Читать книгу Das Heilige Fest - Fritz Steinbock - Страница 17

Die beiden Pole der Heiligkeit

Оглавление

Um das auszudrücken, was die moderne Sprache unterschiedslos „heilig“ nennt, hatten unsere Vorfahren zwei verschiedene Wortstämme: hail für die uns zugekehrte, Heil wirkende Seite der Götter, in der wir sie als Verwandte und Freunde erfahren, und den Stamm wîh, der in „weihen“ und im nordischen Wort (Heiligtum) erhalten ist. Er bezeichnet die göttliche Eigenschaft des hoch Erhabenen, Unfassbaren oder Numinosen, denn das lateinische numen ist dasselbe wie das germanische guþ oder guð, nach Tacitus „jenes Geheimnis, das sie in einziger Ehrfurcht schauen.“

Das Ritual spricht beide Pole der Heiligkeit an. Wir rufen die Götter um ihr Heil an, und wir verehren sie für ihre Erhabenheit und Größe, in der sie unabhängig davon, wie heilvoll ihr Wirken für uns ist, heilig im Sinn des altgermanischen wîh sind. Man kann auch sagen, dass hail den nahen und wîh den fernen Aspekt der Götter ausdrückt, hail ihre Gegenwart in Midgard, ihr Natur-Einssein um uns und in uns, und wîh ihre Besonderheit, in der sie in Asgard leben, oder ihre Verwandtschaft mit uns und das Mysterium ihrer Göttlichkeit. Denn obwohl das Heidentum Welt und Götter, Diesseits und Jenseits nicht kategorisch trennt, wie es die dualistischen Religionen tun, weiß es um die Unterschiede: Menschen und Götter gehören derselben Wirklichkeit an, aber sie sind natürlich verschieden. Beide Aspekte, Angehörigkeit und Verschiedenheit, gehören zusammen.

Beide lässt ein gutes Ritual auch erfahren: Wir spüren das Heil, das von den Göttern kommt, und wir sind ergriffen, von Bewunderung und Ehrfurcht erfüllt und manchmal auch erschreckt von ihrem Geheimnis, dem – wie es der Religionsforscher Rudolf Otto bezeichnete – mysterium fascinosum und mysterium tremendum, dem begeisternden und dem erzittern lassenden Geheimnis des Numinosen.

Das Heilige Fest

Подняться наверх