Читать книгу Das Heilige Fest - Fritz Steinbock - Страница 10

Ritual und Glaube

Оглавление

Im allgemeinen sind Menschen, die heidnische Rituale ausüben, auch „gläubige“ Heiden, das heißt, sie sind überzeugt, dass die Götter real sind und in der Welt wirken, dass ihr Charakter dem entspricht, was die Mythen von ihnen erzählen, und vieles mehr. Das erscheint uns natürlich und ist in den aktiven Heidengruppen von heute auch die Regel. In alter Zeit freilich waren es zwei Paar Schuhe.

Bernhard Maier, der als bislang einziger seriöser wissenschaftlicher Autor der Gegenwart auch die „innere“ Seite der germanischen Religion beleuchtet hat, weist ausdrücklich darauf hin, dass der christliche Glaubensbegriff auf sie nicht anwendbar ist: nicht nur, weil sie eine Sache des Kults war, „dessen Wirksamkeit man von der inneren Einstellung der Beteiligten unabhängig glaubte“, sondern auch, weil „die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft auf der Zugehörigkeit zu einem bestimmten sozialen und politischen Verband beruhte und daher nicht die formale Zustimmung zu irgendwelchen Glaubensinhalten voraussetzte.“ Religion war ein integrierter Teil des öffentlichen Lebens, der Tradition und Identität der Gemeinschaft, der man angehörte.

Man konnte daher sehr wohl eifrig an allen Ritualen der Gemeinschaft teilnehmen und trotzdem, wie manche Wikinger sagten, „nur an die eigene Kraft (mátt ok meginn) glauben“ oder wie der schon zitierte Cicero als Philosoph die Möglichkeit von Weissagungen bestreiten, aber als Politiker, der seine Verantwortung für die Gemeinschaft wahrzunehmen hatte, ein Amt als Orakelpriester annehmen und gewissenhaft ausüben. Julius Caesar, dessen diktatorische Ambitionen der Demokrat Cicero politisch bekämpfte, war sogar bekennender Atheist und bekleidete das Amt des pontifex maximus, des obersten Priesters der römischen Staatsreligion, ohne dass jemand daran Anstoß nahm.

Natürlich waren das Ausnahmen. Sie waren aber nur möglich, weil auch in der Regel jeder über die Götter glauben und denken konnte, was er wollte, solange er nur die Riten getreu und korrekt befolgte. Das mag oberflächlich scheinen, aber es ist die logische Konsequenz einer Religion, die sich als Religionsausübung versteht und den persönlichen Glauben nur als subjektiven Faktor sieht, der den einzelnen Menschen betrifft, aber nicht das Ritual, das in seiner konkreten, sichtbaren Ausführung eine objektive Beziehung zwischen der ganzen Gemeinschaft und den Göttern schafft – Göttern, die für die überwiegende Mehrheit der Menschen in alter Zeit so unzweifelhaft existierten wie die Welt, der sie angehörten, und die weder jemals gefordert noch es nötig gehabt hätten, dass man an sie „glaubt“ und sich zu Lehren bekennt, die vorschreiben, wie man sie sich vorzustellen hat.

Das Heilige Fest

Подняться наверх