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Das heilige Fest

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Wenn wir das heidnische Ritual nicht als Gottesdienst oder magische Handlung definieren, sondern als Fest, so bedeutet das dreierlei.

Zunächst ist es ein Treffen von Menschen und Göttern als Freunde im altgermanischen Sinn, das heißt als Verwandte, die ihre Zusammengehörigkeit pflegen und einander des Friedens, des Zusammenhalts und der gegenseitigen Treue versichern. Es ist ein Fest, wie es die Menschen aller Zeiten und Völker feiern, wenn sie zusammenkommen: mit Essen und Trinken, ehrenvollen Reden und Geschenken. Im Ritual werden sie zum Opfermahl, dem eigentlichen Blót mit dem kreisenden Trinkhorn, den Gebeten und Anrufungen und den Opfergaben. Alle diese Handlungen sind nicht so mysteriös, wie sie scheinen oder von Esoterikern gedeutet werden, sondern haben einen sehr „normalen“, nämlich sozialen Ursprung. Sie folgen den gemeinschaftsbildenden Bräuchen zwischen den Menschen und haben ihren Sinn in der Gemeinschaft mit den Göttern. Erst wenn die Götter vergessen sind, werden sie zu magischen Praktiken, die man um ihrer selbst willen ausführt, oder brauchen zu ihrer Rechtfertigung weit hergeholte „spirituelle“ Deutungen.

Das zweite Merkmal des heiligen Festes ist, dass in ihm das Leben auf einer höheren Stufe steht als im Alltag. Nicht der einzelne in seiner Begrenztheit und Endlichkeit ist es, der hier lebt und handelt, sondern die ganze Gemeinschaft, in der die Verwandten und Gefährten, die Ahnen und künftige Generationen, das Land und die Götter und Geister in ihm eine Einheit sind. Sie verbinden sich zu einer Einheit des Heils, das aus Toten, Lebenden und noch nicht Geborenen, aus Gemeinschaft und Heimat, Erde und Göttern zusammenfließt und zu einem Heil wird, das alle erfüllt.

In der Größe und Weite dieses Heils – dieser Stärke, Macht und gestaltenden Kraft – gewinnt alles, was geschieht, unendlich größere Bedeutung; ist heiliger, machtvoller und bestimmender als jemals sonst. Jede Ehre, die man erweist, ist erhabener, jeder Eid wirksamer und jede Beleidigung tiefer. Deshalb ist der heilige Friede, der auf dem Fest herrschen muss, so wichtig und sein Bruch folgenschwerer als jeder andere Streit. Friedensstörer bei einem Ritual dürfen daher auf keinen Fall geduldet werden. Sie verletzen das Heil der Festgemeinschaft in einer Weise, die alle vernichten kann.

Denn das ist die dritte Eigenschaft des heiligen Festes, die natürlich auch im Guten wirkt und wirken soll: Es schafft die Bedingungen und Ereignisse der Zukunft. Bei den Jahresfesten danken wir nicht nur für das Erreichte, sondern gestalten durch die Art, wie wir ihn beginnen, auch den kommenden Jahresabschnitt. Bei den Lebenskreisfesten tun wir das noch viel mehr, denn wie ein Kind in die Gemeinschaft aufgenommen wird, so wird sein ganzes Leben sein, und so wie die Hochzeit verläuft, wird sich die ganze Ehe entwickeln. Alles, was wir erreichen, wird durch das Heil bestimmt, und wenn im heiligen Fest das ganze Heil gegenwärtig und wirksam ist, gibt es nichts mehr, was uns sonst noch helfen könnte. Die glückliche Ernte, die Treue der Eheleute, das erfolgreiche Leben des Kindes – all das wird im Ritual nicht nur gewünscht und erbeten, sondern geschaffen und eigentlich schon erreicht: Wenn unser Heil stark genug ist, wird es so eintreten, und alles, was dazu getan werden muss, wird getan werden, mehr noch: auf der höheren Ebene des Heils ist es bereits getan und muss sich im Alltag nur noch manifestieren.

Das Heilige Fest

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