Читать книгу Der Höllenhund - Фредерик Марриет - Страница 8
6. Kapitel
ОглавлениеUngeachtet aller Vorsichtsmaßregeln, welche die Gesellschaft in der Back getroffen, war diese Beratung von keiner geringeren Person, als von dem riesigen Korporale Vanspitter belauscht worden, denn dieser hatte sich gedacht, daß etwas im Vorderschiffe vorgehe, weshalb er unter dem Bollwerk weiter gekrochen war, um sich auf dem Fockstagsegel auszustrecken, das zwischen zwei Kanonen lag. Er hatte hierzu den Augenblick gewählt, als die Matrosen eben mit gespannter Aufmerksamkeit auf Bill Spureys Legende von dem ersten Erscheinen des Hundes an Bord lauschten, und da es ihm so weit gelungen war, unbemerkt näher zu kommen, warf er einen Teil des Segels über seinen wohlgemästeten Körper und blieb während des übrigen Gesprächs unentdeckt. Er hörte die Leute hinuntersteigen und verhielt sich noch immer ruhig, bis er glaubte, daß die Back völlig leer sei.
In der Zwischenzeit brütete Herr Vanslyperken, der ohne seinen treuen Begleiter auf dem Hinterdecke auf und ab ging — denn Snarleyyow lag zusammengekauert auf dem Bette seines Gebieters — in tiefen Gedanken, wie er die zwei mächtigsten Leidenschaften unserer Natur, seine Liebe und seinen Haß, befriedigen könne, das eine Mal an die schöne und wohlbeleibte Frau Vandersloosch samt ihren Gulden denkend, das andere Mal sich den verhungerten Smallbones und die Annehmlichkeiten des Kielholens ins Gedächtnis rufend. Die lange Unterhaltung in der Back war dem Falkenauge des Leutnants nicht entgangen. Als die Matrosen sich hinunter begaben, ging er nach dem Vorschiff, um zu sehen, ob er nicht einen Nachzügler aufgreife, welcher, der Unterstützung seiner Kameraden beraubt, durch Furcht veranlaßt werden konnte, ihm den Gegenstand der Verhandlung mitzuteilen. In demselben Augenblicke, in welchem Herr Vanslyperken auf dem Vorderschiff erschien, hatte Vanspitter das Segeltuch abgestreift und war im Begriff, sich von seinem Lager zu erheben. Er erkannte den Leutnant nicht sogleich, weshalb er sich wieder niederließ und das Tuch über sich zog. Herr Vanslyperken bemerkte dieses Manöver und glaubte nun steif und fest, einen der Verschwörer ertappt zu haben. Herr Vanslyperken ging nach der Stelle hin, wo der Korporal so still, aber nicht ganz so klein, wie ein Mäuschen lag. Da legte nun Herr Vanslyperken sein Sprachrohr beiseite, blickte umher, las seine Handspake auf, erhob sie und ließ sie mit der ganzen Kraft seines Armes niederfallen, so daß der Kopf des Vanspitter wie eine ungeheure Kesselpauke erdröhnte.
„Donner und Flammen!“ brüllte der Korporal unter dem Segeltuch hervor, denn er meinte, einer der Matrosen habe sein Lauschen entdeckt und unter dem Vorwande, als kenne er ihn nicht, von der Bedeckung Vorteil gezogen, um sein Mütchen zu kühlen. „Donner und Flammen!“ brüllte er, noch immer in das Segeltuch gehüllt, aus dem er sich loszuwinden bemüht war.
Aber der Leutnant erkannte die Stimme nicht, und ehe sich sein Opfer der Umhüllung entledigen konnte, war die Handspake wieder auf dessen Kopf niedergefallen. Als sich endlich der Korporal wie ein Büffel aus seinem Schlammlager, von dem letzten Schlage fast geblendet, erhob, stürzte er auf den Leutnant zu und schleuderte seinen Befehlshaber köpflings die Vorderluke hinunter.
