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12. Kapitel
ОглавлениеHerr Vanslyperken ist in seiner Kajüte, neben ihm sitzt Snarleyyow auf seinen Hinterbeinen, zu dem Gesichte seines Meisters aufblickend. Herr Vanslyperken befindet sich nichts weniger als in einer zufriedenen Stimmung; er zürnt der Witwe, der Schiffsmannschaft, dem Hunde und sich selbst. Der Groll gegen Snarleyyow ist jedoch bald beschwichtigt, denn er fühlt, daß ihn, wenn überhaupt etwas in der Welt, der Hund liebt — nicht gerade, daß dessen Zuneigung groß wäre, obschon nicht in Abrede gestellt werden kann, daß Snarleyyow jede andere Person haßt. Da nun das Leben des Köters mit Entschlossenheit von einer Person gefordert wurde, und ihm obendrein bekannt war, daß viele andere dem Tiere in Todfeindschaft nachstellten, so war Snarleyyow in den Augen seines Gebieters ein kostbares Kleinod geworden, so daß seine üblen Eigenschaften gar nicht in Betracht kamen oder im Gegenteil sogar als gewinnende Eigenschaften galten.
„Ja, mein armer Hund“, redete der Leutnant ihn an, „man trachtet dir nach dem Leben, jenes hartherzige Weib verlangt sogar, du sollest — tot auf ihrer Schwelle niedergelegt werden. Alles ist gegen dich verschworen, aber fürchte dich nicht, mein Hund, dein Herr wird dich gegen alle beschützen!“
Vanslyperken streichelte dem Tiere den Kopf, der nicht wenig von Babettens Besenstößen angeschwollen war. Snarleyyow rieb seine Nase an den Hosen seines Gebieters, richtete sich dann auf und legte seine Pfote auf dessen Knie. Diese Bewegung stellte den Kopf des Hundes mehr ins Licht, und Vanslyperken bemerkte, daß ein Auge geschwollen und geschlossen war. Er untersuchte es und fand zu seinem Entsetzen, daß es durch Babettens Besen verlorengegangen war. Hierüber konnte kein Zweifel obwalten, weshalb Herr Vanslyperken in immer größeren Zorn geriet.
„Daß doch alle Flüche der Ophthalmie diesen Kehrwisch träfen“, rief der Leutnant. „Ich wollte, ich hätte sie hier. Mein armer, armer Hund!“
Mr. Vanslyperken küßte den Schädel der Bestie und tat etwas, was nur nach einem solchen Vorgange möglich war — er weinte wahrhaftig wegen des Tieres, obschon es um seiner guten Eigenschaften willen nicht einmal einen Strick verdiente, um daran gehangen zu werden.
Dann zog der Leutnant die Klingel und bestellte warmes Wasser, um das Auge des Hundes damit zu baden. Korporal Vanspitter entsprach, da Smallbones in seiner Hängematte lag, der Aufforderung und berichtete, als er mit dem Wasser zurückkehrte, Herrn Vanslyperken die meuterischen Ausdrücke, die sich Jemmy Entenbein erlaubt hatte. Der Leutnant blinzelte zufrieden mit seinem kleinen Auge.
„Er hat also auf den Admiral geflucht? Welchen meinte er damit — den von Portsmouth oder Plymouth?“
Dies konnte Korporal Vanspitter nicht sagen, obschon er sich mit eigenen Ohren überzeugt hatte, daß Jemmy auf einen vorgesetzten Offizier fluchte, „und obendrein hat er auch mich verdammt“, fügte der Korporal bei.
Nun hatte aber Herr Vanslyperken einen bitteren Groll gegen Jemmy Entenbein, weil dieser die Gesellschaft unterhielt und der Leutnant es nicht leiden konnte, wenn jemand dazu beitrug, die Leute fröhlich zu machen. Aber er bedurfte auch eines Zieles, an dem er seine Wut auslassen konnte, weshalb er noch einige weitere Fragen an den Korporal stellte und ihn dann entließ. Sofort setzte er seinen Teerleinwandhut auf, steckte das Sprachrohr unter den Arm und begab sich nach dem Deck, wo er Vanspitter aufforderte, einen Seesoldaten mit dem Geschäfte zu beauftragen, das Auge seines Lieblingstieres ohne Unterlaß mit warmem Wasser zu baden.
Herr Vanslyperken blickte nach dem Windfange und bemerkte, daß das Wetter nicht günstig zur Ausfahrt war. Außerdem dunkelte es nach zwei Stunden, weshalb er beschloß, bis zum andern Morgen zu bleiben, zugleich aber auch Jemmy Entenbein zu züchtigen, obschon ihm dabei die Frage viel zu schaffen machte, ob er letzteres tun könne oder nicht. War James Salisbury ein Hochbootsmann oder nicht? Er bezog nur den Sold eines Bootsmannsgehilfen, stand aber in den Büchern stets als Hochbootsmann. Das war ein bedenklicher Punkt, die Waage stand so ziemlich im Gleichgewicht.
