Читать книгу Comanchen Mond Band 1 - G. D. Brademann - Страница 11
Kapitel 5
ОглавлениеInzwischen war es 1871.
Der Indianersommer mit seinen tausend Farben im Spiel des Lichts ging seinem Ende zu. Die Sonne glühte noch einmal vom Himmel, als die Antilopenbande von Kundschaftern einer anderen Quaharibande gesichtet wurde. Deren Späher berichteten von einem Trupp Kavallerie im Blanco Canyon. So weit hinein nach Nordwesttexas hatten sich die Soldaten noch nie gewagt. Es handelte sich um Oberst Mackenzie mit einem Teil seiner 4. Kavallerie, deren Oberbefehlshaber er war und zwei Kompanien Infanterie. Die Comanchen kannten ihn unter dem Namen Mangoheute, No-Finger-Chief, Bad Hand. Sogar den zwanzig Tonkawa-Scouts, die er dabeihatte, war dieses für sie gefährliche Gebiet des Llano Estacado nicht bekannt. Voller Hass blickten die Comanchen auf diese Scouts. Sie sahen in ihnen noch immer die Menschenfresser, als die sie bei ihnen verrufen waren.
Ein Kriegshäuptling der Quahari-Comanchen, den sie Quanah, Smells-Good, nannten, obwohl er eigentlich den Namen Kiwihnai, Eagle, verdient hätte, jung und zu allem entschlossen, schickte daraufhin Herolde zu den kleinen, verstreut lebenden Banden, um die Krieger zu den Waffen zu rufen. Viele folgten seinem Ruf, denn er war zu dieser Zeit bereits berühmt. Die Texaner kannten ihn später unter dem Namen Quanah Parker; seine weiße Mutter war eine Texanerin gewesen.
Ohne zu zögern entschlossen sich auch 18 Krieger der Antilopenbande, seinem Ruf zu folgen. Sie ritten unter der Führung des von ihnen als Kriegshäuptling gewählten Red-Eagle, um sich ihm in diesem Kampf anzuschließen. Oben, auf der Hochgrasprärie des Blanco Canyon führten sie einen erfolgreichen Guerillakrieg gegen Mackenzie und spielten Katz und Maus mit dessen Männern. Als schließlich ein Kälteeinbruch erfolgte, zog sich die Kavallerie zurück.
Aber Mackenzie sollte schon ein Jahr später wiederkommen.
XXX
Der Comanchenmond stand hell leuchtend am Himmel, umgeben von tausend Sternen. Sein Licht spiegelte sich in einem der vier Quellflüsse, die später den Red-River bildeten und sich durch Canyons und Grasebenen schlängelten. Das kleine Flüsschen verschwand hinter bewaldeten Anhöhen und durchquerte eine weitere Ebene, bevor es in einen schmalen Waldstreifen abbog. Als es wieder zum Vorschein kam, war es breiter und schneller geworden.
Etwa achthundert Mustangs grasten in einem riesigen Canyon, durch den sich der Fluss über glatte Felsplatten und terrassenförmige Aufbauten weiter seinen Weg bahnte. Dort an den Ufern standen weit auseinandergezogen in etwa vier Meilen Länge die Tipis der Antilopen in unregelmäßigen Abständen – manche einzeln, einige aber auch in kleinen Familienverbänden.
Ein kleines Stück lang wurde der Fluss von einer steil aufragenden Böschung, die zum Wasser hin sanft abfiel, beherrscht. Dort befand sich die Badestelle der Frauen. Vor einigen Tipis, die dahinter am Fluss entlang standen, brannten Feuer, und die zuckenden Flammen malten Schatten auf die Menschen, die davor saßen oder im Unterholz ihr Lager für die Nacht aufgeschlagen hatten. Weitere Tipis konnte man zwischen den weit auseinandergezogenen Flussbiegungen hinter Bäumen und Weidengebüsch versteckt oder unmittelbar am Wasser stehen sehen.
Noch waren die herbstlichen Temperaturen so angenehm, dass sie die Nächte draußen verbrachten.
Mustangs verschiedener Farben und Zeichnungen, die nicht in der großen Herde untergebracht waren, grasten im gesamten Einzugsbereich des Lagers zwischen Tipis und Menschen. Kriegsponys waren es vor allem, die ihre Eigentümer ungern aus ihrer Reichweite ließen. Es herrschte eine friedliche Stille, nur unterbrochen von lautem Lachen, das gedämpft zu dieser Nachtzeit vom Fluss heraufhallte.
Hinter der Uferböschung badete eine kleine Gruppe junger Frauen und Mädchen, plantschte genüsslich in den Fluten oder lag ausgestreckt am sandigen Ufer. Einige von ihnen wuschen sich gegenseitig die Haare mit Flusssand, tauschten Neuigkeiten aus oder ergingen sich in allgemeinem Tratsch und Klatsch. Ihr lautes, ungehemmtes Lachen klang bis zu den vier jungen Kriegern herauf, die oben auf der Böschung in einem Versteck lagen. Das helle Mondlicht beleuchtete den Strand und ebenso die nackten Gestalten, die dort unten im kalten Wasser lagen. Neun Mädchen zwischen vierzehn und achtzehn badeten im Mondschein. Zwei von ihnen stiegen jetzt ans Ufer, wrangen ihre langen Haare aus, banden Lederriemen oder bunte Bänder hinein und setzten sich dann in Decken gehüllt an den Strand. Die übrigen sieben staksten tiefer ins Wasser hinein, bis es ihnen über die Schenkel schwappte. Die meisten der Mädchen konnten schwimmen, aber es gab auch einige, die nur wie Hunde durch das Wasser paddelten. Die Männer hatten es zwar alle gelernt, legten jedoch keinen besonderen Wert darauf, als beste Schwimmer zu gelten. Sie waren ein Volk von Reitern, nicht von Schwimmern.
