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Hin zum Wein!
ОглавлениеEine Studie zeigt: Unglaubliche 50 Millionen Weintouristen bereisen jedes Jahr die 13 deutschen Anbaugebiete. Eine Riesenchance für Wirtschaft und Weinkultur. Regionen wie Baden-Württemberg zeigen, wie man sie am Schopf packt.
Das Deutsche Weininstitut und die Hochschule Geisenheim zeigten in einer Studie das enorme Potenzial des Weintourismus in Deutschland auf.
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Wenn man mit dem Thema Weintourismus betraut ist, kommt man selber ganz schön rum. Eleonora Steenken lacht. „Oh ja. Ich habe bei Winzerstammtischen gesessen, war bei Weinbautagungen, auf Messen, bei Jungwinzertreffen...“ Alles für die Sache. Steenken ist bei der Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg verantwortlich für das Ressort Kultur und Genuss. Und das heißt auch: Wein. Im täglichen Leben ist dieser im Bundesland omnipräsent. Nun soll er noch stärker als bisher auf dem Radar der Touristen auftauchen.
Anfang des Jahres sorgte eine Studie des Deutschen Weininstituts und der Hochschule Geisenheim University rund um das Thema Weintourismus für Aufsehen. Weintourismus, ja klar ist der wichtig. Wusste man schon vorher, oder? Es stellte sich heraus: Das Potenzial ist noch viel größer als geahnt. Ein paar Zahlen: 50 Millionen Menschen jährlich reisen primär (!) wegen des Weins in die deutschen Weinregionen. Dabei geben sie die satte Summe von 5,5 Milliarden Euro aus. Dies ist natürlich eine Hochrechnung, aber eine recht repräsentative. Befragt wurden über einen Zeitraum von zwei Jahren rund 4500 Touristen in allen 13 Anbaugebieten. Dies an weinneutralen Orten – das heißt, man fing sie nicht gerade am Ausgang einer Vinothek ab. Dennoch gab fast ein Viertel der Befragten an, während des Aufenthalts mindestens ein Weingut zu besuchen. Und als Beweggrund für die Reise stand der Wein nach den Faktoren Natur und Erholung auf Platz drei, noch vor Genuss und Geselligkeit, Wandern und Radfahren oder sogar Kultur.
Ein riesiges Potenzial. Doch wie nutzt man dieses am besten aus? „Als Allererstes, indem man das sichtbar macht, was bereits existiert“, sagt Eleonora Steenken, „und dann gemeinsam weitere Angebote entwickelt.“ Unter dem griffigen Titel „Weinsüden“ hat die Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg daher ein landesweites Weintourismuskonzept geschaffen, welches genau das tut: Menschen den Weg zum Wein weisen. Der Begriff Weinsüden ist dabei kein Kind des Zufalls. „Welches Wort fällt Ihnen spontan zum Begriff Baden ein?“, lautete eine Frage im Rahmen der Geisenheim-Studie. 26 Prozent der Befragten antworteten „Wein“, gleich gefolgt von „Sonne“ oder „Sommer“. Und so sind unter dem Begriff und auf der Website www.weinsueden.de nun sämtliche weintouristischen Angebote Badens und Württembergs gebündelt. Das beginnt bei Rad- und Wanderwegen, geht über Events bis hin zu Weinhotels und Vinotheken. Für Letztere hat die Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg zwei eigene Gütesiegel geschaffen: „Weinsüden Hotel“ und „Weinsüden Vinothek“. Der Betreiber muss das Thema Wein aktiv leben und kompetent vermitteln – und natürlich eine Auswahl regionaler Weine im Angebot haben. „Das ist gar nicht so selbstverständlich“, sagt Eleonora Steenken. „Viele Vinotheken beispielsweise waren komplett aufs Ausland fixiert. Wir geben ihnen einen Anreiz, Schaufenster für die Region zu sein.“ So füllt sich nach und nach die Weinsüden-Landkarte, „und wir ersparen Touristen die aufwändige Recherche.“ Als nächstes wird man den Spot auf die Themen Wein und Architektur sowie auf Weinorte richten.
Radeln zum Wein – nur eine von vielen Möglichkeiten.
Aussicht garantiert: die Badische Weinstraße.
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Auch andere Regionen schlafen nicht. Ähnlich wie Baden-Württemberg hat Franken einen griffigen Obertitel für seine weintouristischen Angebote geschaffen: Fränkisches Weinland (www.fraenkisches-weinland.de). Hier ist man ganz stark im menschlichen Kontakt, etwa mit einheimischen Gästeführern, die Besuchern unter dem Motto „Weinerlebnis Franken“ ihre Heimat näherbringen – ein Konzept übrigens, das auch Baden-Württemberg mit seinen Weinerlebnisführern pflegt. Und der Rheingau (www.rheingau.de/wein) hat zwar kein eigenes Weintourismus-Label, schafft es aber wie es kein zweites Anbaugebiet, Kulinarik und Kultur mit dem Wein zu verknüpfen. So etwa mit dem Rheingau Gourmet Festival, den Rheingauer Schlemmerwochen oder den Weinprobierständen an landschaftlich und kulturell reizvollen Orten, wo im Sommer Einheimische Ellenbogen an Ellenbogen mit Touristen den Feierabend einläuten. Ein wenig Nachholbedarf hat indes die Mosel, laut Geisenheim-Studie nach wie vor das begehrteste Weintourismusziel in Deutschland, vor allem für Besucher aus dem Ausland. Da diese jedoch oft per Bus oder Schiff auf der Durchreise sind und in vielen Fällen weder Übernachtung noch Verpflegung benötigen, hinkt die touristische Infrastruktur hier, verglichen mit anderen Regionen, teils etwas hinterher. Doch auch das ändert sich. Und: In letzter Zeit sprießen fantastische Winzerinitiativen wie das Event „Mythos Mosel“ aus dem Boden, die als Magnet auf Weinliebhaber von nah und fern wirken.
Weintourismus macht für Güter rund ein Viertel des Umsatzes aus.
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Für Weingüter übrigens sind touristische Angebote, ob nun Führungen und Weinproben, Gästezimmer, eine Straußwirtschaft oder Vinothek, mitnichten Nebenerwerb. Die Geisenheim-Studie zeigte: Betriebe, die im Weintourismus aktiv sind, machen damit ein rundes Viertel ihres Umsatzes – und je kleiner das Weingut, desto größer der Anteil. Wer das begriffen hat, sind vor allem die Jungen. „Die Resonanz auf die Initiative Weinsüden war insgesamt riesig“, berichtet Eleonora Steenken. „Und besonders die Jungwinzer, ob in Baden oder Württemberg, haben uns total beeindruckt. Da wird nicht lange diskutiert, sondern einfach gemeinsam gemacht.“ Zum Beispiel die Weinsüden Pop-ups: ein entspannter Abend in den Reben, Musik, Fingerfood, und zwei Jungwinzer schenken ihren Wein dazu aus. So einfach geht das.
5,5 Milliarden Euro geben Weintouristen jährlich in Deutschland aus.
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