Читать книгу Tränen einer Braut: 3 Romane - G. S. Friebel, Hendrik M. Bekker - Страница 18
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ОглавлениеElvira arbeitete weiter in der Küche. Und bald waren nicht nur zwei Nutten zu füttern, sondern vier. Das regte sie dann doch ziemlich auf, und sie fragte ihn. Albert verstand zwar nicht, was sie das anging, aber er musste sich das Mädchen warmhalten, und so sagte er nur: »Sie bringen mir das Geld für die Nachtbar. Der Schuppen hier allein wirft es nicht ab. Und wenn ich noch mehr kriegen kann, nehme ich noch mehr. Dann bau ich noch ein Stück an. Damit kann man wirklich sein ganz großes Geld machen.«
»Aber du hast doch nichts mit ihnen?«, fragte sie angstvoll. Er tätschelte ihr die Wange und meinte: »Mit diesen verlausten Weibern? Nee, ich hab ja dich.«
Da glühten ihre Backen auf, und sie war wieder selig. So verging die Zeit, und nun war sie schon zwei Monate in Hamburg und hatte von der Stadt noch nicht viel gesehen. Wenn sie etwas brauchte dann besorgte Albert das.
Aber seit ein paar Tagen waren ihre Wangen nicht mehr so rosig und das Arbeiten fiel ihr furchtbar schwer. Es kam jetzt immer häufiger vor, dass sie wenn sie die Speisen zubereiten musste, fluchtartig die Küche verließ und sich erbrach. Natürlich bemerkte Lie-San das, sagte aber zunächst nichts. Doch sie sah immer elender aus und mochte auch nichts mehr zu sich nehmen. Alles, was mit Essen zusammenhing, war ihr ein Gräuel geworden.
»Du musst zum Arzt, du bist schwanger. Ich kenne das!«
Elvira starrte ihn entgeistert an.
»Nein!«
»Doch, er wird es dir auch sagen.«
»Du glaubst, ich bekomme ein Kind?«, lispelte sie.
»Ja!«
Sie saß da und blickte auf den Hinterhof. Ein Kind! Jetzt musste Albert sie sofort heiraten. In der Kleinstadt war das auch schon vorgekommen. Dann heiratete man eben sehr schnell, und später hatte man dann angeblich eine Frühgeburt.
Wenig später kam Albert herein. Sie flog ihm entgegen und rief freudig: »Ich bekomme ein Kind, Albert? Jetzt müssen wir sofort heiraten!«
Wie vom Donner gerührt, stand er da und starrte sie entgeistert an.
»Waaas?«, schrie er los.
»Ja, Lie-San sagte es. Ich muss zum Arzt. O Albert, ist das nicht wundervoll.«
Er lief rot an.
»Bist du denn total verrückt geworden!«, keuchte er. »Ein Kind, das fehlte mir noch. Außerdem verpfuscht es deine Figur, und Ärger und Dreck gibt es auch. Warte, ich kenne da eine Adresse. Wenn das wirklich stimmt, dann bringe ich dich morgen hin, und du hast den ganzen Ärger los. Und das sage ich dir: Wenn du in Zukunft nicht dafür sorgst, dass so etwas nicht wieder passiert, dann werf ich dich auf die Straße.«
Entgeistert sah das junge Mädchen den Mann an.
»Aber das ist nicht dein Ernst! Du machst nur Spaß, Albert. Sag, dass du nur Spaß machst. Ich flehe dich an. Du ängstigst mich.«
»Ich und Spaß machen? Du gehst morgen zu der Engelmacherin, und dann bist du das Kind los. Das wird mich bestimmt einen Tausender kosten.«
»Nein!«, schrie sie ihn an. »Ich lass mein Kind nicht abtreiben! Niemals! Es ist mein Kind, und du bist der Vater! Und du wirst mich heiraten wie versprochen. Wir werden eine Familie sein, Albert.«
»Heiraten?«, höhnte er. »Ich habe dir nichts versprochen! Gar nichts. Ich denke nicht daran. Und wenn du nicht tust, was ich dir sage, kriegst du gleich einen Tritt und fliegst auf der Stelle. Solche dummen Puten wie dich, die krieg ich alle Tage.«
Sie musste sich an der Tischkante festhalten, sonst wäre sie umgesunken. Nun zeigte er sein wahres Gesicht. Und in dieser Sekunde verstand Elvira Lie-San endlich. Damals hatte sie ihn ausgeschimpft. Alles war Lüge gewesen. Albert hatte mit ihren Gefühlen gespielt, und sie hatte sich eine herrliche Zukunft vorgegaukelt Und jetzt wusste sie auch, wofür er sie in der Bar haben wollte. Als Stardirne! Oft genug hatte er von diesen teuren Mädchen gesprochen. Darum hatte er alles mit ihr geübt! Hatte er nicht immer dabei gesagt: So machen es die Hochbezahlten. Die haben Tricks, die du dir merken musst. Noch gestern hatte sie darüber gelacht. Und jetzt?
