Читать книгу Comanchen Mond Band 1 - G. D. Brademann - Страница 10

Kapitel 4

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Vor den Comancheros, die einige Monde später im Lager auftauchten, versteckte sie sich, um nicht als Weiße erkannt zu werden. Niemand dachte auch nur im Entferntesten mehr daran, sie gegen irgendetwas einzutauschen. Sun-In-The-Red-Hair wurde zu einer weißen Comanche. Zu der Schwester von Three-Bears hatte sie von Anfang an ein inniges Verhältnis. Ihr erzählte sie auch von den Ereignissen dieser einen für sie entscheidenden Nacht, in der Crow-Wing sie hatte ertränken wollen. Von Icy-Wind jedoch wusste sie nichts. Auch Three-Bears erachtete es nicht für notwendig, jemandem von seiner Begegnung mit ihm zu erzählen.

Die Monde rundeten sich, nahmen ab und rundeten sich wieder, die Zeit verging.

Sun-In-The-Red-Hair bekam zwei Söhne. Light-Cloud und Red-Bear, weil er so rote Haare hatte wie sie. Der ältere der beiden erwies sich als ein begabter Pferdeflüsterer – niemand verstand es so gut, mit Pferden umzugehen, wie er.

Die kleine Bande Comanchen zog sich tief in ihre angestammten Gebiete des Llano Estacado zurück. Sie mieden jede Zivilisation und erschienen zu keinen Verhandlungen mit den Weißen. Niemals unterschrieb einer von ihnen einen Vertrag. Bestärkt durch die Ereignisse um die Friedensverhandlungen von 1840 in San Antonio, machten sie sich nicht einmal mehr die Mühe, den Weißen Mann auch nur anzuhören. Niemals, auch nicht in tausend großen Sonnen, würden sie vergessen, dass diese Friedensverhandlungen in Gewalt und Tod geendet hatten. 33 Häuptlinge waren damals getötet worden, mit ihnen ihre Frauen und Kinder. Das war der Grund, weshalb es keinen Frieden zwischen Texas und den Comanchen geben konnte. Friedensverträge waren ihnen immer heilig gewesen, sogar der mit ihren einstigen Todfeinden – den Cheyenne, den Arapaho und einigen Apachengruppen. Einmal hatten sie sogar mit den ihnen verhassten Ute einen Waffenstillstand geschlossen. Dass sie dem Weißen Mann und im Besonderen den Texanern kein Vertrauen mehr entgegenbringen konnten, erschütterte sie zutiefst. Diese Erfahrung sollte ihre Zukunft bestimmen.

Die kleine Antilopenbande ging daher genau wie alle anderen Comanchen den Weißen aus dem Weg. Es war ihr Land, und sie waren frei. Sie führten Raubzüge entlang ihrer Grenzgebiete nach Texas hinein durch, verfolgten weiße Eindringlinge, die nach Westen wollten, verbündeten sich mit den Kiowa, den Kiowa-Apachen, den Arapaho – je nach Lage der Dinge und wenn es ihre Strategie erforderte. Die Rangertruppen der Texaner konnten ihrer nicht Herr werden. Wenn der weiße Mann sich eingebildet hatte, sie binnen kürzester Zeit von der Erde vertilgen zu können, so musste er sich eines Besseren belehren lassen. Die Comanchen blieben die Herren des südlichen Plateaus, wie sie es seit Ewigkeiten schon waren. Sie jagten Büffel und züchteten Pferde, trieben Handel mit den Comancheros, die sie als einzige in ihre Jagdgebiete ließen, und lebten weit weg von jeder Zivilisation. Sie waren ein geselliges Volk und kamen oft mit anderen Comanchengruppen zusammen. So hielten sie Kontakt zur Außenwelt und waren bestens über alles informiert.

Sun-In-The-Red-Hairs Söhne Light-Cloud, der 1840 geboren wurde, und vier Winter später Red-Bear, wuchsen inmitten anderer Comanchenkinder auf – nur ihre Haarfarbe und die etwas hellere Haut unterschied sie von ihnen. Sie machten ihrer Gemeinschaft alle Ehre. Im beginnenden Winter 1864, mit nur zwanzig Wintern, starb Red-Bear bei Kämpfen mit den Lipan-Apachen. Sein Vater, inzwischen ein ergrauter Krieger Ende fünfzig, brachte die Leiche seines Sohnes zurück in ihr Lager. Sun-In-The-Red-Hair war verzweifelt. Der Tod ihres jüngsten Sohnes traf sie besonders hart, da sie keine Kinder mehr bekommen konnte. Dann, einen halben Mond später, flatterte an einem bitterkalten Wintertag ein blauäugiger kleiner Schmetterling in Gestalt eines kleinen, vielleicht sieben oder acht Winter zählenden Mädchens zu ihnen ins Lager. Es ritt auf einem großen Kavalleriepferd, rotbraun und mit langem, weißem Behang an den Vorderbeinen. Es war eines dieser kräftigen robusten Pferde, die die Armee auch für den Transport ihrer Geschütze einsetzte. Niemand wusste, woher das Kind kam. Einige ahnten es wohl im Nachhinein, sie redeten jedoch nicht darüber, auch nicht später. Über diesen Tag legte sich hartnäckiges Schweigen.

