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4. Kapitel

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Schon in dieser Periode der englischen Geschichte war es üblich, einige Soldaten an Bord der Kriegsschiffe zu setzen, und auch die ‚Jungfrau‘ war mit einem Korporal und sechs Gemeinen versehen, die sämtlich zu der holländischen Marine gehörten. Für einen so unbeliebten Mann wie Herrn Vanslyperken war diese kleine Macht ein bedeutender Schutz, und sowohl Korporal Vanspitter als seine Mannschaft erfreuten sich der besten Behandlung. Der Korporal war sein Zahlmeister und Lieferant — ein Posten, bei dem er sich ziemlich gut befand, denn Vanspitter konnte ebensogut betrügen wie sein Befehlshaber. Außerdem brauchte ihn Herr Vanslyperken als dienstwilligen Vollstrecker seiner tyrannischen Maßregeln, denn Korporal Vanspitter hatte auch keine Spur von Gefühl, im Gegenteil ging er mit Lust an die Vollziehung der diktierten Strafen. Hätte ihm Vanslyperken Auftrag erteilt, einem zum Schiff gehörigen Matrosen das Gehirn aus dem Kopfe zu schlagen, so würde er unverweilt den Befehl vollzogen haben, ohne nur einen Muskel seines fetten, roten Gesichtes zu verziehen. Der Korporal war ein ungeheuer großer Mann und so korpulent, daß er nahezu zwanzig Steine wog. Nur Jansen konnte hierin mit ihm wetteifern, denn er war ebenso groß und kräftig als der Korporal, obschon er ihm nicht ganz an Schwere gleichkam.

Ungefähr fünf Minuten nach dem Befehle schob sich Korporal Vanspitters riesige Gestalt langsam durch die Luke herauf, die kaum weit genug schien, um seine breiten Schultern durchzulassen. Er hatte eine flache Fouragiermütze auf seinem Büffelkopfe und trug blaue Pantalons, die um die Fußknöchel dicht anschlossen, dann aber sich aufwärts rasch erweiterten, bis sie an den Hüften eine Ausdehnung gewannen, welche zwischen dem Erhabenen und Lächerlichen die Mitte hielt. Der obere Teil seines Leibes war in eine blaue Jacke mit bleiernen Knöpfen gehüllt, auf welchen der steigende Löwe mit einem kleinen abgeschabten Schwanze gestempelt war. Sobald er das Deck erreicht hatte, ging er auf Vanslyperken zu, die Hinterseite seiner rechten Hand an die Stirne führend.

„Korporal Vanspitter, rüstet Eure Katze zur Züchtigung her, und wenn Ihr damit fertig seid, so bringt Smallbones herauf.“

Ohne ein Wort zu sprechen, setzte Korporal Vanspitter den linken Fuß hinter die Ferse des rechten, drehte durch dieses Manöver seinen Leib und marschierte dann in derselben Richtung ab. Bald nachher erschien er wieder mit den Züchtigungsinstrumenten, legte sie auf eine der Leekanonen und entfernte sich abermals, um sein Opfer aufzusuchen. Nach einer kurzen Weile hörte man unten ein Ringen, das jedoch bald vorüberging, und aufs neue zeigte sich der Korporal, den schmächtigen, langen Leib des armen Smallbones unter seinem Arme tragend. Er hatte den Unglücklichen in der Gegend des Magens umfaßt, so daß dessen Kopf und Fersen senkrecht hinunterhingen und bei jeder Bewegung des Korporals zusammenschlugen.

