boote zurückkehrte. Seine Träumerei wurde jedoch durch den heftigen Anprall seiner Nase gegen einen Laternenpfahl unterbrochen — ein Umstand, der seine Stimmung nicht eben verbesserte.
„Ja, ja, Frau Vandersloosch, wir wollen sehen“, murmelte Vanslyperken. „Du möchtest also meinen Hund tot haben, he? Warte nur, du sollst mir ein Hundeleben führen, Frau Vandersloosch, wenn ich dich einmal habe. Du hast mir meinen Zwieback abgegaunert.“
Herr Vanslyperken trat in sein Boot und ließ dem Kutter zu rudern.
Bei seiner Ankunft fand er, daß während seiner Abwesenheit ein Bote an Bord gewesen war, welcher Briefe von Sr. Majestät liebevollen Verwandten und die Weisung überbracht hatte, daß er unverweilt mit denselben abreisen solle. Dies stand ganz im Einklange mit Vanslyperkens Plane. Er schrieb einen langen Brief an die Witwe, in welchem er sich bereit erklärte, ihr jedes Opfer zu bringen und nicht nur seinen Hund, sondern, wenn sie es wünsche, sogar sich selbst aufzuhängen. Zugleich bedauerte er den unvorhergesehenen Aufbruchsbefehl und deutete die Hoffnung an, sie nach seiner Rückkehr in einer freundlicheren Stimmung zu treffen.
Die Witwe las den Brief und warf ihn mit dem Ausrufe ins Feuer: „Faule Fische! Ich bin nicht erst seit gestern auf der Welt, wie es im Sprichwort heißt.“