„He, Summer-Rain, gib‘s zu – du würdest liebend gern besser schwimmen können. Frag doch Großmutter; die kann es dir bestimmt beibringen!“
Die so Angeredete stieg aus dem Wasser, wandte sich um und schüttelte den Kopf. Ihre langen, nassen Haare klebten ihr an den bloßen Hüften. „Dann wäre ich ja ein Fisch, Weasel, vielleicht aber auch ein Otter!“ Sie lachte und rannte – nackt wie sie war – durch den Sand und ein Stück die Böschung hinauf. Es stimmte – Großmutter konnte perfekt schwimmen, sogar richtig lange tauchen. Darin machte sie sogar manchem Krieger etwas vor. Im hellen Mondlicht fiel auf, dass bis dorthin, wo vorher bei Summer-Rain das Kleid endete, ihre Haut an beiden Oberschenkeln voller verwachsener Brandnarben war. Wenn man genauer hinsah, konnte man auch an ihrem rechten Oberarm diese schlangenförmigen Vertiefungen erkennen.
Die anderen kamen jetzt ebenfalls aus dem Wasser. Weasel, eine achtzehn Winter zählende, etwas untersetzte kleine Comanchenfrau, griff nach einem Tuch aus Baumwolle und begann, sich damit abzutrocknen. Lächelnd warf sie der anderen einen verstohlenen Blick zu, während die mit den Fingern durch ihre nassen Haare fuhr. „Ein Otter also – ein komischer Otter mit blauen Augen!“
Summer-Rain runzelte die Stirn. „Besser ein Otter mit blauen Augen als eine lahme Ente“, kam prompt ihre Antwort.
Daraufhin warf Weasel ihr das Tuch an den Kopf. Geschickt fing es die Freundin auf und rubbelte sich damit trocken. Inzwischen standen auch die anderen um sie herum und trockneten sich ab. Ihr lachendes Geschwätz ging so weiter, Worte flogen hin und her, Scherze machten die Runde. Eines der Mädchen, mit einem sehr hübschen Gesicht, stand – eingewickelt in eine dünne Decke – vor dem seichten Wasser und spielte mit den Zehen im Sand. Ihr Blick flog suchend über den Fluss – dorthin, wo auf der anderen Seite – schräg gegenüber einige Pferde grasten und wohl auch die dazugehörigen Krieger nicht weit weg sein konnten. Den, den sie suchte, nicht findend, drehte sie ihren üppigen Körper wieder herum, warf die nassen Haare kokett nach hinten und stapfte durch den Sand zu ihren Freundinnen. Trotz der umgewickelten Decke, die eng an ihrem Körper anlag, wippten ihre großen Brüste, während sie ging. Der Mond ließ jede Einzelheit ihrer Formen erkennen. Die jungen Krieger oben auf der Uferböschung stupsten sich grinsend an.
Unten warfen sie sich jetzt ihre Kleider wieder über, doch die heimlichen Beobachter hatten anscheinend noch nicht genug. Die, die vorhin mit Summer-Rain angeredet worden war, begann ihr überaus üppiges Haar hin- und herzuschwenken, so dass der Wind es trocknen konnte. Ihre langen Beine steckten bereits in sorgfältig gearbeiteten Leggins. Das Kleid, das sie darüber trug, schmiegte sich eng an ihren noch feuchten Körper. Endlich waren ihre Haare trocken. Zufrieden verschränkte sie die Arme über ihre noch wenig gewölbte Brust. Auch ihre Blicke wanderten ab und zu über den Fluss zu den Männern. Die Entfernung zu ihnen war groß, doch wenn man wusste, wen man suchte, dann konnte man ihn schon erkennen. Von dort hallten soeben laute Rufe herüber. Einige der Männer trieben ihre Pferde ins Wasser und begannen mit wilden Spielen. Summer-Rains Freundinnen, schon besser entwickelt als sie, besonders die Hübsche, machten sich gegenseitig darauf aufmerksam.
„Du kannst dich noch so sehr strecken“, hörten die Krieger oben auf ihrem Aussichtsposten eines der Mädchen sagen, „dich mit deinen kleinen Brüsten schaut sowieso keiner an!“ Es war die mit dem hübschen Gesicht, die sich nach ihren Worten kokett im Kreis drehte. Es machte ihr sichtlich Spaß, das Mädchen zu verhöhnen. Einige der Mädchen drehten sich nach der so Beleidigten um, verkniffen sich jedoch jeden Kommentar. Alle sahen nur sehr interessiert, als gäbe es nichts anderes auf der Welt, hinüber zum anderen Ufer des Flusses.
