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Religion und Ritual

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Fragte man in alter Zeit jemandem nach seiner Religion, hieß es nicht: „Woran glaubst du?“, sondern: „Welchen Göttern opferst du?“ Wie der Glaube im Christentum steht im Heidentum das Ritual im Mittelpunkt. Heidnische sind traditionelle Religionen: Sie sind nicht auf autoritäre Offenbarung und persönlichen Glauben gegründet, sondern auf eine organisch gewachsene Tradition, die neben der mythischen und ethischen in erster Linie eine kultische ist.

Religion im heidnischen Sinn ist Religionsausübung: religio nannten die Römer den Eid, eine heilige Pflicht und die Gewissenhaftigkeit, mit der sie befolgt wird. Der Philosoph und Politiker Cicero leitet das etymologisch unsichere Wort von relegere, dem Wiederholen der Ritualformeln aus alter Zeit, ab. Religion war für die Römer die kultische Tradition, mos maiorum, die Sitte der Vorfahren. Ebenso nannten die mittelalterlichen Nordgermanen das Heidentum ihrer Ahnen forn siðr, die „alten Sitte“ – immer noch dem heidnischen Sprachgebrauch folgend, der kein Wort für das hatte, was die Christen unter „Glauben“ verstanden, und Religion als Bestandteil von „Recht und Sitte“ (lög ok siðr) beschrieb.

Der Religionsgeschichtler Bernhard Maier sieht deshalb die germanische Auffassung von Religion überhaupt „wie im antiken Rom“. Hier wie dort erscheint sie ihm „weniger als eine Sache der privaten und persönlichen Überzeugung als vielmehr des gemeinschaftlich und öffentlich vollzogenen Kults“, worauf neben forn siðr auch andere nordische Bezeichnungen hindeuten: blótdómr und blótskapr, wörtlich „Opfertum“ und „Opferschaft“ für das Heidentum, für einen Heiden blótmaðr, „Opfermann“.

Im 19. Jahrhundert prägten dann dänische Historiker, um der Religion ihrer Vorfahren einen Namen zu geben, den Begriff Åsetro, der über die isländische Form Ásatrú zum heute geläufigsten Namen für das germanische Heidentum wurde: Asatru, wörtlich „Göttertreue“ – eine Bezeichnung, die indirekt auch wieder in die kultische Richtung weist, denn Treue muss sich durch Taten verwirklichen.

Kult und Ritual sind daher nicht bloße „Äußerlichkeiten“, auf die es weniger ankäme als auf die „innere Einstellung“, und sie sind auch nicht nur ein Ausdruck der heidnischen Religion, wie ein Wort ein Gefühl ausdrückt. Vielmehr sind sie das Heidentum – nicht das ganze, aber der Hauptteil und Wesenskern einer Religion, die sich als „alte Sitte“ und tätige „Göttertreue“ versteht.

Das Wesen des Rituals ist das Wesen des Heidentums selbst: Alles, womit man es charakterisieren kann, was es ausmacht und was ihm seinen Wert gibt, liegt auch im Ritual.

Das Heilige Fest

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