»Ich werde mein Kind behalten«, sagte sie, und ihre Augen wurden plötzlich eiskalt. »Du kannst mich nicht dazu zwingen. Ich werde mein Kind austragen, o ja. Und du wirst sein rechtmäßiger Vater sein.«
Er lachte nur hämisch und wollte wieder fortgehen.
»Bleib hier«, schrie sie ihn an.
Er drehte sich herum. Grausamkeit spiegelte sich in seinen Augen.
»Mach mich nicht ärgerlich«, sagte er leise. »Du kannst dann was erleben.«
»Du hast mich verführt«, sagte sie kalt. »Das hast du getan, damals in der ersten Nacht. Du hast mir die Unschuld geraubt, und dafür wirst du mich jetzt wieder ehrbar machen. Bilde dir nur nicht ein, ich wäre ein Kind, ein Nichts, mit dem du umspringen kannst wie mit einer gemeinen Dirne. Das wirst du unterlassen, hast du mich verstanden?«
»Was willst du? Geld? Kriegst du noch!«
»Geld will ich nicht. Du wirst mich heiraten.«
»Nein, verflucht noch mal! Bist du schwerhörig? Ich werde niemals heiraten! Die Weiber machen einen verrückt, saugen einem das Blut aus den Adern. Ich will reich werden, und daran wird mich keiner hindern.«
»Ich habe dich geliebt, o ja«, schluchzte sie auf. »Ich habe dich wirklich geliebt und gedacht, ich könnte dich ändern. Aber jetzt weiß ich, dass du ein gemeiner Hund bist. Aber ich will nicht in der Gosse landen. Du wirst mich heiraten, so wahr ich Elvira Schlieven heiße.«
Er lachte wieder hämisch auf. »Noch bin ich Mann genug, dich rauszuwerfen. Und dann kannst du sehen, wo du was zu essen kriegst. Mit einem dicken Bauch will dich keiner haben keiner, verstehst du!«
»Überleg es dir gut: Entweder du heiratest mich, oder du wirst wegen Verjährung Minderjähriger sitzen.«
Für Sekunden war es ganz still in der Küche.
»Was?«, keuchte er und wurde fast blaurot im Gesicht. »Du willst mir drohen? Hüte dich, oder du landest als Fischfraß in der Elbe!«
»Du wirst sitzen«, sagte sie ruhig.
»Ich habe meine Rechtsanwälte, die holen mich raus«, höhnte er. »Dich kleines Würmchen hört man ja nicht mal an bei den Bullen!«
»Mich vielleicht nicht, aber meinen Vater«, sagte sie ruhig. »Hast du vergessen, dass er Richter ist? Er wird schon dafür sorgen, dass der Verführer seiner Tochter eine gerechte Strafe erhält. Da halten die Kollegen zusammen, darauf kannst du Gift nehmen.!«
Zum ersten Mal im Leben ging nicht alles so, wie es sich Albert ausgedacht hatte. Unwillkürlich lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken. Das hatte er tatsächlich vergessen. Sie war ja nicht irgendwer. Und er wusste ganz genau: Wurde er jetzt verurteilt, dann würde er nicht so leicht wieder Fuß fassen können. In der Zeit, die er im Gefängnis saß, würden andere seinen Platz einnehmen. Kam er endlich wieder heraus, dann würde er die Stadt verlassen müssen. Ade, du reiche Welt. Seine Pferdchen ... Wo er doch heute die fünfte aufgerissen hatte! Wo ihm ein Projekt angeboten worden war, das genau seinen Wünschen entsprach. Und das alles sollte zum Teufel gehen? Sein ganzes Erspartes für einen Anwalt ausgeben und dann doch noch sitzen müssen?
»Du gemeine, hinterhältige Schlange!«, schrie er und wollte sich auf sie stürzen.
»Wenn du mich umbringst, wirst du lebenslänglich bekommen«, sagte sie ruhig.
Er bremste sich.
»Ich werde dich umbringen lassen, das schwör ich dir. Das hat noch keiner gewagt, so mit mir zu sprechen. Das wirst du mir büßen, das schwör ich dir!«
»Ich habe meinem Vater geschrieben«, log sie. »Er weiß jetzt alles. Und sollte ich irgendwie ums Leben kommen, dann weiß er, dass du deine Finger in der Sache gehabt hast.«
Albert saß ganz tief im Schlamassel. Zum ersten Mal war ein kleines Mädchen stärker; und das auch nur, weil sie einen Vater zum Richter hatte.
In diesem Augenblick sah er rot. Und weil er keine Dummheit begehen wollte, die ihn später vielleicht furchtbar reute, stürzte er davon. Irgendwie musste er versuchen, einen klaren Kopf zu bekommen. Es musste doch ein Hintertürchen geben!