Sun-In-The-Red-Hair hatte keine Schwierigkeiten, dieses Mädchen – nur spärlich in Fetzen gehüllt, mit blutigen, zum Teil schon verkrusteten Brandwunden bedeckt und von der eisigen Kälte gezeichnet – wegen ihrer Trauer um den verlorenen Sohn für sich zu beanspruchen. Und so blieb Blue-Butterfly, wie sie sie damals nannten, bei den Comanchen, die sich jetzt Quahari nannten, Antilopen. Ihr neuer Vater Three-Bears begann mit dem mitgebrachten Pferd eine Neuzüchtung, die überall große Bewunderung erregte. Das Kind sprach lange Zeit kein Wort – ja, weigerte sich, überhaupt mit jemandem zu reden. Sie war völlig traumatisiert, was so weit ging, dass sie viele Monde über nur apathisch im Dunkeln des Tipis unter einem großen Büffelfell verbrachte.

Als sie sich endlich für das Leben entschied, weigerte sie sich zu sprechen. Immer nur den Kopf schüttelnd, sagte sie endlich etwas, das niemand verstand. Sun-In-The-Red-Hair versuchte es irgendwann in englischer Sprache. Zu ihrem Erstaunen antwortete die Kleine. Was ihre Vergangenheit betraf, konnte sie sich an nichts mehr erinnern. Sun-In-The-Red-Hair begriff instinktiv, dass das für sie den einzig möglichen Schutz bedeutete, um nicht zu zerbrechen. Was mit ihr geschehen war, sollte für immer im Dunkeln bleiben. Diese Art Schutzzauber hatte ihr wahrscheinlich das Leben gerettet.

Die englische Sprache wurde zu einem Bindeglied zwischen Sun-In-The-Red-Hair und Blue-Butterfly. Bald schon sprach sie fließend Comanche, denn sie lernte schnell. Da erinnerte sie sich an ihre Muttersprache schon längst nicht mehr, ja, sie vergaß sie sogar gänzlich. Ob sie sie wirklich vergessen hatte oder das Vergessen einfach nur dieser Schutzzauber war – wer vermochte das schon zu sagen? Niemand rührte daran, niemand bedrängte sie, nicht einer beschwor ihre Vergangenheit jemals wieder herauf. Sun-In-The-Red-Hair fand, dass es so das Beste für ihr kleines Mädchen war – hatte sie doch selbst ähnliche Erfahrungen machen müssen.

Eines Tages zeigte sie dem Kind ein Buch. Three-Bears hatte es ihr als Geschenk von einem seiner Plünderzüge mitgebracht. Das Mädchen war darüber hocherfreut, besonders die Bilder hatten es ihr angetan. Zur grenzenlosen Verwunderung Sun-In-The-Red-Hairs begann das Mädchen, den Text unter den Bildern zu entziffern. Voller Freude darüber gab ihr die neue Mutter nun Unterricht im Lesen und Schreiben; schließlich war sie einst in den Westen gekommen, um Lehrerin zu werden. Welche Ironie des Schicksals, denn jetzt konnte sie es ja sein.

Um seiner Frau eine Freude zu machen, hatte es sich Three-Bears schon lange angewöhnt, von seinen Beutezügen nach Texas hinein Papier und Schreibzeug mitzubringen. Das kam nicht oft vor, denn die meisten Menschen, die ihre primitiven Grassodenhütten inmitten der Einsamkeit im Comanchenland errichteten, waren ungebildet und Bücher rar. Manchmal war aber sogar ein brauchbares, nicht ganz zerfleddertes Buch dabei. Als sie einmal Schreibmaterial übrig hatte, begann Sun-In-The-Red-Hair, ein Tagebuch zu schreiben. Darin notierte sie alles, was ihr wichtig erschien.

Vier Winter, nachdem das kleine Mädchen bei der Antilopenbande aufgetaucht war, überfielen Ute ihr Lager. Diesmal hielten sie sich weit oben im südlichen Colorado Territorium auf. Bei diesem Überfall wurden zwei ihrer Leute getötet. Sun-In-The-Red-Hair war eine davon. Sie senkten sie in eine Felsspalte, wie es Sitte bei den Comanchen war, sitzend – das Gesicht nach Osten, der aufgehenden Sonne entgegen. Als Beigabe erhielt sie ihr Tagebuch und all ihren Silberschmuck, den Three-Bears ihr im Laufe der gemeinsamen Zeit geschenkt hatte.

