Читать книгу Der Höllenhund - Фредерик Марриет - Страница 12
10. Kapitel
ОглавлениеEs wird nötig sein, auseinanderzusetzen, wie das Leben unseres gefeierten Köters erhalten wurde. Als ihn Smallbones, in sein vermeintliches Leichentuch eingebunden, in den Kanal warf, waren, wie Herr Vanslyperken richtig bemerkte, Leute unten, auf welche der angebliche Pflasterstein recht gut hätte fallen können. Die Stimmen, welche sich vernehmen ließen, waren die eines Vaters und eines Sohnes, welche in einem kleinen Boote von einer Galiote nach den Stufen hinruderten, wo sie zu landen gedachten. Der Sack fiel nur einige Ellen von dem Boote nieder, das Klatschen weckte natürlich ihre Aufmerksamkeit, er sank nicht augenblicklich, denn Snarleyyow zappelte und kämpfte so, daß er sich teilweise über dem Wasser erhielt.
„Was ist dies?“ rief der Vater seinem Sohne zu.
„Mein Gott, wer kann das wissen — aber wir wollen sehen.“
Der Sohn griff nun nach dem Bootshaken und zerrte den Sack heran, als er eben sinken wollte, denn Snarleyyows Kräfte hatten sich erschöpft. Die beiden Männer zogen nun die Prise ins Boot.
„Es ist ein Hund oder so etwas“, bemerkte der Sohn.
„Ganz recht, aber die Brotsäcke sind noch brauchbar“, versetzte der Vater, während sie auf den Landungsplatz zuruderten.
Dort angelangt, hoben sie die Säcke heraus und legten sie auf die Steintreppen. Sie banden die Öffnung auf und fanden, daß Snarleyyow Zeichen des wiederkehrenden Lebens von sich zu geben begann. Der Hund wurde herausgeschüttelt und auf den Treppen gelassen. Bald nachdem sie sich mit den Säcken entfernt hatten, erholte sich der Köter so weit, um wieder auf den Beinen stehen zu können, und als er wieder laufen konnte, begab er sich nach dem Hause der Witwe Vandersloosch, wo er um Einlaß heulte. Die Frau hatte sich schon nach ihrem Schlafgemach zurückgezogen und las eben in ihrem Gebetbuche, wie jedermann tun sollte, der den ganzen Tag über die Leute betrogen hat. Wie sie eben im Begriff war, ihr Licht zu löschen, begrüßte die Serenade ihr Ohr, und zwar in immer gräßlicheren Tönen, je mehr der Hund zu Kräften kam.
Babette schlief bereits und konnte nur mit Mühe zu dem Auftrage, den Köter fortzujagen, geweckt werden. Sie versuchte, diesen Dienst zu verrichten, indem sie sich mit dem Besen bewaffnete, aber sobald sie die Tür öffnete, schlüpfte ihr Snarleyyow zwischen die Beine und warf sie auf das Pflaster nieder. Das Mädchen schrie, weshalb ihre Gebieterin in den Flur herauskam. Da nun der Hund nicht in das Wohnzimmer hinein konnte, so schoß er die Treppe hinauf, schnappte im Vorbeistürzen nach der Witwe und sicherte sich eine Lagerstätte unter ihrem Bette.
„O mein Gott! Es ist der Hund des Leutnants!“ rief Babette, welche jetzt ganz zerzaust mit dem Besen in der Hand heraufkam. „Was sollen wir anfangen — wie können wir ihn fortbringen?“
„Mögen den Leutnant mit seinem garstigen Hunde tausend Teufel holen!“ rief die Witwe in großem Zorn. „Sie sollen mir zum letzten Male ins Haus gekommen sein. Versuch’s mit deinem Besen, Babette — stoße nur tüchtig nach ihm.“
„Ja, Madam“, versetzte Babette, aus Leibeskräften auf den Hund unter dem Bette losstoßend, während dieser den Besen mit seinen Zähnen faßte und mit Babette daran zerrte. Es folgte nun ein Messen der Kräfte zwischen dem Mädchen und Snarleyyow — Babette zog hin — der Hund zog her— den einen Augenblick verschwand der Besen mit zwei Dritteilen des Stiels unter dem Bette, und im nächsten gewann das Mädchen ihren verlorenen Grund wieder. Snarleyyow wurde endlich des Kampfes satt, er ließ, um zu beweisen, daß er nicht daran dachte, seine Stellung aufzugeben, den Besen los, stürzte gegen Babettens nackte Beine, schlug seine Zähne halb durch ihren Knöchel, und kehrte knurrend nach seinem früheren Schlupfwinkel zurück.