Vanslyperken lag, von der Gewalt des Sturzes beträubt, regungslos an der Treppe, während der Korporal sich um und um drehte, wie ein Stier, der sich nach Angreifern umsieht. Er hatte jedoch das Vorderkastell ganz allein für sich, und als er sich allmählich abkühlte, sah er dicht neben sich das Sprachrohr seines Vorgesetzten liegen.
„Tausend Teufel“, murmelte Korporal Vanspitter, „es muß der Leutnant gewesen sein. Gott verdamm’s, das ist Galgenarbeit!“
Sobald er seinen Irrtum eingesehen hatte, wurde er so kalt wie eine Gurke. Er zitterte und bebte in seinem Fette.
„Aber vielleicht hat er mich nicht erkannt“, dachte er. „Nein, gewiß nicht, denn mich würde er zuverlässig nie gehandspakt haben.“
Korporal Vanspitter begab sich sodann die Luke hinunter, wo er sich davon überzeugte, daß sein Kommandeur besinnungslos dalag.
„Das ist gut“, dachte er und begab sich nach dem Hinterschiffe, wo er seine Laterne anzündete und den Kunstgriff gebrauchte, daß er an die Kajütentüre klopfte. Da er keine andere Antwort als ein Knurren von seiten Snarleyyows erhielt, ging er hinein, stieg dann nach dem Halbdecke hinauf, sah sich um und fragte den Mann am Steuer, wo Herr Vanslyperken sei. Der Befragte antwortete, er sei vor einigen Minuten nach dem Vorderschiffe gegangen, weshalb der Korporal seine Schritte dahin lenkte. Natürlich fand er ihn nicht. Er kehrte zurück, um dem Manne am Steuer zu sagen, der Leutnant sei weder in der Kajüte noch in der Back — er könne daher nicht begreifen, wo er sein möge. Dann stieg er zu Dick Kurz, dem nächsten Offizier im Kommando, hinunter und rief ihn an.
„Nun?“ fragte Kurz.
„Ich kann Herrn Vanslyperken nirgends finden“, versetzte der Korporal.
„Sucht ihn“, versetzte Dick, sich in seiner Hängematte umdrehend.
„Mein Gott, ich habe in der Back, auf dem Halbdeck und in der Kajüte nachgesehen, er ist nirgends.“
„Über Bord“, entgegnete Dick.
„Ich kam zu Euch, Sir, um Weisung einzuholen“, sagte der Korporal.
„Heraus also“, erwiderte Dick, indem er im Hemde auf das Deck sprang.
Während Kurz sich ankleidete, bot der Korporal seine Seesoldaten auf, und der dadurch veranlaßte Lärm wie auch das Gespräch, welches von den noch nicht Schlafenden gehört worden war, bedeutete der Kuttermannschaft bald, daß dem Kommandeur ein Unfall zugestoßen sein müsse. Sogar Smallbones hatte man ins Ohr geflüstert, Herr Vanslyperken sei über Bord gefallen, und er lächelte im Dunkeln trotz des Schmerzes seiner Wunden, indem er vor sich hinmurmelte, Snarleyyow solle seinem Gebieter bald folgen. Mittlerweile hatte sich Kurz auf dem Hinterdecke eingefunden. Korporal Vanspitter aber, der recht wohl wußte, wo nachzusehen war, hatte zum großen Ärger der Mannschaft Herrn Vanslyperkens Körper aufgefunden. Die Seesoldaten brachten ihn nach der Kajüte und wollten ihn auf sein Bett legen, wurden aber von dem gefühllosen Snarleyyow aufs entschiedenste daran gehindert.
Kurz kam herunter und untersuchte seinen vorgesetzten Offizier.
„Ist er tot?“ fragte der Korporal in größter Unruhe.
„Nein“, versetzte Kurz.