Auch die Aufmerksamkeit eines siebzehn Winter zählenden Mädchens galt den jungen Kriegern dort, aber eigentlich sah sie nur einen. Zaghaft, verstohlen winkte sie hinüber, obwohl sie wusste, dass er das nicht sehen konnte. Der, den sie meinte, ritt aus dem Wasser heraus und begann, auf seinem Pferd waghalsige Kunststücke zu zeigen. Sie tat gleichgültig, so, als interessierte sie das alles nicht, denn niemand würde auf die Idee kommen, dass das ihr galt. Wie beiläufig faltete sie sorgfältig ihre mitgebrachte Decke Kante auf Kante zusammen. Anschließend setzte sie sich umständlich darauf, Summer-Rain einen Platz anbietend. Mit hochgerecktem Kinn blickte sie sich um, gleichgültig die Lippen gespitzt. Da fiel ihr auf, dass zwei ihrer Gespielinnen ihr Winken nach drüben bemerkt hatten, und drehte sich von ihnen weg. Ihr langes, schmales Gesicht konnte man nicht als besonders anziehend bezeichnen, doch ihre Augen blickten groß und ausdrucksvoll. Immer wieder strich sie sorgfältig über die Decke, als müsse sie Falten glätten, die gar nicht vorhanden waren. Die beiden bereits verheirateten Frauen neben ihr, die ihr Winken bemerkt hatten, schüttelten nur die Köpfe. Ungläubig betrachteten sie das unscheinbare Mädchen, dem niemand hier eine Liebschaft zutraute. Die mit dem schönen Gesicht ging, jetzt nur ein Tuch um die Hüften geschlungen, einige Schritte zurück ans Wasser. Noch einmal suchte sie das andere Ufer nach jemandem ab. Nach einer Weile des Starrens wandte sie sich endlich enttäuscht wieder um und ging mit wiegenden Hüften zu ihren Freundinnen zurück.
Unter denen war unterdessen ein Streit ausgebrochen. Es ging anscheinend um die Chancen, die sie bei den jungen Männern hatten. Die Krieger auf der Uferböschung über ihnen konnten zu ihrem Leidwesen nicht alles verstehen. Dann jedoch klang die laute Stimme von Weasel bis zu ihnen.
„Magic-Flower, he, du brauchst doch nur wie eine Hirschkuh mit deinem Hintern zu wackeln. Wir wissen doch alle, wie sehr ihm das gefällt.“
Das Mädchen lachte, und andere fielen mit ein, da setzte Weasel noch eins drauf: „Deinen Reizen kann er ja doch nicht widerstehen, schnapp ihn dir endlich. Sein Tipi ist reich bestellt, und außerdem ist er unser bester Mann“, schmeichelte sie ihr weiter. Eine andere warf etwas ein, was die jungen Männer wieder nicht verstanden, aber jetzt antwortete die mit Magic-Flower angeredete Schöne – zwar nicht sehr laut, doch es war trotzdem zu hören.
„Ich wünschte, es wäre so einfach, kleine Weasel; du hast recht, ich sollte es wirklich einmal darauf anlegen“, flötete sie mit ihrem herzförmigen Mund. Die Mädchen in ihrer Nähe musternd, wartete sie anscheinend auf eine Bestätigung.
Ein Nicken kam von ringsum – bis auf Summer-Rain und das Mädchen neben ihr auf der Decke. Die pustete entrüstet ihre Backen auf, bevor sie der Schönen mit dem ebenmäßigen Gesicht, den hohen Wangenknochen und gut proportionierten Rundungen an den richtigen Stellen entgegenrief: „Als ob du das nicht schon längst vorhättest!“
Magic-Flower machte ein beleidigtes Gesicht, doch es war alles nur gespielte Entrüstung. Sie kannte ihre Vorzüge – alles an ihr war perfekt. Daran konnte auch diese hässliche, neidische Hirschkuh nichts ändern. Das Mädchen, das es als einzige gewagt hatte, ihr so etwas zu sagen, rückte sich in eine bequemere Position, während sie sich eine Haarsträhne auf den Rücken schnippte. In ihrer Frisur konnte man glitzernde Perlenschnüre erkennen, und plötzlich fragte sich Summer-Rain, wer sie ihr wohl geschenkt haben könnte.
Dream-In-The-Day, so hieß ihre Freundin, blickte der Schönen herausfordernd ins Gesicht und wies mit der Hand auf den schmalen Weg, der nach oben zurück auf den Hauptweg und damit am schnellsten zu einem gewissen Tipi führte. „Tu doch nicht so, Magic-Flower“, rief sie ungerührt. „Du würdest doch alles dafür geben, wenn du nur eine Ermunterung von ihm bekämst, um schnurstracks auf diesem Weg dort zu ihm zu rennen. Gib es zu – ich kenne dich lange genug. In deinem Kopf dreht sich doch schon seit ungezählten Monden alles nur noch darum, wie du ihn am schnellsten für immer in ein Tipi locken kannst!“
Sie hatte in einem ziemlich ernsten Ton sehr langsam – die letzten Worte besonders betonend – gesprochen, und ihre Rede war noch nicht zu Ende. Sie war einfach nur erbost darüber, wie ihre beste Freundin soeben von Magic-Flower beleidigt worden war. Bevor noch jemand etwas erwidern konnte, brach es aus ihr heraus. „Wie ich die Sache sehe, hat er schon längst das Interesse an dir verloren. Du warst weiter nichts als eine Kerbe in seiner Bettstelle, und das wirst du auch bleiben – da kannst noch so sehr mit deinem fetten Hintern wackeln.“
Langsam – die Stille, die plötzlich eintrat, auskostend – fühlte sie nach einem der Perlenschnüre auf ihrem Kopf. Das Nächste, was kam, sagte sie mehr zu sich selbst, dennoch war es deutlich genug zu hören. „Seit wir aus dem letzten Winterlager aufgebrochen sind ,läuft zwischen dir und Storm-Rider nichts mehr. Was immer sich in deinem Kopf festgesetzt hat, es ist alles nur Einbildung. Mit Worten täuschst du andere, nicht mich. Ich mag vielleicht manchmal tagsüber träumen, aber die Wahrheit erkenne ich allemal.“
Die betretenen Blicke der Anderen völlig ignorierend, fuhr sie fort: „Eines ist klar, du warst weiter nichts als eine wärmende Bettdecke für ihn, während draußen der Schnee fiel. Doch so kennen wir ja alle unseren Storm-Rider, so ist er nun einmal.“ In das noch immer herrschende betretene Schweigen hinein meinte sie leichthin, an keine Bestimmte gewandt: „Immer auf sein eigenes Vergnügen bedacht. Was hast du erwartet? Dass er drei seiner kostbaren Pferde für dich gibt? Da kannst du lange warten, du bist ihm kein einziges wert. Für dich hat er wahrscheinlich nur eine besonders große Kerbe in seine Bettstelle gemacht.“ Als hätte sie nie etwas gesagt, betrachtete sie jetzt die Perlenschnüre in ihren Haaren.