„O mein Gott!“ rief Babette, indem sie ihren Besen fallen ließ und das Fußgelenk mit beiden Händen hielt.
„Was sollen wir tun?“ rief die Witwe, ihre Hände ringend.
Es war in der Tat ein schwieriger Fall. Mynheer Vandersloosch war, solange er noch in diesem Tränentale weilte, eine ebenso schwere Person als die Witwe selbst gewesen, daher das Bett eine ungewöhnliche Breite besaß, denn die gute Frau hatte es für ihren eigenen Gebrauch beibehalten, weil sie nicht wußte, ob sie sich nicht wieder bewegen ließ, in den Ehestand zu treten. Es nahm mehr als die halbe Zimmerbreite ein, der Hund hatte daher eine Position gewonnen, aus der ihn zwei Frauenzimmer nicht so leicht verdrängen konnten. Da er obendrein unter dem Bette fortwährend kläffte und knurrte, so stieg der Grimm der Witwe, welche schaudernd dastand, immer mehr und mehr, hauptsächlich den Herrn des Tieres zu seinem Gegenstand nehmend. Sie gelobte sich im Geiste, so wahr der Hund unter dem Bett sei, so wahr solle dessen Gebieter nie in dasselbe kommen.
Auch Babettens Zorn loderte hell auf, sobald der Schmerz des Bisses ein wenig nachgelassen hatte. Sie griff abermals nach dem Besen und stieß so wütend nach Snarleyyow, daß dieser nicht mehr mit seinen Zähnen Besitz davon nehmen konnte. Die Tür des Gemaches stand offen, damit der Hund hinaus könne, desgleichen auch die Haustür. Die Witwe stand zu den Füßen des Bettes und wartete, ob Babettes kräftiger Angriff nicht eine entsprechende Wirkung hervorrufe, aber die Folgen waren ganz anders. Der Hund wurde immer wütender, sprang endlich nach dem unteren Teile des Bettes und stürzte auf die Witwe los, wobei er ihr nicht nur das Kleid zerriß, sondern sie auch in das Bein biß. Frau Vandersloosch schrie und taumelte. Dabei fiel sie gegen die halboffene Tür, schlug sie mit dem Gewichte ihres Körpers zu und brach kreischend zusammen. Snarleyyow hätte jetzt wahrscheinlich Reißaus genommen, als er aber sah, daß seine Flucht in dieser Weise verhindert war, zog er sich wieder unter das Bett zurück, von wo aus er einen neuen Angriff auf Babettens Beine machte.
Es scheint, daß das, was durch den vereinigten Mut der beiden Frauenzimmer nicht bewirkt werden konnte, endlich durch ihre vereinigte Flucht erzielt wurde. Die Witwe half sich, sobald sie konnte, wieder auf die Beine und öffnete zuerst die Tür, um hinauszueilen, aber ihr Nachtkleid war vorn ganz in Fetzen zerrissen. Sie betrachtete ihren Zustand — ihre Züchtigkeit überwältigte jedes andere Gefühl, so daß sie in Tränen ausbrach. Mit dem Ausruf: „O Vanslyperken! Vanslyperken!“ warf sie sich in ihren Todesnöten mitten auf das Bett. In demselben Augenblicke bearbeiteten die Zähne des Hundes auf’s neue Babettens Knöchel. Das Mädchen schrie gleichfalls und warf sich über ihre Gebieterin auf das Bett. Es war ein gutes Bett und hatte jahrelang seinen Dienst getan, aber man kann auch ein Bett überladen, und dies bewies sich in dem gegenwärtigen Falle. Die vereinigte Last der Gebieterin und des Dienstmädchens wirkte mit einem solchen Nachdrucke, daß dagegen nicht standzuhalten war, die Tragbänder wichen, und die Matratze, auf welcher die beiden lagen, fiel auf den Boden hinunter.
