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c) Konfessionelle Eigenarten in der Gestaltung der Ökumene

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konfessionelle Weltbünde

Die christlichen Konfessionsgemeinschaften haben sich im Lauf ihrer Geschichte hinsichtlich der Frage, wie die gemeinsame konfessionelle Identität festzustellen und zu leben sei, unterschiedlich organisiert. Insbesondere bei der Entscheidung über Repräsentationsformen in ökumenischen Gesprächen hat diese Thematik Bedeutung. Gerade jene weltweiten Konfessionsgemeinschaften, die nicht über eine institutionell-amtliche Struktur weltweit vernetzt sind, haben bereits im 19. Jahrhundert die Notwendigkeit empfunden, sich auf Weltebene zu organisieren: (1) Im reformatorischen Bereich sind konfessionelle Weltbünde entstanden, deren Repräsentanten in bilateralen ökumenischen Dialogen tätig werden. (2) Die Orthodoxen Kirchen bereiten sich auf der Grundlage der Autokephalie ihrer Kirchentümer seit geraumer Zeit auf ein panorthodoxes Konzil vor. (3) Die Römisch-Katholische Kirche hat beim Zweiten Vatikanischen Konzil (1962 – 65) die Grundlagen für ihre Teilhabe an der Ökumenischen Bewegung neu bestimmt. Gelingende innerkonfessionelle Bemühungen um die Formulierung eines gemeinsamen Standorts sind eine Voraussetzung für die Möglichkeit einer gesamtökumenischen Konvergenz. Konfessionelle Weltbünde erleichtern daher den ökumenischen Auftrag.

(1) Die aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen haben im Unterschied zur Römisch-Katholischen Kirche keine überregionalen Verfassungsstrukturen ausgebildet. Das hat zum einen mit den politischen Entstehungsbedingungen der Reformationskirchen zu tun, hängt aber zugleich mit dem reformatorischen Kirchenverständnis zusammen, wonach die Kirche im eigentlichen Sinne die Ortskirche ist, die sich im Gottesdienst versammelt. Um die Einheit der Ortskirchen in einer Region zu bewahren, ist zwar nach dem Verständnis evangelischer Kirchen eine überregionale Aufsicht (Episkopé) über Lehre und Leben in den Gemeinden notwendig. Die Frage nach der Notwendigkeit einer universalkirchlichen Episkopé stellte sich den Reformationskirchen jedoch nicht. Erst im Zuge der Missionsbewegung und dem Aufbau internationaler Beziehungen unter den Kirchen im 19. und 20. Jahrhundert erschien es vielen regionalen Kirchen gleicher konfessioneller Tradition sinnvoll, in einem internationalen Verbund ein gemeinsames Organ für den Austausch untereinander und für die Pflege internationaler Beziehungen zu anderen Kirchen zu etablieren. So entstand 1863 der Weltbund der Adventisten, 1867 wurde die erste Lambeth-Konferenz der Anglikanischen Gemeinschaft einberufen. 1875 gründeten 21 presbyterianische Kirchen in Europa und Nordamerika in London den Bund der Reformierten Kirchen in aller Welt. 1881 wurden der Methodistische Weltrat, 1905 der Baptistische Weltbund, 1937 das Weltkomitee der Quäker und 1947 schließlich der Lutherische Weltbund gegründet. Seit 1979 werden die konfessionellen Weltbünde im offiziellen Sprachgebrauch als „Weltweite christliche Gemeinschaften“ bezeichnet, um der Tatsache besser Rechnung zu tragen, dass diese weltweiten Zusammenschlüsse ihren konfessionellen Charakter unterschiedlich betonen und auch sonst strukturelle Unterschiede aufweisen.

Rezeptionsprozess

Auch wenn der Status der konfessionellen Weltbünde in verschiedener Hinsicht immer wieder diskutiert wird, sind diese doch ein unverzichtbares Instrument für die bilateralen ökumenischen Beziehungen auf Weltebene geworden. Die Entscheidung, ob die Ergebnisse offizieller ökumenischer Dialoge rezipiert werden können, liegt allerdings bei den Regionalkirchen, die in den jeweiligen überregionalen Zusammenschlüssen vertreten sind. Darum müssen internationale Dokumente wie z. B. die Konvergenzerklärung „Taufe, Eucharistie und Amt“ des Ökumenischen Rates der Kirchen von 1982 oder die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ zwischen Lutherischem Weltbund und päpstlichem Einheitsrat von 1999 einen Rezeptionsprozess durchlaufen, in dem die regionalen Kirchen Stellung nehmen können.