Sobald Vanspitter bei der Kanone angelangt war, legte er seine Last, die sich weder rührte noch sprach, nieder. Smallbones schien sich in das Geschick, das seiner harrte, ergeben zu haben, leistete auch keinen Widerstand, als er von einem der Seesoldaten entkleidet und über die Kanone gezogen wurde. Die auf dem Deck befindlichen Matrosen sagten nichts, warfen sich aber ausdrucksvolle Blicke zu. Das Peitschen eines jungen Menschen, wie Smallbones war, gehörte zu den gewöhnlichen Ereignissen und konnte daher keine Überraschung erregen, auch wäre es gefährlich gewesen, Abscheu gegen ein derartiges Verfahren an den Tag zu legen. Smallbones’ Rücken war nun entblößt und bot einen kläglichen Anblick. Die Schulterblätter standen so hervor, daß man die Hand hätte darunter legen können, und jeder Wirbelknochen ließ sich deutlich durch die Haut des armen Skelettes unterscheiden. Die Züchtigung begann. Der arme Mensch erhielt seine drei Dutzend ohne Murren, wobei der Ton der Geißel nur durch das Bellen des Hundes unterbrochen wurde, der sich auf das Opfer losgestürzt haben würde, wenn er nicht von einem der Seesoldaten festgehalten worden wäre. Während die Strafe vorgenommen wurde, ging Herr Vanslyperken nach gewohnter Weise auf dem Decke hin und her. Der Korporal ließ nun Smallbones frei und drehte seine Katze zusammen. Aber jetzt fuhr Snarleyyow, den der Seesoldat nicht mehr bewachte, auf den Jungen los und versetzte ihm einen schweren Biß. Smallbones, der leblos dagelegen und sich, nachdem der Seesoldat ihm das Hemd übergeworfen, nicht von den Knien erhoben hatte, wurde durch diesen neuen Angriff geweckt und schien mit einem Male Leben und Tatkraft zu gewinnen. Er sprang auf, stieß einen wilden Schrei aus und warf sich zum Erstaunen aller Anwesenden auf den zurückweichenden Hund, den er mit seinen Armen packte, um ihn mit dessen eigenen Waffen anzugreifen, indem er ihm mit wütender Entschlossenheit seine Zähne ins Fell schlug. Jedermann wich bei diesem ungewöhnlichen Kampfe zurück, aber niemand legte sich ins Mittel.

Das Ringen dauerte lange, aber Smallbones entwickelte eine so wilde Energie, daß er sich mit der Hartnäckigkeit eines Bullenbeißers festbiß, die Lippen und Ohren des Tieres zerriß und sein Gesicht in den Hals des Hundes verbarg, mit seinen Zähnen dessen Luftröhre bearbeitend. Der Hund konnte nicht entweichen, denn Smallbones hielt ihn mit der Gewalt eines Schraubstockes fest. Endlich schien die Bestie einen Vorteil zu gewinnen, denn als sie miteinander überkugelten, faßte sie den Jungen an der Seite des Halses. Smallbones erholte sich jedoch wieder und kriegte Snarleyyows Fuß zwischen seine Zähne, so daß der Hund den Kopf in die Höhe warf und um Beistand heulte. Herr Vanslyperken kam ihm zu Hilfe und versetzte Smallbones mit dem Sprachrohr einen schweren Schlag, welcher diesen dermaßen betäubte, daß er das Tier losließ.

Kurz, der eben auf das Deck gekommen war, bemerkte dies, und da der Hund einen neuen Angriff machen wollte, begrüßte er denselben mit einem Fußtritt, so daß er die ungefähr drei Schritte entfernte Luke hinunterflog.

„Wie könnt Ihr Euch unterstehen, meinem Hunde einen Tritt zu geben, Herr Kurz?“ rief Vanslyperken.

Kurz ließ sich zu keiner Antwort herab, sondern ging zu Smallbones, dem er den Kopf aufrichtete. Der Junge kam wieder zu Bewußtsein. Er war am Hals und im Gesicht schrecklich zerbissen — ein wahrhaft kläglicher Anblick, wenn man die Wunden, welche ihm die Katze versetzt hatte, noch mit in Rechnung nahm.

Der Steuermann forderte einige Matrosen auf, Smallbones nach dem Raume hinunterzubringen, und fand bereitwilligen Gehorsam. Man wusch den armen Menschen mit Salzwasser, und der Schmerz der Wunden brachte ihn wieder zur Besinnung. Dann wurde er in seine Hängematte gelegt.

Während Kurz seine Anweisungen gab, sahen sich Vanslyperken und der Korporal abwechselnd an, ohne sich jedoch eine Einmengung zu erlauben. Sobald die Matrosen Smallbones in den Raum hinuntergebracht hatten, führte Vanspitter die Hand nach seiner Fouragiermütze, nahm seine Katze unter den Arm und ging gleichfalls hinab. Vanslyperken war noch wütender als zuvor. Er steckte die Hände tiefer als je in seine Taschen, ging, das durch den Schlag völlig zerbeulte Sprachrohr unter dem Arme, auf und ab und murmelte alle zwei Minuten: „Beim Himmel, der Schuft soll gekielholt werden! Ich will ihn lehren, meinen Hund zu beißen.“

Snarleyyow erschien nicht wieder auf dem Deck, denn er hatte eine Züchtigung erhalten, wie er sie nicht erwartete. Er beleckte sich die Wunden, denen er beikommen konnte, und hütete in einer Art unruhigen Schlummers die Kajüte, alle Minuten mit Knurren auffahrend, als fechte er im Schlafe den Kampf abermals durch.

Der Höllenhund

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