„Aber was ist denn mit ihm?“ fragte der Korporal.
„Betäubung“, antwortete Kurz.
„Mein Gott! Wie mag sich dies zugetragen haben?“
„Heruntergestürzt“, entgegnete Kurz.
„Aber was sollen wir mit ihm anfangen, Sir?“ erwiderte der Korporal.
„Ins Bett“, sagte Kurz, sich umwendend und nach seiner Hängematte gehend.
„Mein Gott, man kann ihn ja wegen des Hundes nicht ins Bett bringen“, rief der Korporal.
„Legen wir ihn nur hinein“, sagte einer der Seesoldaten. „Der Hund wird seinen Herrn nicht beißen.“
Die Seesoldaten erhoben daher den immer noch besinnungslosen Vanslyperken und warfen ihn geradewegs auf den knurrenden Hund, welcher sich, sobald er die Last abgewälzt hatte, dadurch für diese Unbill rächte, daß er seine Zähne mehr als einmal in die Backen seines Gebieters schlug, dann von dem Bette heruntersprang und sich knurrend unter dem Tisch versteckte.
„Ha, du bist mir ein sauberer Hund!“ rief einer der Seesoldaten, Snarleyyow nachsehend.
An Bord eines so kleinen Schiffes befand sich in der Regel kein Wundarzt. Herrn Vanslyperken war zwar eine kleine Menge von Arzneien, Salben und dergleichen vorgeschrieben, aber er pflegte sie stets an einen Apotheker zu verkaufen, sobald er sie von der betreffenden Behörde gefaßt hatte. Die Zähne des Hundes hatten übrigens ihre Wirkung getan, Herr Vanslyperken öffnete seine Augen mit dem matten Ausrufe „Snarleyyow“.
Oh, hätte der Hund auch nur einen Funken von Gefühl gehabt, wie bittere Vorwürfe würde ihm sein Gewissen über die Undankbarkeit gegen einen so gütigen Gebieter gemacht haben! Aber er zeigte keinerlei Reue.
Korporal Vanspitter zitterte ein wenig, als der Befehlshaber seine Augen auf ihn heftete, und verdoppelte seine Aufmerksamkeit.
„Mein Gott, Mynheer Vanslyperken, wie ist denn dies zugegangen?“ rief der Korporal pathetisch.
Der Leutnant befahl nun, daß alle, mit Ausnahme des Korporal Vanspitter, die Kajüte verlassen sollten, und teilte seinem Freunde mit, er sei, als er nach dem Vorderschiff gegangen, von einem der Matrosen durch die Luke hinuntergestoßen worden. Soviel er der Größe nach zu unterscheiden vermocht habe, müsse es Jansen gewesen sein. Korporal Vanspitter war hoch erfreut, seinen Befehlshaber auf der falschen Witterung zu finden, und bekräftigte durch seine Ansicht die des Leutnants, worauf eine lange Besprechung über Meuterei, Unzufriedenheit und die dagegen einzuschlagenden Maßregeln abgehalten wurde. Vanslyperken berührte die Zusammenrottung der Matrosen während der ersten Wache, und der Korporal war hocherfreut, sich die Gunst seines Leutnants dadurch zu gewinnen, daß er die Einzelheiten des Gehörten mitteilte und zugleich beifügte, daß er sich zum Zwecke des Lauschens verborgen habe.
„Und wo habt Ihr Euch verborgen?“ fragte Vanslyperken mit einem spähenden Blicke, denn es fiel ihm ein, daß es für einen so ungeheuer großen Mann kaum einen anderen Lauschwinkel geben konnte als das Segel.
Der Korporal zerstreute jedoch sehr gewandt die Bedenken seines Vorgesetzten, indem er angab, er sei auf der unteren Stufe der Fockleiter gestanden und habe den Kopf in gleicher Höhe mit den Lukenkämmen gehalten. Dies stellte das Vertrauen zwischen beiden wieder her.