panorthodoxes Konzil

(2) Grundlegend für die Verfassungsstruktur im Bereich der Orthodoxie ist zum einen die Autokephalie bzw. Autonomie der einzelnen Orthodoxen Kirchen, zum anderen die Bedeutung des Konzils als Organ überörtlicher Entscheidungen. Im Bereich der byzantinisch-orthodoxen Kirchen können ökumenische, d. h. allgemein verbindliche Entscheidungen nur auf einem panorthodoxen Konzil getroffen werden. Ein solches „Heiliges und großes Konzil der orthodoxen Kirche“ wird vom Ökumenischen Patriarchat in Konstantinopel – nach ersten gescheiterten Versuchen 1923 und 1930 – seit den fünfziger Jahren vorbereitet. Der theologische Vorbereitungsprozess, der weitgehend abgeschlossen ist, verlief in panorthodoxen Konferenzen, in daran anschließenden interorthodoxen Vorbereitungskommissionen und in vorkonziliaren panorthodoxen Konferenzen. Eine zentrale Aufgabe des Konzils soll darin bestehen, gemeinsame Fragen der autokephalen Orthodoxen Kirchen zu klären, die z. B. die Proklamationsmodi der Autokephalie und der Autonomie, den gemeinsamen Kalender, Ehehindernisse, die Bedeutung des Fastens u. a. betreffen. Darüber hinaus sollen aber auch die Beziehungen der Orthodoxen Kirche zu der übrigen christlichen Welt, das Verhältnis zur ökumenischen Bewegung und der Beitrag zum konziliaren Prozess thematisiert werden. Da weder Vertreter Orthodoxer Kirchen in Dialogen auf Weltebene noch einzelne Orthodoxe Kirchen in bilateralen Dialogen verbindlich für alle Orthodoxen Kirchen sprechen können und wollen, sind grundlegende Fortschritte in der Ökumene ohne ein panorthodoxes Konzil nicht erreichbar.

Römisch-Katholische Kirche

(3) Die Römisch-Katholische Kirche ist seit der Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962 – 65) auf internationaler und auf nationaler Ebene an zahlreichen ökumenischen Gesprächen beteiligt. Die Gesamtheit dieser Ereignisse zu überschauen, ist selbst Fachleuten kaum noch möglich. Eine sehr gute Hilfe für das Eigenstudium der wichtigsten Texte ist die Quellensammlung „Dokumente wachsender Übereinstimmung“ (DwÜ), in der sämtliche Berichte und Konsenstexte interkonfessioneller Gespräche auf Weltebene im Wortlaut dokumentiert sind. Ausführliche Register ermöglichen eine erste Orientierung in einzelnen Themenbereichen. Bisher sind drei Bände erschienen; die Sammlung wird fortgesetzt (DwÜ 1 – 3). Die Katholische Kirche hat sich in die Ökumenische Bewegung nicht nur einbeziehen lassen, sondern wurde selbst ein wichtiger Förderer von deren Anliegen. Dem „Dekret über den Ökumenismus“ des Zweiten Vatikanischen Konzils (welches entsprechend den lateinischen Anfangsworten dieses Dokumentes unter dem Titel „Unitatis Redintegratio“ – „Wiederherstellung der Einheit“ zitiert wird (UR)) sind wegweisende Einsichten zu entnehmen: Ökumenische Begegnungen werden nur dann weiterführend sein, wenn sie im Geist der Wahrheitsliebe geschehen und den Gesprächspartnern in deren Selbstsicht gerecht werden. Manche Hürden – Unterschiede etwa in der theologischen Sprache und Begrifflichkeit – können im wechselseitigen Einverständnis überwunden werden. Die Atmosphäre in den Gesprächen wirkt sich auf die Ergebnisse aus. Lernbereitschaft und Neugierde aufeinander soll für alle spürbar werden. Sachkundige Menschen sollen die Gespräche führen. Das gemeinsame Ziel, die Einheit der christlichen Glaubensgemeinschaften, soll das Handeln bestimmen. Demut, Umkehrbereitschaft und Einsicht in eigene Grenzen könnten Kennzeichen dieser grundlegend geistlichen Sicht der Dialogökumene sein. Bis heute ist das gemeinsame Gebet eine sprudelnde geistliche Quelle, aus der Kommissionen auch in schweren Zeiten Zuversicht schöpfen können.

Die Römisch-Katholische Kirche hat sich nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil entschlossen, vor allem bilaterale ökumenische Gespräche zu führen: Internationale Zweiergespräche mit allen christlichen Traditionen jeweils über jene Themen, die als trennend gelten und wirken. Darüber hinaus aber hat sie sich auch in den Prozess der multilateralen Ökumenischen Bewegung einbinden lassen. Sie ist Mitglied in einer sehr traditionsreichen und verdienstvollen Untergruppe des weltweiten Ökumenischen Rats der Kirchen, die sich lange Zeit vor allem mit den systematisch-theologischen ökumenischen Kontroversen befasst hat: der Bewegung für Glauben und Kirchenverfassung (Faith and Order).

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