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a) Begegnungen bedenken

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persönliche Motivation

Welche Erfahrungen motivieren zur Ökumene? Diese Frage soll zu Beginn der weiteren Überlegungen aufgenommen werden. Unser Wunsch ist es, dass alle, welche die nachfolgenden Ausführungen lesen – aus welchen Gründen auch immer –, sich selbst mit dieser Frage beschäftigen. Ökumenische Theologie zu betreiben, ist ohne Reflexion auf die eigenen konfessionellen Wurzeln kaum möglich. Ökumene geschieht immer in spezifischen Zeit- und Lebenskontexten. In einem konkreten thematischen Zusammenhang haben wir (die Autorinnen dieses Buches) je für uns darüber nachgedacht, welche Wege uns in die Ökumene führten (vgl. Nüssel; Sattler/16: 20 – 38). Diese Wege waren für uns nicht selbstverständlich – und am Wegesrand standen Menschen, denen wir auf je eigene Weise begegnet sind.

Oft sind es Zufälle – nicht selten berufliche Zusammenhänge –, die zur Ökumene führen. Im Nachhinein erscheint es vielen dann nicht einfach beliebig, was sich ereignet hat. Ökumene zu leben, ist auch eine Frage der Mentalität. Ökumenisches Handeln fordert die Bereitschaft (1) zur Authentizität im Zeugnis für den eigenen Glauben, (2) zur Empathie in der einfühlenden Wahrnehmung der Beweggründe für einen anderskonfessionellen Standort und (3) zur Akzeptanz der auch nach intensiven Bemühungen verbleibenden Differenzen. Wer in diesem Sinne ökumenisch handelt, stimmt den Grundlagen einer personzentrierten Sichtweise in der Lösung von Konflikten zu. Doch gerade in der ökumenischen Theologie wird immer wieder deutlich, dass einzelne Menschen sich in ihrem (theologischen) Handlungsspielraum nicht herauslösen können aus systembezogenen, konkret: ekklesialen Vorgaben. Die wahrhaftige Begegnung allein führt noch nicht zur kirchlichen Einheit. Ohne solche anrührenden – die schon bestehende Gemeinschaft im christlichen Glauben bezeugenden – Begegnungen wäre die Ökumenische Bewegung zum Stillstand gekommen. Sie lebt fort, weil es immer wieder Menschen gibt, die sich jenseits der konfessionellen Grenzen glaubwürdig begegnen. Konfessionsverbindende Ehepaare leben tagtäglich eine Ökumene der Begegnung – wenn auch nicht alle in reflektierter Weise.

ökumenische Begegnungen Paul VI.

Auch die oft als Konferenzökumene abfällig beurteilten Bemühungen leben von Begegnungen. Einige Beispiele sollen dies verdeutlichen: (1) Bereits Paul VI. setzte ökumenische Zeichen von großer Bedeutung (vgl. hierzu Kallis/15: 124 – 151). Er traf sich im Januar 1964 mit dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Athenagoras, in Jerusalem. Paul VI. verlas dann in Rom bei der letzten Sitzung des Zweiten Vatikanischen Konzils im Dezember 1965 einen Text, in dem die Römisch-Katholische Kirche ihr Bedauern über die Vorgänge im Jahr 1054 äußerte und ihren Willen zur Versöhnung bekräftigte. Zeitgleich tat Athenagoras in Konstantinopel Entsprechendes. 1967 reiste Paul VI. nach Konstantinopel, um dort Athenagoras zu treffen. Dies ermöglichte Athenagoras noch im gleichen Jahr einen Gegenbesuch in Rom. Eine solche Reise wäre ohne den voraufgehenden Besuch des Papstes von der übrigen Orthodoxie als Bittgang missverstanden und daher abgelehnt worden. Bei ihrer Begegnung in Rom verhinderte Paul VI., dass Athenagoras ihm, wie damals noch üblich, die Füße küsste. Er nahm ihn sofort in die Arme. 1974 setzte sich Paul VI. anlässlich der 700-Jahrfeier des Konzils von Lyon 1274 für eine Neubewertung der dort gefassten Beschlüsse ein, die in der Orthodoxie bis heute als tiefe Demütigung in Erinnerung sind. 1981 sprach Johannes Paul II. bei der gemeinsamen ökumenischen Feier zum Gedächtnis von 381 (1600 Jahre nach dem Konzil von Konstantinopel) den Text des dort formulierten Glaubensbekenntnisses von Nizäa-Konstantinopel erstmals ohne das sogenannte „Filioque“, und diese Praxis ist bei ökumenischen Begegnungen inzwischen üblich. Die christliche Ökumene lebt von Zeichenhandlungen, die in Raum und Zeit immer auch von Personen vermittelt werden. In dem von Menschen mit ihren Mitteln bekundeten Zuspruch zur Intention dieser Zeichenhandlungen äußert sich die Hoffnung auf die Erfüllung des Wunsches nach umfassender kirchlicher Einheit. Große Gesten bekräftigen das Bemühen um die Ökumene. Sie bleiben nachhaltig in Erinnerung.

Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre

(2) Im Blick auf die Beziehung zwischen evangelischen Kirchen und Römisch-Katholischer Kirche insbesondere in Deutschland sind die Vorgänge im Kontext der Unterzeichnung der „Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ am 31. Oktober 1999 in Augsburg von großer Bedeutung. Jenseits der Frage, ob die unterzeichnete Konvergenzerklärung sachlich berechtigt erscheint (vgl. Abschnitt II. 2.), ist denen, die es miterlebten, unvergesslich in Erinnerung, was sich dort als ein persönliches Zeugnis spontan ereignete: Eine Umarmung, ein Innehalten – und nicht enden wollender Beifall. „Ihr Völker alle, klatscht in die Hände; jauchzt Gott zu mit lautem Jubel!“ (Ps 47,2; zitiert nach der Einheitsübersetzung). Dieses Wort mag so manchem in den Sinn gekommen sein, der oder die erlebte, wie sich in der Augsburger St. Anna-Kirche in einem anhaltenden, lauten Applaus spürbar die Spannung löste, mit der die Unterzeichnung der „Gemeinsamen Offiziellen Feststellung“ über den bestehenden Konsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre zwischen den lutherischen Kirchen und der Römisch-Katholischen Kirche erwartet worden war. Das Händeklatschen setzte ein, als die Anwesenden die spontane und herzliche Umarmung wahrnahmen, mit der die beiden Sekretäre, Pfarrer Ishmael Noko vom Lutherischen Weltbund und Bischof Walter Kasper vom Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen, ihre Unterschriften unter die Erklärung bekräftigten. Nicht nur in St. Anna klatschten die Menschen, auch in den vielen Räumen, in die hinein das Geschehen live übertragen wurde. Die Hände ruhten erst wieder, als alle zehn Namenszüge unter das Dokument gesetzt waren: Vor den damals tätigen Sekretären hatten die beiden Präsidenten, Landesbischof Christian Krause und Edward Idris Kardinal Cassidy, unterzeichnet. Sechs hochrangige Vertreterinnen und Vertreter des Lutherischen Weltbunds bestätigten sodann mit ihren Unterschriften, dass das Geschehen in Augsburg in der weltweiten lutherischen Gemeinschaft auf große Zustimmung gestoßen war. Auch drei Frauen, die Schatzmeisterin des Lutherischen Weltbunds und die beiden Vizepräsidentinnen für Afrika und Asien, unterschrieben das Dokument. Mit hoher Sensibilität hat die Festgemeinschaft dieses Zeugnis der evangelischen Katholizität der lutherischen Kirchen freudig anerkannt. In ökumenischen Versammlungen wird bewusst, was es bedeutet, als Christinnen und Christen in einer weltweiten Glaubensgemeinschaft miteinander verbunden zu sein.

Charta Oecumenica

(3) Ökumenisch engagierte Menschen verleihen im Rahmen ihrer Möglichkeiten der Zustimmung zu den von den Kirchenleitungen erreichten Konvergenzen Ausdruck. Im Rahmen des 1. Ökumenischen Kirchentags 2003 in Berlin ist dies bei der Unterzeichnung der Charta Oecumenica geschehen. Auch die wechselseitige Anerkennung der Taufe durch eine große Zahl der Mitgliedskirchen der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) am 29. April 2007 im Dom von Magdeburg traf auf Wertschätzung (vgl. Taufanerkennung). Ob es Zufall sein kann, dass insbesondere Ereignisse, in denen zentrale Aspekte des christlichen Glaubensbekenntnisses als gemeinsames Erbe bekundet werden, Applaus hervorrufen? Es gibt eine intuitive Gabe, ein feinsinniges Gespür aller Glaubenden, Wesentliches zu erkennen.

Einführung in die ökumenische Theologie

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