Herrn Vanslyperkens Wünsche gaben jedoch den Ausschlag, und er nahm sich vor, Jemmy Entenbein peitschen zu lassen, wenn er könne. Wir sagen, wenn er könne, denn die Admiralität übersah damals auch die tyrannische Bedrückung von seiten der Vorgesetzten, aber da sie keine Beschwerden anhören wollte, so war Insubordination eine nur zu häufige Folge der unmenschlichen Behandlung, welche sich die Kommandeure erlaubten.
Nachdem Herr Vanslyperken so weit mit sich einig geworden war, fuhr er fort zu erwägen, ob er Jemmy im Hafen oder nach der Ausfahrt solle peitschen lassen. Die Besorgnis, daß eine ernstliche Unruhe den Matrosen Anlaß geben könnte, das Schiff zu verlassen, bewog ihn, die Züchtigung auf die Zeit zu verschieben, wenn sie das blaue Wasser unter sich hätten. Seine Gedanken kehrten sodann zu der Witwe zurück. Er ging auf dem Deck hin und her, ballte seine Fäuste in den Taschen seines Überrocks, und diejenigen, welche in seiner Nähe standen, hörten ihn mit den Zähnen knirschen.
Inzwischen hatte sich durch den Seesoldaten, welcher aus der Küche neuen Vorrat warmen Wassers holte, die Kunde verbreitet, daß der Hund um eines seiner Augen gekommen sei — eine Nachricht, welche die Schiffsmannschaft mit großer Freude erfüllte. Sie machte die Runde wie ein Lauffeuer, man konnte allen die Wonne ansehen, weil diese einfache Tatsache den Aberglauben beseitigte, daß die Bestie ein übernatürliches Wesen sei. Noch niemand hatte davon gehört, daß dem Teufel ein Auge ausgeschlagen worden sei — ergo konnte der Hund kein Teufel oder ein sonstiger Spuk sein. So argumentierten die Matrosen, und Jansen schloß mit der Bemerkung, „daß der Hund am Ende doch ein Hund sei.“
Vanslyperken kehrte nach seiner Kajüte zurück und vertraute den Entschluß, den er gefaßt hatte, dem Korporal Vanspitter an. In dem gegenwärtigen Falle verhielt sich übrigens der Korporal nicht ganz so schweigsam, wie es eigentlich seine Pflicht war, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil er Jemmy Entenbein ebensowenig leiden konnte als sein Leutnant. Hochentzückt über den Gedanken, Jemmy peitschen zu dürfen, teilte er die Absicht des Leutnants dem Seesoldaten mit, welcher bei ihm am besten angeschrieben war, dieser vertraute das Geheimnis einem andern, und nach fünf Minuten war es durch den ganzen Kutter bekannt, der kleine Hochbootsmann solle, sobald man sich im blauen Wasser befände, aufgebunden werden, weil er in einem Schneegestöber auf den Admiral geflucht habe. Die Folge davon war, daß am Abende in der Back des Kutters eine sehr zahlreiche Versammlung zusammentrat.
„Wie, Jemmy soll gepeitscht werden?“ sagte Bill Spurey. „Jemmy ist ja Offizier.“
„Das fehlt nicht“, bemerkte ein anderer, „und ebensogut Offizier als Vanslyperken selbst, obgleich er kein Messing an seinem Hute trägt.“
„Verdammt! Was wird zunächst kommen — he, Coble?“
Coble zog seine Hosen auf.
„Es ist meine Ansicht, er wird demnächst auch uns peitschen lassen wollen, Kurz“, sagte der alte Mann.
„Ja“, versetzte Kurz.
„Sollen wir zugeben, daß Jemmy gepeitscht wird?“
„Nein“, antwortete Kurz.
„Wenn’s nicht wegen der Seesoldaten und des lumpigen Bettlers von Korporal wäre“, bemerkte einer von den Matrosen.
„Pfui!“ sagte Jemmy, der unter ihnen stand.
„Will er da gar eine Meuterei daraus machen!“ ließ sich Spurey vernehmen.
„Mein Gott! Es ist Meuterei, einen Offizier peitschen zu lassen“, sagte Jansen.
„Vollkommen richtig“, bemerkte ein anderer.
„Aber Jemmy kann nicht gegen den fetten Korporal und die sechs Seesoldaten standhalten“, sagte Bill Spurey.
„Eins hinauf und eins hinunter — ich nehme sie alle auf mich“, bemerkte Jemmy, sich in die Brust werfend.