Nach dem Zeremoniell griff er sich sein bestes Kriegspony, bemalte es und sich selbst mit schwarzer und weißer Kriegsfarbe, dann verabschiedete sich der von Trauer erfüllte Mann von seinem ältesten Sohn Light-Cloud und dem Mädchen, das zu seiner Tochter geworden war. Noch in derselben Nacht ritt er los, um die, der er all seine Liebe gegeben hatte, blutig zu rächen. Auch ihn brachten die Krieger nur noch tot zurück. Als sie ihn neben seine Frau in die gleiche Felsspalte hinunterließen, stand das damals zwölf Winter zählende Mädchen neben der Schwester ihres Vaters – und in gebührendem Abstand ihr Bruder Light-Cloud. Diese Schwester, ihre Tante, nannten beide schon immer Großmutter.

Als sie von der Begräbnisstätte zurückritten, wurden sie von zwei Männern mit dunkelblonden Haaren flankiert, deren Haut unter der Glutsonne der Plains rotbraun geworden war. Ebenso wie das Mädchen mit den dunkelblauen Augen gehörten die ehemals geraubten Knaben jetzt zum Volk der Comanchen. An ihren etwa dreizehn Fuß messenden Lanzen wehten zum Zeichen der Ehrerbietung für Three-Bears Skalps der von ihnen getöteten Feinde. Es waren auch einige helle darunter. Im Lager hatten die Frauen bereits die Tipis abgebaut und verpackt. Noch vor dem Morgengrauen brachen sie auf, zurück in den Llano Estacado. Da hieß Blue-Butterfly schon nicht mehr so. Jetzt war sie Comes–Through-The-Summer-Rain. Sie ritt neben Großmutter, beide mit vollbeladenen Travois hinter ihren Pferden. Die Mustangs ihres Vaters, dreiundzwanzig waren es gewesen – außer acht, die aus der stattlichen rotbraunen Neuzüchtung mit den weißen Behängen hervorgegangen waren – hatte Light-Cloud verschenkt. Nun kümmerte er sich um die Neuzüchtung.

Die Comanchen – dieses Volk, das sich eigentlich immer im Kriegszustand mit jemandem befand, mit den Texanern sowieso, jetzt mit den Utes, mit den Apachen im Südwesten, den Pawnees im Nordosten – konnten diesen Angriff auf ihre Leute nicht einfach so hinnehmen, das lag nicht in ihrer Natur. Deshalb ritten die Männer einen Tag später, während ihre Frauen mit den Travois weiterzogen, erneut auf Kriegszug gegen die Utes. Sie überraschten sie in ihrem Dorf und töteten zwei von ihnen. Ihre Frauen und Kinder flohen hoch in die Berge; dort ließen sie sie in Ruhe. Danach ritten sie mit Beute beladen zu ihren Leuten zurück. An Light-Clouds Lanze hing ein Skalp. Three- Bears und Sun-In-The-Red-Hair waren gerächt.

Seitdem waren in stetigem Kampf um ihre Gebiete drei Winter vergangen. Sie zogen noch immer gegen die Texaner in den Krieg. Die Siedler, die tiefer und tiefer in ihre Gebiete vorrückten, passten sich der Kriegsführung der Comanchen an und vergalten Gleiches mit Gleichem. Beide Seiten schenkten sich nichts. Nur kämpften die Indianer darum, mit ihren Familien auf dem Land, das sie liebten, zu überleben. Sie kämpften für die Erde unter ihren Füßen und den Himmel, der sich weit über ihnen spannte. Für die Büffel, die ihre Lebensgrundlage bildeten, und die unendliche Weite, die sie mit ihren kleinen zähen Mustangs durchmaßen. Sie kämpften für ihre Freiheit. Es war ein aussichtsloser Kampf. Im Namen der Zivilisation entschuldigte man alles. Auch den Mord an einem Volk, das mit seiner Weisheit und seinem Wissen dieser Zivilisation so viel hätte geben können.

Noch beherrschten die Comanchen den Großteil ihrer Comancheria. Zurückgedrängt zwar von Siedlern, die als Einwanderer aus der alten Welt gekommen waren, machten sie noch immer ihrem Ruf alle Ehre. Wo sie auftauchten, verbreiteten sie Angst und Schrecken. Der Comanchenmond hatte seine Bedeutung nicht im Mindesten verloren.

Comanchen Mond Band 1

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