Magic-Flower schnappte nach Luft. Das konnte sie so nicht auf sich sitzen lassen. „Was weißt du denn schon über mich und Storm-Rider?“, schnappte sie erbost.
Ihr Gesicht bekam eine dunkle Färbung. Ihre Freundinnen hoch erhobenen Hauptes betrachtend, sprudelte es nur so aus ihr heraus, so dass es jeder, auch die Männer über ihnen, hören konnten: „Er hat viel Zeit mit der Ausbildung seiner neuen Pferde verbringen müssen, das wisst ihr alle! Außerdem ist er mit dreien seiner Freunde auf Kriegszug gewesen, wenn du dich erinnerst. Weil sein Vater mit den Kriegern zu Quanah geritten ist, hatte er außerdem für seine Mutter zu sorgen. Er ist unser bester Mann – das hat Weasel ganz richtig gesagt. Great-Mountain hat ihm für diese Zeit zusätzliche Verantwortung aufgebürdet; da hatte er eben nicht so viel Zeit für mich!“
Einen bösen Blick auf das Mädchen Dream-In-The-Day werfend, das sie ungerührt weiter betrachtete, spitzte sie ihren schönen Mund. Unwillkürlich duckten sich ihre engsten Freundinnen. Wenn Magic-Flower aufgebracht war, musste man es sich dreimal überlegen, ob oder was man sagte. Am besten war man still. Einige von denen, die sich einbildeten, ihre Freundinnen zu sein, wollten dieses Privileg nicht riskieren, indem sie ihre Schadenfreude offen zeigten.
Dream-In-The-Day – das Mädchen, das nicht dazugehörte – war nicht im Geringsten von ihren Worten beeindruckt. „Ich rede nicht von dem, was ein Mann und Krieger wie er tun muss“, sagte sie deshalb, „sondern davon, was er tun will. Mit dir seine Zeit verbringen gehört jedenfalls nicht dazu. Er scheint überhaupt das Interesse an sämtlichen Mädchen – nicht nur an uns hier – verloren zu haben. Ich erinnere mich da an den Besuch der Nokoni zur Zeit der gelben Blumen. Unser Storm-Rider hat sich überhaupt nicht für ihre Mädchen interessiert, so sehr sie ihm auch schöne Augen gemacht haben. Solche Gelegenheiten hätte er sich früher niemals entgehen lassen. Ich weiß nicht, was mit ihm los ist – seit einiger Zeit benimmt er sich nicht mehr wie der Storm-Rider, den ich kannte. Das ist gut so, denn dieser neue Storm-Rider gefällt mir viel besser. Mit dir hat das jedenfalls wenig zu tun!“
Dream-In-The-Day hatte gar nicht gemerkt, wie die anderen ihr mit weit aufgerissenen Augen zugehört hatten. Es kam selten vor, dass sich jemand erdreistete, Magic-Flower die Wahrheit ins Gesicht zu sagen. Die Schöne selber war ziemlich aufgebracht. „Dream-In-The-Day“, schrie sie deshalb lauter als beabsichtigt, „du weißt doch gar nicht, wovon du sprichst. Wenn ich du wäre, würde ich mich ganz ruhig verhalten, denn von Liebesdingen verstehst du nämlich gar nichts. Bisher hast du ja noch keinen abbekommen.“
Triumphierend deutete sie auf die andere Seite des Flusses hinüber. „Ich sehe dort keinen, der auch nur einen einzigen Blick für dich übrig hat – oder etwa doch? Vielleicht hast du ja eben einen der Männer verscheucht, weil ihm dein Getue mit den Perlenschnüren zu langweilig ist!“
Dann – gewahr werdend, wie sich zwei der verheirateten Frauen vielsagend anstießen – stemmte sie die Hände in die Hüften und baute sich vor Dream In The Day auf. „Du denkst doch wohl nicht, dass die Kunststücke, die die dort drüben veranstalten, dir gelten? Da kannst du hinüberwinken, so viel du willst; kein einziger interessiert sich wirklich für dich.“
Die Mädchen wagten kaum, Dream-In-The-Day anzusehen. Irgendwie tat sie ihnen jetzt leid. Der kleine Wortwechsel hatte sich zu einem ausgewachsenen Streit entwickelt. Was Magic-Flower eben gesagt hatte, war wirklich gemein. Fast alle empfanden das so, doch nicht eine wagte es, ihr offen zu widersprechen. Da schwieg man lieber, als es sich mit ihr zu verderben. Die Mädchen sahen sich nur betreten an. Es war allgemein bekannt, dass sich die beiden oft stritten. Dream-In-The-Day sagte immer frei heraus, was sie dachte – mochte sie sonst auch ziemlich still und bescheiden auftreten.