Dieses Unglück gereichte jedoch zu ihrer Rettung, denn die Matratze traf bei ihrem Niederstürzen auch Snarleyyow. Es gelang dem Hunde, seine Lenden frei zu machen, da er sonst erdrückt worden wäre, aber nicht so gut gelang ihm dies mit seinem langen schäbigen Schwanze, der nun in einer neuen Art von Falle fest eingeklemmt war, in welcher die breitesten Teile der Witwe als festhaltendes Werkzeug dienten. Snarleyyow zerrte und zerrte, aber vergeblich. Er war festgebannt und konnte sich auch nicht durch Beißen helfen, da die Matratze zwischen ihm und seinen Feindinnen lag. Er riß, heulte, bellte, drehte sich nach allen Seiten und kläffte. Wäre sein Schwanz nicht so zäh gewesen, so hätte er ihn vielleicht infolge seiner gewaltsamen Anstrengung zurücklassen müssen — aber nein, es war unmöglich. Babette, welche bald bemerkte, wie die Sachen standen, erhob sich, bat ihre Gebieterin, sich ja nicht zu rühren, griff nach dem Besen und hämmerte nun, ohne eine Wiedervergeltung besorgen zu müssen, aufs unbarmherzigste auf Snarleyyow los. Der Hund verdoppelte seine Anstrengungen, und da Babettens Gewicht entfernt war, so wurde es ihm endlich möglich, sein Anhängsel aus der Klemme zu ziehen. Wahrscheinlich fühlte er, daß er in diesem Hause auf keine angenehme Nachtruhe zu rechnen habe, weshalb er zur Tür hinaus, die Treppen hinunter und auf die Straße schoß. Babette jagte ihm nach, warf ihm noch auf der Schwelle den Besen an den Kopf und verriegelte dann die Tür.
„O diese Bestie!“ rief Babette, als sie atemlos wieder heraufkam. „Er ist endlich fort, Madam.“
„Ja“, versetzte die Witwe, sich nun mit Mühe aus der Höhlung aufrichtend, welche ihre Schwere in die Matratze gemacht hatte, „und — und seinem Herrn will ich auch den Laufpaß geben. Jawohl da — kommt der mir mit Liebeserklärungen — dieses Skelett — dieser ausgetrocknete Stockfisch! Wie mag er von Liebe sprechen und weigert sich, diese Bestie hängen zu lassen! Ach du mein Himmel! Gib mir nur etwas zum anziehen. Eines meiner besten Hemden ist in Fetzen — und an zwei Stellen hat er mich mit seinen garstigen Zähnen gebissen, Babette. Schon gut, Herr Vanslyperken — wir werden sehen — ich kümmere mich nicht um eine solche Kundschaft. Ich kann dir sagen, Vanslyperken, daß es dir nicht wieder so gut werden soll, auf meinem Sofa zu sitzen — umarme deinen garstigen Köter — der ist gut genug für dich — ja, ja, Herr Vanslyperken.“
Mittlerweile hatte Babette frische Leinwand herbeigeschafft, und sobald sich die Witwe darein gekleidet, stand sie von dem Bett auf, dessen zertrümmerter Zustand aufs neue ihre Entrüstung hervorrief. „Zweiunddreißig Jahre hat mir dieses Bett im Ehe- und Witwenstande gedient, Babette!“ rief Frau Vandersloosch. „Sechzehn Jahre schlief ich mit dem seligen Vandersloosch darin, und sechzehn Jahre diente es mir als einer verlassenen Witwe zur Lagerstätte — aber nie zuvor ist es zusammengebrochen. Wie soll ich heute nacht schlafen? Was soll ich anfangen, Babette?“
„Es war gut, daß es zusammenbrach, Madam“, versetzte Babette, welche sich mit der zerfetzten Haut an ihren Knöcheln abgab, „sonst hätten wir nie das garstige, bissige Untier aus dem Hause gebracht.“
„Schon gut — schon gut. Jawohl da, Herr Vanslyperken — sonst nichts, als dich heiraten! Ebenso gerne wollte ich deinen Köter nehmen.“
„Mein Gott!“ rief Babette. „Ich denke, Madam, wenn Sie ihn heiraten, so würden Sie den Meister bald so bissig finden wie den Hund. Aber ich muß das Bett wieder machen.“
Babette untersuchte nun den Schaden und fand, daß nur eines der Bänder gewichen war, auf welchem die Matratze lag. Hierüber konnte man sich nun nicht beklagen, da das Band zweiunddreißig Jahre gehalten hatte und es ihm daher nicht übel zu deuten war, wenn es nach einer so langen Periode einer ungewohnten Anstrengung nicht mehr standzuhalten vermochte. In einer Viertelstunde war alles in Ordnung gebracht. Die Witwe, welche die ganze Zeit über schimpfend in ihrem Stuhle gesessen hatte, begab sich, sobald Babette mit ihren Zurüstungen fertig war, mit den Worten zu Bette: „Jawohl da, Herr Vanslyperken — sonst nichts, als heiraten! Schon gut; wir wollen sehen. Warte nur bis morgen, Herr Vanslyperken.“