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Ω Omega Ω

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Bo tauchte den Pinsel in die Farbe und zog ihn viel zu schnell wieder heraus. Tropfen weißer Farbe zeichneten die Bewegung seines Arms auf den unebenen Pflastersteinen nach. Sunna hatte Schablonen hergestellt, aber er klatschte den Pinsel direkt auf die Mauer. Seine Ωs waren nicht ganz symmetrisch, dafür leuchteten sie viel stärker in der Nacht als die der anderen. Sein Farbeimer war schon wieder fast leer.

Jedes Ω, das er an die Wand malte – ein Ehrenmal für seinen Vater.

»Ich bin das Alpha und das Omega.«

Omega.

Ω.

Ich bin der Widerstand.

Er hatte sich nicht an Toms Ratschlag gehalten und war zur Hinrichtung gegangen. Sunna hatte ihm einen Rock geliehen und ihrer Mutter ein Kopftuch geklaut. Dazu zwei Äpfel unter einer Bandage, ein dickes Wolltuch für die Schultern, eine perfekte Rasur und niemand konnte ihn mehr von einem Mädchen unterscheiden. Er war froh, dass er dort gewesen war. Denn diese Bilder waren nun in seinem Kopf. Unauslöschlich. Sie feuerten ihn an. Trieben ihn weiter, wenn er einfach nur liegenbleiben wollte. Die Blutflecken, der schmutzige Verband um den Kopf des Mannes, der immer so sehr auf Sauberkeit bei seiner Arbeit geachtet hatte. Die Schreie. Bo prügelte ein weiteres Ω an die Wand.

Ihr werdet dafür bezahlen, ihr scheiß Birds.

»Iniqua numquam regna perpetuo manent«, schrieb er. Und noch ein Ω, dem aber nach einem halben Bogen die Farbe ausging. Er kratzte den letzten Rest der selbst zusammengerührten Farbe zusammen, beendete den Bogen und ging dann zu Sunna, die eine Schablone an die nächste Mauer klebte.

»Hast du noch Farbe?«

»Geh ein bisschen sparsamer damit um«, meckerte sie ihn an. »Wir haben nicht unendlich viel davon. Und wir haben noch die halbe Stadt zu informieren.«

Bo goss ein bisschen von Sunnas Farbe in seinen eigenen Eimer. »Zeichen an den Wänden reichen sowieso nicht, um das Volk aufzurütteln«, meckerte er zurück.

Seine Schwester malte mit geübten Pinselstrichen die Öffnung der Schablone aus. Nur ein schmaler Streifen Farbe blieb auf dem Papier zurück. Ein perfektes Ω.

»Flugblätter«, sagte sie. »Wir werden Flugblätter verteilen. Kris hat gesagt, dass er Papier organisieren kann. Wird allerdings ein paar Tage dauern.«

Kris. Immer wieder Kris. So langsam ging ihm dieser Streber auf die Nerven. Er schmierte das nächste Ω an die Wand. Hätte Sunna sich nicht einen weniger Angepassten als Freund suchen können? Einen, der nicht in diesem scheiß Unrechtssystem angestellt war, nicht von ihm bezahlt wurde?

Okay, es hatte geholfen, dass er in der Heimatschutzbehörde arbeitete und dort ein paar Leute kannte. Ohne Super-Kris würden seine Leute von der Quartierswache jetzt hinter Gittern sitzen und auf ihren Pseudo-Prozess warten. Nur, weil sie einen Buchstaben hochgehalten hatten.

Bo ging weiter. Seine Stirnlampe glitt an einer noch nicht von ihnen bemalten Mauer entlang. Sie war von oben bis unten mit den fetten Fröschen plakatiert, die die neuen Wohnungen am Stadtrand anpriesen.

Vorsichtig löste er einen der Zettel ab.

»Das ist doch genau das, was wir brauchen«, sagte er. »Helft mal mit«, rief er zu den Jungs rüber. Sie würden die Zettel nutzen, um Warnungen darauf zu schreiben. Die Menschen durften die Behördenvertreter nicht in ihre Häuser lassen. Auf keinen Fall.

»Autos«, rief Sunna, die als Erste die in der Ferne leuchtenden Scheinwerfer gesehen hatte.

Sie packten ihre Sachen und kletterten über die Mauer. Die Dornen in den Büschen dahinter rissen Löcher in ihre Kapuzenpullis.

Ein kleiner Preis.

Nordland. Hamburg 2059 - Freiheit

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