Читать книгу Tränen einer Braut: 3 Romane - G. S. Friebel, Hendrik M. Bekker - Страница 10
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ОглавлениеAls sie die Tür der Kneipe aufrissen, konnte Elvira im ersten Augenblick nichts sehen. Tabakqualm, so dick wie Nebel, schlug ihr entgegen. Aber an dem Lärm hörte sie, dass sich eine Menge Leute in dem Raum befinden musste: grölende Männerstimmen, kreischende Frauen.
Die Hand vorgestreckt, tastete sie sich hinter den Dirnen her. Als sie endlich das Ende des Raumes erreicht hatten, rief eine harte Stimme auf: »Verdammt, hab ich euch nicht gestern in die Gosse geschmissen? Wenn ihr nicht auf der Stelle kehrtmacht, fliegt ihr wieder! Aber diesmal ist es so, dass ihr euch ein paar Rippen brecht.«
»Mach halblang, Albert«, sagte die Anführerin. »Wir bringen dir etwas. Du solltest uns wirklich dankbar sein.«
»Was ihr mir anschleppt, darauf kann ich wirklich verzichten«, sagte er wütend. »Los, verduftet! Ihr stinkt mir.«
Hastig wurde Elvira nach vorn geschoben.
»Na, ist das etwa nichts?«
Elvira sah jetzt einen Mann vor sich, wie sie noch keinen in ihrer Kleinstadt gesehen hatte. Zuerst einmal sah er wie ein Filmschauspieler aus. Er hatte ein raffiniertes Gesicht mit einem Schnauzbart, dazu trug er ein knallrotes Hemd und schwarze Samthosen. Er war umwerfend, und sie himmelte ihn gleich an.
Albert, der Kneipenbesitzer, sah zornig aus. Als er jetzt aber Elvira gewahrte, meinte er: »Wo habt ihr die denn aufgegabelt?«
»Am Pinnasberg. Dort streunte sie im Regen herum und suchte Arbeit. Sie ist von zu Hause ausgerissen, musst du wissen. Hast du gestern nicht gesagt, dass du eine Hilfe in der Küche brauchtest, Albert?«
»Ja, das habe ich gesagt.«
Er taxierte sie wie ein Pferd. Und erkannte sofort, dass sie aus gutem Hause war, also kein Flittchen. Mit denen zusammenarbeiten zu müssen, war schlimm. Die stahlen, wo sie nur konnten, und waren faul. Außerdem wuschen sie sich nur, wenn sie Geburtstag hatten.
Elviras Herz klopfte bis zum Hals. Sie wagte nicht etwas zu sagen. Alles war so unwirklich. Ihr war, als hätte eine Fee sie hierhin gezaubert. Alles war so aufregend und neu.
»Du gefällst mir«, sagte er und kniff ihr in die Backe.
Sie riss ihre Augen weit auf und errötete sofort. Aber das konnte man wegen des schummrigen Lichtes Gott sei Dank nicht sehen.
»Willst sie also haben?«
»Verstehst du was von der Küche?«
»Ein wenig«, lispelte sie.
»Ich hab einen Koch, dem musst du zur Hand gehen. Ich will es mit dir versuchen.«
Die Dirnen waren furchtbar stolz.
»So sind wir«, sagten sie anzüglich.
»Einen Dreck seid ihr!«, fluchte er, aber dann lenkte er ein und sagte: »Jonny soll euch ein Bier geben. Aber danach verschwindet ihr von der Bildfläche.«
Sie gingen zur Theke.
»Komm mit«, sagte Albert und nahm Elvira mit in die Küche. Zu ihrem Erstaunen sah sie, dass es sich um einen chinesischen Koch handelte.
»Lie-San frisst dich nicht auf«, sagte Albert.
Elvira schluckte. Sie hatte sich eigentlich das Leben in Hamburg ein wenig anders vorgestellt. Und wenn sie ehrlich sein wollte, so hatte es ihr nie Spaß gemacht, der Mutter im Haushalt zu helfen. Aber der bloße Gedanke, dass sie Albert jetzt immerzu sehen würde, machte sie willig.
»Leg deinen Rucksack dort ab, und dann hilf ihm. Später sehen wir weiter.« In dieser Nacht arbeitete Elvira, wie sie es noch nie getan hatte. Gegen Morgen, als der Betrieb endlich nachließ, hatte sie das Gefühl, die Beine würden ihr abfallen.
Lie-San lächelte nur und meinte lispelnd: »Wird schon werden.«
Sie lächelte zurück, ließ sich auf einen Stuhl fallen und war gleich darauf eingeschlafen. Irgendjemand rüttelte sie wach.
»Komm mit, ich zeig dir deine Kammer!«
Blinzelnd öffnete sie die Augen und sah Albert vor sich. Sie nahm ihren Rucksack und stolperte hinter ihm her. Oben unterm Dach wies er ihr eine kleine Mansarde zu.
»Der Koch ist mit dir zufrieden«, sagte Albert.
Elvira sah nur das Bett, ließ sich darauf nieder und fiel gleich in tiefen Schlaf.