Auch jetzt ließ sie nicht lange auf eine Antwort warten. „Wir wissen doch alle, dass deine Zunge mir gegenüber ungerecht ist, weil ich hier die Einzige bin, die sich traut, dir die Wahrheit in dein schönes Gesicht zu sagen. Es ist mir völlig egal, was du von mir denkst. Doch, wenn du meine Meinung hören willst“ – sie hielt inne, bereute bereits, was sie sagen wollte, platzte dann aber doch damit heraus: „Ich glaube nicht, dass Storm-Rider auch nur noch einen einzigen Gedanken an dich verschwendet. Ihr hattet mal was – schön und gut; das ist lange her, und es ist weiter nichts daraus geworden. Finde dich endlich damit ab. Er hat sich dummerweise einmal auf dich eingelassen. Schön mit dem Hintern wackeln kannst du ja, und du weißt auch, wie man einem jungen Mann die Sinne verwirrt; das ist aber auch schon alles. Manchen Männern reicht das eben nicht.“
Das hatte gesessen. Dream-In-The-Day, die sich ihrer Worte durchaus bewusst war und sich mit Absicht damit für die vorangegangene Behandlung rächen wollte, verzog herablassend den Mund. Es kam nicht sofort eine Erwiderung; Magic-Flower war sprachlos. Da sagte sie mit Spott in der Stimme: „Mach dir nichts daraus, das ging allen anderen auch schon so mit diesem Mann, du warst nur eine von vielen.“
Magic-Flower war immer noch sprachlos. Sie riss ihre schönen Augen weit auf und starrte die andere an. Es fehlten ihr tatsächlich einmal die Worte. Einige der Mädchen begannen jetzt, lautstark durcheinanderzureden. Sie protestierten gegen das, was Dream-In-The-Day von sich gegeben hatte, wollten die Freundin damit trösten, dass das alles nicht stimmte. Dream-In-The-Day schwieg jetzt. Summer-Rain, die zu allem noch kein Wort gesagt hatte, war bei den letzten Worten des Mädchens blass geworden. Jetzt erhob sich Dream-In-The-Day – und sie ebenfalls. Doch irgendwie konnte sie noch nicht von hier weg. Wie gebannt starrte sie auf Magic-Flower, die von ihren Freundinnen umringt war.
Die gefaltete Decke unter dem Arm, machte sich Dream-In-The-Day allein auf den Weg nach oben. Für sie hatte der Badespaß ein Ende. Sie kam nur wenige Schritte an dem Versteck der vier jungen Männer vorüber, ohne sie zu sehen. So viel Spitzfindigkeit hätten sie Dream-In-The-Day gar nicht zugetraut. Unbewusst war sie der Wahrheit ziemlich nahe gekommen.
Magic-Flower warf unten am Wasser unterdessen entrüstet den Kopf in den Nacken. Sie musste erst einmal zu sich kommen, Zeit gewinnen, die Worte von Dream-In-The-Day widerlegen. Ihr nachblickend rief sie ziemlich laut, so dass sie es noch verstehen musste: „Ich denke, die, die dort geht, weiß überhaupt nichts. Sie ist nur neidisch. Dass er mich will, gefällt ihr nicht, vielleicht will sie ihn ja selber?“ Wütend stampfte sie mit einem nackten Fuß in den Sand, während ihre Freundinnen bei dieser Vorstellung kicherten.
„Er will mich!“, rief sie noch einmal. „Dream-In-The-Day weiß gar nichts; Storm-Rider und ich, wir sind zusammen – auch wenn es manchmal nicht so aussieht. Oder will mir etwa jemand erzählen, dass er sich für eine andere interessiert?“
Nicht, dass sie wüsste, doch es könnte ja immerhin sein – das flüsterte jetzt eines der Mädchen ihrer Nachbarin ins Ohr. Es hatte ihr gefallen, wie Dream-In-The-Day mit Magic-Flower umgegangen war.