„Ja, aber sie werden alle zugleich über dich herfallen, Jemmy.“
„Wenn sie ihre Hände an einen Offizier legen“, bemerkte Coble, „so ist’s Meuterei, und Jemmy ruft dann die Schiffsmannschaft auf, ihn zu beschützen.“
„Ganz recht“, sagte Jemmy.
„Und dann, bei Gott, will ich mir den Korporal vornehmen“, erbot sich Jansen.
„Ich will ihm noch einen Possen spielen.“
„Das Geplauder führt zu nichts“, meinte Spurey. „Laßt uns die Sache ins reine bringen. Obadiah, laß hören, was du fürs beste hältst.“
Coble spritzte nun ein mäßiges Quantum Tabaksaft von sich, wischte den Mund mit dem Handrücken ab und sagte: „Es ist meine Meinung, die beste Weise, einen Mann aus der Klemme zu bringen, besteht darin, daß sich alle übrigen hineinreiten. Jemmy, seht ihr, soll aufgeholt werden, weil er ein altes Lied sang, in welchem ein Mädel in aller Gebühr über den Admiral flucht, weil er ein Schiff am Christfest ausgeschickt hat. Nun, seht ihr, mag es Meuterei sein, einen lebendigen Admiral mit aufgehißter Flagge zu verfluchen — freilich weiß ich’s nicht gewiß — aber dieser Admiral da, den Jemmy verfluchte, ist ebensowenig lebendig als ein Stockfisch, und obendrein ist’s nicht Jemmy, der ihn verflucht, sondern Poll. Deshalb kann’s keine Meuterei sein. Nun bin ich der Meinung — wenn man auf dieses Lied das Kriegsgericht anwenden will, so ist es das beste, wir kommen miteinander darum ein. Dies wird Vanslyperken stutzig machen und ihm noch obendrein einen Wink geben, wie die Sachen stehen. Er besinnt sich vielleicht eines besseren, denn obgleich wir Jemmy nicht anrühren lassen wollen, ist’s doch gut, einen regelrechten Sturm mit den Seesoldaten zu vermeiden. Das ist nun die Idee, die ich von der Sache habe.“
„Gut, aber du hast uns nicht gesagt, wie wir alle darum einkommen sollen, Coble.“
„Ist’s wahr? Das ist doch schnurrig, daß ich die Hauptsache vergessen konnte. Nun ja, ich bin der Meinung, daß wir augenblicklich anfangen, das ganze Lied im Chorus durchzusingen, und dann haben wir den Admiral wohl zu Dutzendmalen verflucht. Vanslyperken wird uns hören und zu sich sagen: ‚Sie singen dieses Lied nicht umsonst.‘ Was meinst du, Dick Kurz? Du bist der Erste Offizier.“
„Ja“, versetzte Kurz.
„Hurra! meine Jungen“, rief Bill Spurey. „Wohlan denn, stimme deine Geige, Jemmy, wir wollen aus vollem Halse anfangen.“
Das Lied, welches unsere Leser bereits von Jemmy Entenbeins Lippen gehört haben, wurde nun von der ganzen Schiffsmannschaft abgesungen, und sie waren kaum mit zwei Versen fertig geworden, als sich Korporal Vanspitter in großer Aufregung an der Kajütentüre zeigte, wo er Herrn Vanslyperken mit seinen Rechnungen beschäftigt fand.
„Mein Gott, Sir! Es ist Meuterei auf der ‚Jungfrau‘“, rief der Korporal.
„Meuterei“, entgegnete Vanslyperken, indem er hastig nach seinem Säbel griff, welcher an der Scheidewand hing.
„Ja, Mynheer — Meuterei. Hört nur, was das Schiffsvolk treibt.“
Vanslyperken spitzte seine Ohren, während der Chorus durch die Kajütentüre hereindrang —
„So hör’ denn mein Sprüchlein, du Ungeheu’r:
Admiral, sei für immer verdammt!“
„Wau, wau, wau“, bellte Snarleyyow.
„Ei, es ist die ganze Schiffsmannschaft!“ rief Vanslyperken.
„Alle bis auf den Korporal Vanspitter und die sechs Mariner“, versetzte der Korporal, die Hand nach seinem Kopfe führend.
„Schließt die Türe, Korporal. Das ist in der Tat Trotz und Meuterei“, rief Vanslyperken, von seinem Stuhle aufspringend.
„Es ist ein Teufelslied“, entgegnete der Korporal.
„Ich muß die Rädelsführer ausfindig machen, Korporal. Glaubt Ihr, Ihr könnt, wenn der Gesang vorüber ist, ihr Gespräch belauschen? Sie werden dann miteinander beratschlagen, auf diese Weise könnten wir vielleicht etwas entdecken.“
„Mynheer, ich bin nicht so klein, um hineinzukriechen und zu horchen“, erwiderte der Korporal, seinen riesigen Leichnam betrachtend.
