Читать книгу Tränen einer Braut: 3 Romane - G. S. Friebel, Hendrik M. Bekker - Страница 17
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ОглавлениеSie hätte noch vieles zu diesem Thema gesagt, wenn in diesem Augenblick nicht die Pendeltür aufgestoßen worden wäre und zwei Mädchen die Küche betreten hätten.
Elvira hörte mit dem Tanzen auf und starrte die beiden an. Sie sahen alt und verlebt aus.
»Was wollt ihr denn?«, fragte sie hochmütig, denn jetzt hatte sie ein Recht, so zu reden. Sie war ja Alberts Verlobte!
»Die wollen nur ihr Essen«, sagte Lie-San ruhig. Damit schob er ihnen einen randvoll gefüllten Teller zu. Schweigend saßen sie an der Ecke des großen Tisches und schaufelten das Essen in sich hinein. Ihre zotteligen Haare hingen ihnen ins Gesicht, aber sie schienen sich nicht darum zu kümmern. Elvira hätte sich am liebsten die Nase zugehalten. Sie begriff Lie-San nicht, der doch sonst so für Sauberkeit war. Wahrscheinlich hatte er mit den Bettlerinnen Mitleid, etwas anderes konnten die beiden unmöglich sein.
Anke sah Elvira kurz an, dann wandte sie den Kopf und rief nach dem Koch. »Albert hat uns auch Schnaps versprochen! Ich seh ihn nicht!«
»Nur, wenn ihr alles aufgegessen habt«, sagte er streng.
Sie schimpften. Aber Lie-San wusste ganz genau, echte Säuferinnen wollten nur was zu trinken haben, nichts zu essen. Und so würde es nicht lange dauern, bis sie endgültig am Boden zerstört waren. Solange sie in seiner Küche zu essen bekamen, würde er dafür sorgen, dass sie eine anständige Unterlage hatten. Obwohl Albert ihm gesagt hatte, den beiden genügten auch Abfälle. Die wären wie Tiere und würden alles essen.
Sie knurrten und nuschelten ein wenig herum, aßen aber dann alles auf und bekamen dann jede ihre Flasche. Sofort erhoben sie sich und gingen.
»Wer waren die beiden?«, fragte Elvira.
»Das waren zwei Dirnen.«
»Waaas? So alt, und dann wollen die Männer sie noch?«
»Für wie alt hältst du sie denn?«
»Die sind bestimmt schon vierzig, wenn nicht noch mehr«, sagte sie.
»Die sind beide noch keine zwanzig Jahre alt«, entgegnete Lie-San.
»Du lügst!«
Lie-San sah sie ernst an. »Wenn du nicht bald fortgehst, dann wirst du auch so aussehen.«
»Niemals!«
»Die Dirnen arbeiten für Albert, Elvira. Und es wird nicht lange dauern, dann wird er dich auch auf den Strich schicken, wie diese Mädchen. Dann musst du jede Nacht dein Soll erfüllen. Tust du es nicht, dann kannst du was erleben.«
»Du bist verrückt!«, schrie sie ihm ins Gesicht. »Hast du vergessen, was Albert soeben zu mir gesagt hat?«
Lie-San wusste ganz genau, dass Albert ihr nichts gesagt hatte. Er war gerissen. Aber Elvira würde ihm nichts, aber auch gar nichts glauben; deshalb ließ er es.
Elvira ging nervös auf und ab. »Du gönnst mir mein Glück nicht, das ist es. Du bist wütend, dass du nicht mehr allein hier regieren kannst.«
Der Chinese schaute sie nur ausdrucklos an, und von Stund an ließ er dieses Thema fallen.
Albert tat fast gar nichts. Er besuchte sie nur jede Nacht, und als sie sich erst einmal daran gewöhnt hatte, machte es ihm und ihr großen Spaß. Aber ansonsten verhielt er sich wie immer. Doch das hielt Elvira nicht davon ab, im siebten Himmel zu schweben. Nur tat es ihr leid, dass sie sich noch immer verborgen halten musste. Einmal hatte sie eine kleine Andeutung darüber gemacht, dass Albert mit ihr zu den Eltern fahren sollte, aber da hatte er sie nur angebrummt und gemeint: »Das ist deine Sache. Die geht mich nichts an.«
Da hatte sie wieder einen Schmollmund gezogen und gemeint: »Aber es dauert ja noch bald vier Jahre, bis ich volljährig bin.«
»Und?«, hatte er geantwortet. »Je jünger du bist, umso besser fürs Geschäft. Diesen naiven Blick musst du behalten, darauf fallen sie alle herein. Wirst schon sehen.«