Die hatte es gehört, denn sie funkelte das Mädchen wütend an und sah sich gezwungen, ein für alle Mal etwas klarzustellen: „Wir sind immer noch zusammen – oder besser gesagt: schon wieder. Es stimmt, eine Zeitlang sind wir beide in verschiedene Richtungen gegangen. Das hat Dream-In-The- Day anscheinend verwechselt. Er ist zu mir zurückgekommen. Zu mir – das beweise ich euch. Ich gehe zu ihm, noch in dieser Nacht. Es gibt da einen Platz im Wald, der immer unser Treffpunkt war. Bis Sonnenaufgang werde ich ihn dort zu beschäftigen wissen – und was die alten und die zukünftigen Kerben in seiner Bettstelle betrifft: Die gelten alle mir.“
Triumphierend schaute sie die Mädchen der Reihe nach an. Magic-Flower konnte sehr überzeugend sein. Während sie weitersprach, klang sie sehr bestimmt. „Auf jeden Fall schlafe ich heute Nacht nicht in meinem eigenen Tipi. Sucht schon mal das Kochgeschirr hervor, das ihr mir zur Hochzeit schenken wollt.“
Als niemand einen Einwand wagte, blickte sie eine Freundin nach der anderen an, Summer-Rain völlig ignorierend; sie gehörte nicht zu diesem Kreis. „Morgen früh, nach der Nacht mit Storm-Rider, werdet ihr sehen, dass ich mit stolz erhobenem Kopf zu meinem Tipi reite. Wetten, dass ich noch vor dem nächsten Winterlager seine Frau bin?“
Die Mädchen wechselten Blicke, einige nickten. Die, die noch Zweifel hatten, schwiegen. Natürlich trauten sie sich nicht, das laut auszusprechen. Storm-Rider war ein begehrter junger Krieger – und so oft, wie er seine Liebschaften wechselte, war es unwahrscheinlich, dass er sich so schnell, wie Magic-Flower es behauptete, festlegen würde. Die wischte sich die nassen Haare aus der Stirn, während sie noch einmal ihre Worte bedachte. Zwar hatte sie nicht die Wahrheit gesagt, was die ernsthaften Absichten Storm-Riders betrafen, doch ihrer Überzeugung nach auch nicht gelogen. Sie bildete sich ein, unwiderstehlich zu sein.
Nach einem Moment des Schweigens ringsum meinte sie hinter vorgehaltener Hand, als müsse sie ein Geheimnis daraus machen: „Erzählt das ja nicht meiner Mutter; die meint schon lange, mein Vater sollte einmal ein ernstes Wort mit Storm-Rider und seinem Vater reden.“ Sie lachte und da fielen die anderen etwas verspätet mit ein. Summer-Rain nicht. Ihr Kleid begann im Nachtwind zu trocknen, während sie sich, den Blick hinüber auf die andere Seite des Flusses gerichtet, etwas von den Mädchen entfernte. Wie alt mochte sie wirklich sein? Sie wusste es nicht genau, fünfzehn oder sechzehn Winter? Langbeinig, flachbrüstig, dünn– so sah sie sich selbst. Doch von ihr ging eine Faszination aus, der sich kaum jemand entziehen konnte. Mit Magic-Flowers Schönheit konnte sie sich natürlich nicht messen. Und doch war sie schön, nur anders eben. Etwa so wie eine noch geschlossene Blume. Vielleicht in einigen Monden, vielleicht erst in einem weiteren Winter würde sie so aussehen, wie sie jetzt schon versprach zu werden. Besonders ihre Augen. Unter langen, gebogenen, schwarzen Wimpern erstrahlten sie in einem dunklen Blau. Tiefschwarze Haare, die den ausgebreiteten Flügeln einer Krähe ähnelten, fielen in langen Wellen schwer auf ihren Rücken hinunter. Manchmal standen sie nach allen Seiten hin ab. Ihre schmale, gerade Nase war ein wenig zu groß für ihr Gesicht, die vollen Lippen geschwungen. Wenn sie lächelte, konnte man ihre weißen, ebenmäßigen Zähne sehen, von denen nur unten zwei etwas schief standen. Leicht hervorstehende Wangenknochen betonten noch ihr ovales Gesicht. In die gerade, hohe Stirn fielen jetzt leicht gewellte Locken.
„He, Summer-Rain, wohin schaust du denn?“, wandte sich Weasel mit ihrem runden, vollen Gesicht neugierig zu ihr um. Die so Angeredete zeigte mit dem Arm hinüber zum anderen Ufer. „Mein Bruder ist dort drüben.“ Dann verwundert, als würde ihr das eben erst klar: „Ich glaube sogar, mit meinem liebsten Pony – er wird ihm wieder neue Tricks beibringen.“
Sie verstummte, kniff die Lippen fest aufeinander und drehte sich rasch von den Mädchen weg, denn sie hatte an etwas ganz anderes gedacht. In ihren Augen standen Tränen. Der silberne Schein des vollen Mondes ließ sie auf ihren Wangen glitzern. Rasch wischte sie sie weg, doch niemand hatte etwas bemerkt.
Die Krieger oben auf ihrem Lauschposten mussten jetzt endlich genug haben, denn sie zogen sich zurück. Den Klatsch der Mädchen hatten sie bald schon wieder vergessen. Was sie sehen wollten, hatten sie gesehen. Ohne ein Geräusch zu verursachen, verschwanden sie in der Dunkelheit. Sie trennten sich, durchaus ihrer Missetat bewusst, und gingen jeder seiner eigenen Wege. Ihre Interessen für heute Nacht unterschieden sich kaum voneinander, denn bei den Comanchen vergnügte man sich bereits vor der Hochzeit. Niemand fand etwas dabei, wenn sie sich heimlich mit den jungen Mädchen trafen. Erst, so bald es öffentlich wurde, bekam das eine andere Bedeutung. Was Magic-Flower heute Nacht vorhatte, war ja laut genug von ihr angekündigt worden, so dass durchaus Storm-Riders Freiheit in Gefahr sein konnte, wenn er nicht aufpasste. Wenn das eine Falle war, dann war sie geschickt aufgestellt. Die jungen Männer, die das mit angehört hatten, dachten gar nicht daran, ihm das zu sagen. Er war Manns genug, um selber seine Entscheidungen zu treffen.