„Sind sie alle in dem Vorderschiffe?“ fragte der Leutnant.
„Ja, Mynheer, keine Seele hinten.“
„An dem Sterne befindet sich ein kleines Boot. Glaubt Ihr, Ihr könnt Euch leise hineinstehlen, es nach den Bugen hinaufholen, und dort ganz still liegen bleiben? Ihr würdet dann hören, was sie sprechen.“
„Ich will’s versuchen, Mynheer“, versetzte der Korporal und entfernte sich aus der Kajüte.
Aber es gab auch noch andere, welche sich so gut wie der Korporal zum horchen herabließen. Jedes Wort der beiden Sprecher war von Smallbones gehört worden, welcher vor ein paar Stunden seine Hängematte verlassen hatte. Als die Hand des Korporals auf die Türklinke drückte, zog sich Smallbones hastig zurück.
Korporal Vanspitter begab sich auf das Halbdeck, welches er leer fand. Er holte das Boot zu dem Heck herauf und ließ allmählich seinen gewaltigen Körper in dasselbe nieder, obschon das kleine Fahrzeug beinahe unter seiner Last versank. Dann wartete er ein wenig und kämpfte sich mit Mühe durch die starke Flut vorwärts, wo er die Bootsleine kürzte, unmerklich an einem Ringbolzen befestigte und unter den Bugen liegen blieb, ohne sich zu rühren, um ja kein Geräusch zu machen.
Smallbones hatte ihm jedoch nachgesehen, und da der Korporal auf der mittleren Bank saß, das Gesicht nach hinten gekehrt, stets auf das Gespräch der Matrosen lauschend, so zerschnitt der Junge die Bootsleine mit einem scharfen Messer und versetzte dem Nachen einen Stoß mit dem Fuße, daß er mit der Strömung umwendete. Ehe der Korporal in der Finsternis ausfindig machen konnte, was vorgefallen war, oder nur überhaupt seinen schwerfälligen Körper aufzurichten vermochte, um sich selbst zu helfen, war er durch die Strömung schon weit von dem Schiffe weggeführt und verschwand bald vor den Blicken Smallbones’, der seinem Dahinsteuern nachsah.
Allerdings hatte der Korporal um Hilfe geschrien und war auch von den Matrosen gehört worden, aber Smallbones stand schon in ihrer Mitte und teilte ihnen in wenigen Worten das Geschehene mit, weshalb sie natürlich keine Notitz von ihm nahmen, sondern entzückt über den Gedanken die Hände rieben, daß der Korporal triftig geworden sei, wie ein Bär in einer Waschtonne.
Herr Vanslyperken blieb fast zwei Stunden in seiner Kajüte, ohne nach dem Korporal zu schicken. Endlich kam ihm aber doch seine lange Abwesenheit bedenklich vor, weshalb er sich auf das Deck begab. Als die Matrosen auf der Back dies bemerkten, verschwanden sie ganz sachte durch die Vorderluke. Vanslyperken sah sich allenthalben um, konnte aber weder ein Boot noch den Korporal Vanspitter entdecken, es kam ihm daher der Gedanke, der Korporal müsse triftig geworden sein — ein Unfall, der ihn nicht wenig verblüffte. Die Flut dauerte noch etwa zwei Stunden, dann lief die Ebbe ab, ehe es Tag wurde. Vielleicht schiffte der Korporal Vanspitter durch die ganze Zuyder-See, ehe er aufgefunden werden konnte, oder ging wohl gar vor Hunger und Kälte zu Grunde, wenn ihn nicht ein kleines Fahrzeug auflas. Ohne ihn konnte er nicht segeln, denn wie wäre es ihm möglich gewesen, ohne Korporal Vanspitter, seinen Schutz, sein Faktotum, seinen Proviantverteiler und so weiter, auszukommen? Der Verlust war unwiederbringlich, und wenn Herr Vanslyperken dabei noch an die Ungunst der Witwe und an das, was seinem Liebling drohte, dachte, so mußte er sich mit bitterem Ingrimm gestehen, daß sein Stern nicht im Aufsteigen war. Nach einigem Nachdenken kam er zu der Überzeugung, daß er durch ein Bekanntmachen der Tatsache nichts gewinnen könne, es war daher das klügste, zu Bette zu gehen, zu schweigen, und erst dann weitere Schritte zu tun, wenn ihm am andern Morgen der Verlust des Bootes gemeldet würde. Unter solchen Betrachtungen ging Herr Vanslyperken noch einigemal auf dem Deck hin und her, worauf er sich nach seiner Kajüte hinunterbegab, um sein Lager aufzusuchen.