Drüben, auf der anderen Seite des Flusses, beschäftigte sich Light-Cloud noch immer mit der Stute von Summer-Rain. Obwohl er nicht wissen konnte, ob sie ihn überhaupt sah, schickte er ihr mit den Händen Zeichen hinüber. Sie war erleichtert, von den Mädchen fortzukommen, und es ging ihr gar nicht schnell genug. Auch die anderen wollten jetzt los. Sie verabschiedeten sich voneinander, dann schlenderten sie die Uferböschung hoch, trennten sich unten auf der anderen Seite, um von hier aus zu den Tipis ihrer jeweiligen Familie zu gelangen.
Kurze Zeit später griff sich Summer-Rain eines der Pferde – eine kleine sanftmütige Stute, die zwischen den beiden Tipis ihrer Familie graste – und schwang sich auf deren Rücken. Zwei Tipis waren es, weil es nicht anging, dass der Bruder im selben wie die Schwester wohnte. Darauf achtete man streng. Sogar enger Kontakt wurde weitestgehend vermieden. Das mit Knoten fixierte Halfter, an dem nur links ein langer Zügel hing, über die Nase des Ponys gestreift, so ritt Summer-Rain die Uferböschung bis an das flach auslaufende Ende entlang. Dort folgte sie der Biegung des Flusses, um an einer flachen Stelle hinüber auf die andere Seite zu wechseln. Die aufspritzende Gischt schlug über ihr zusammen, während sie in übermütigem Galopp durch das Wasser pflügte.
Light-Cloud sah ihr amüsiert entgegen. Der älteste Sohn von Sun-In-The-Red-Hair brachte wenig später seinen Mustang an ihre Seite. Dabei achtete er wie immer sorgsam darauf, einen gewissen Abstand zwischen ihnen zu halten.
„He, ich hab dich schon eine Weile von drüben aus gesehen! Schämt ihr Krieger euch denn nicht, so nahe an unserer Badestelle eure Pferde zu trainieren?“, rief sie lachend. Nach außen hin völlig bei der Sache, war sie in Gedanken immer noch bei den Gesprächen der Mädchen. Auch ihr Bruder hatte da eine gewisse Rolle gespielt. Über ihn als einen sehr begehrten, gutaussehenden Junggesellen gab es schließlich immer etwas zu reden. Sie konnte sich deshalb nicht verkneifen, ihm das brühwarm mitzuteilen. „Meine Freundinnen sind ganz schön sauer, dass du schon 31 Winter zählst, ohne dir eine Frau gesucht zu haben. Es wird Zeit, meinen sie. Einige von ihnen sind nicht abgeneigt, das zu übernehmen, ich kann sie dir gerne einmal vermitteln.“
Erst stutzte er, wusste nicht, ob sie das im ernst meinte; dann aber merkte er, dass es nur ein Scherz war, und lachte über das ganze Gesicht. Mit einer Hand fuhr er sich durch die dunkelbraunen, dichten Haare. Im Sonnenlicht bekamen sie oft einen rötlichen Schimmer; das Erbe seiner Mutter Sun-In-The-Red-Hair. „He, kleine Wildkatze“, meinte er, „zerbrecht euch deswegen nicht eure schönen Köpfe! Warum eine heiraten, wenn ich viele haben kann?“
Sie konnte auf diese für ihn typische Antwort nur mit dem Kopf schütteln. „Du bist verrückt, großer Bruder“, sagte sie, „aber ehrlich, es wird endlich Zeit für dich.“
Sie ritt jetzt neben ihm. ‚Kleine Wildkatze‘ sagte er manchmal zu ihr, seit sie dem Blue-Butterfly entwachsen war. Außerdem nannte er sie als Einziger, wenn es um ernste Sachen ging, bei ihrem vollen Namen, Comes-Through-The-Summer-Rain, nicht einfach nur Summer-Rain. Irgendwie hatte sie ja recht, musste er zugeben. Er kümmerte sich nicht im Geringsten um die Mädchenherzen, die er gebrochen hatte. Darin waren er und Storm-Rider sich ähnlich. Natürlich sagte sie das nicht, stattdessen sprach sie etwas an, das alle im Lager schon einen halben Mond lang beschäftigte. „Nimm dir ein Beispiel an Icy-Wind. Der holt sich gerade eine zweite Frau. Eigentlich ja schon eine dritte, wenn man die letzte nicht mitrechnet, die er verstoßen hat. Du könntest dich auch mal langsam entscheiden – wenigstens für eine; Bewerberinnen gäbe es mehr als genug.“
Es stimmte, Light-Cloud konnte fast jede haben. Nur an Magic-Flower hatte er nie auch nur das geringste Interesse gezeigt, kreisten ihre Gedanken wieder um das schöne Mädchen. Sie brachte sie einfach nicht aus ihrem Kopf. Ich muss das endlich lassen, dachte sie voller Wehmut. Aber wie konnte man etwas einfach lassen, das so weh tat, wenn man nur daran rührte? Sie ließ ihr Pony in langsamem Schritt gehen.
Ihr Bruder hielt weiter gebührend Abstand, sein Grinsen bemerkte sie trotzdem. Er wusste genau, wie seine Chancen bei den Mädchen standen. Er dachte gar nicht daran, sich an eine zu binden, nur um eine warme Bettstelle zu haben. Da brauchte es schon mehr. Deshalb fiel seine Antwort auch prompt kurz und bündig aus. „Dräng mich nicht, kleine Wildkatze, die Richtige wird schon noch irgendwann kommen!“ Er warf den Kopf zurück, so dass seine langen, offenen Haare auf seinem Rücken hin und her schwangen. Nachdenklich musterte er dann seine Schwester, die in etwa zwei Armlängen Abstand neben ihm ritt.
„Mach dir um mich keine Sorgen“, nuschelte er vor sich hin. Weiterredend, jetzt lauter, klang seine Stimme traurig. „Die andere Sache hat damit nichts mehr zu tun.“
Summer-Rain nickte verstehend. Ihr Bruder hatte einmal ein Mädchen geliebt, das ihm dann aber vor der Nase von einem anderen, wesentlich älteren Krieger mit vielen Pferden weggeschnappt wurde. Seitdem fing er immer wieder Liebeleien an, keiner irgendwelche ernstlichen Hoffnungen machend.
Icy-Wind, inzwischen fünfzig, hatte ihr Lager vor einem halben Mond mit Pferden verlassen, um sich eine weitere Frau aus einem anderen Comanchenlager zu holen. Seine erste Frau Crow-Wing konnte ihm keine Kinder schenken, deshalb wollte er es wieder einmal mit einer neuen Frau versuchen. Das war nicht das erste Mal. Auch mit seiner zweiten hatte er keine Kinder bekommen können. Die Familie dieser Frau war damit einverstanden gewesen, sie zurückzunehmen. Das hatte ihn außer Ärger und Spott auch noch Pferde gekostet.
Light-Cloud und sie folgten jetzt einer Flussbiegung, ließen den weitläufigen Canyon vor ihnen links liegen und schlugen den Weg in die Weite ein. Der Mond schien so hell, dass sie alles im weiten Umkreis erkennen konnten. Sie ritten auf einen der in der Ferne aufragenden Hügel zu, einen ihrer Lieblingsplätze. Dorthin kamen zur gleichen Zeit auch zwei der älteren Männer. So konnten sie ihre gemeinsamen Ausritte nutzen, um unter Aufsicht neue Tricks mit ihren Mustangs zu üben.
Summer-Rain lernte von ihrem Bruder viel über Pferde. Er war ein vielbeschäftigter Mann, und solche Ausritte kamen nicht oft vor. So war sie schon zufrieden, wenn er einen kleinen Teil seiner Zeit für sie verschwendete. Weit vor Sonnenaufgang kamen sie alle zurück. Light-Cloud brachte mit ihr die Pferde zu dem Teil der Herde, der ihnen gehörte, und blieb dort, um den Pferdejungen bei der Arbeit zu helfen.
Summer-Rain suchte sich ein anderes Pferd, das sie heute in ihrer Nähe haben wollte. Es war noch früh, und die Sonne kam gerade über den Horizont. In einem Sprühregen aus aufspritzenden Wassertropfen galoppierte sie wieder zurück durch den Fluss. Pitschnass ging sie an einer Stelle an Land, an der die Uferböschung niedrig war. Sie beugte sich vor und strich ihrem Mustang leicht über die lebhaft aufgestellten Ohren. Einen Augenblick später preschte sie durch den aufgewühlten Sand am Fluss entlang ihrem Tipi zu. Hier grasten Pferde, Hunde balgten sich um irgendwelche Reste und einige Frauen waren bereits mit ihren leeren Wassersäcken unterwegs zum Fluss.
Die Tipis standen offen. Summer-Rain, noch weit entfernt, sah die Schwester ihres Vaters Three-Bears, die sie alle nur Großmutter nannten, wie sie gerade ein Trockengestell aufbaute. Sie seufzte. Sicher bekam sie wieder viel Arbeit zugeteilt, obwohl sie heute eigentlich etwas anderes tun wollte. Sehnsüchtig blickte sie nach Südosten, wo sich die Ebene in einem Wald verlor. Noch konnte sie umkehren. Viel lieber wollte sie dort auf die Jagd gehen, als Felle zu gerben. Da setzte ihr Herz einen Schlag lang aus. Die gescheckte Stute von Magic-Flower kam aus dem Wald heraus, trabte langsam mit ihr in Richtung Fluss. Summer-Rain konnte sie ganz deutlich sehen. Sie trug noch dasselbe Kleid wie gestern Nacht. Ihre Haare flatterten über ihren üppigen Brüsten. Unüberhörbar feuerte sie ihr Pferd mit lauten Zurufen an. Sie kam mit erhobenem Kopf näher, und Summer-Rain sah ganz genau, wie sich auf ihrem Gesicht ein Lächeln breitmachte. Dicht vor Summer-Rain zügelte sie ihre Stute. Triumphierend strahlte sie sie an, ohne ein einziges Wort zu sagen. Das brauchte sie auch nicht. Ihrem Pferd mit einem leisen Schnalzen ein Zeichen gebend, ritt sie im Schritt an ihr vorbei, immer noch mit diesem Lächeln.
In Summer-Rains Brust breitete sich ein Schmerz aus, der bis in ihre Kehle hoch stieg und ihr die Luft abdrückte. Es war ein unbeschreiblich scharfer Schmerz, der ihr das Herz zerriss und es bluten ließ – so bitter und schmerzhaft, dass es nichts auf der Welt gab, das dem gleichkam. Sie saß völlig am Boden zerstört auf dem Rücken ihres Pferdes und presste die Zähne so fest in ihre Unterlippe, dass es weh tat und sie Blut schmeckte. Nur keine Tränen, hämmerte es in ihrem Kopf, nur ja keine Tränen!