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FASSUNGSLOS ÜBER DEN IFFLANDRING Josef Meinrad
Wien 23.,
Anton-Krieger-Gasse 92–94

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Josef Meinrad und seine Frau Germaine hatten im Jahre 1955 ein Haus in Wien-Mauer gekauft, in dem nach dem Krieg ein russischer General einquartiert war. Vier Jahre nach dem Einzug in die geräumige Villa wurde Meinrad durch die höchste Ehrung überrascht, die einem Schauspieler zuteil werden kann: Der verstorbene Werner Krauß hatte ihm den Ifflandring, den der Überlieferung nach der bedeutendste Schauspieler deutscher Zunge erhalten soll, hinterlassen. Neben Meinrad selbst war auch ein großer Teil der Öffentlichkeit ob dieser Wahl fassungslos, die Krauß in einem Brief mit der »Einfachheit, Schlichtheit und Wahrhaftigkeit« des Burgschauspielers begründet hatte. »Ich habe diesen Brief immer wieder gelesen«, erklärte Meinrad damals, »um zu verstehen, warum Werner Krauß diese Entscheidung getroffen hat. Vielleicht wollte er das Land ehren, das ihm zur zweiten Heimat geworden ist … und ich bin dabei gar nicht so wichtig.«

In der deutschen Presse erschienen böse Kommentare, die hinterfragten, warum die Auszeichnung nicht einem »wirklich großen« Schauspieler wie Gustav Gründgens, Ernst Deutsch oder Ewald Balser übergeben worden war. Auch Meinrad hatte »dem deutschen und dem schweizerischen Theaterpublikum gegenüber eine gewisse Sorge«, wie er später sagte. »Ich hatte bis 1959 nur ganz wenige Theatertourneen durch Deutschland und in einigen Städten der Schweiz absolviert. Die Menschen kannten mich dort nur von einigen Fernsehaufzeichnungen und Filmen her, und die haben sicher nicht dazu beigetragen, auf mich aufmerksam zu machen. Dazu kam, dass die deutsche Presse die Ring-verleihung von Werner Krauß an mich mit Verwunderung, ja mit großer Reserviertheit aufnahm. Ich war in diesen Ländern eher ein unbekannter, in manchen Kreisen sogar ein unbedeutender Schauspieler.«

Ein Jahr später konnte Meinrad diesen Eindruck durch eine große Burgtheatertournee abschütteln. Nachdem er mehrere Monate als Theodor in Hofmannsthals Der Unbestechliche durch Deutschland, Luxemburg und die Schweiz unterwegs gewesen war, stellten Theaterfreunde in einem offenen Brief an den Künstler fest: »Ehrlich gesagt, als wir hörten, dass Werner Krauß Ihnen den ehrwürdigen Ifflandring zuerkannt hat, haben wir uns etwas gewundert. Seien Sie nicht böse darüber. Wer von uns kannte Sie schließlich näher als aus den dummen und dümmlichen Röllchen, die man Ihnen bisher im Film gab? Jetzt wissen wir es besser. Und wir haben begeistert Szenenapplaus geklatscht; immer wieder, als Sie uns Hofmannsthals Unbestechlichen vorspielten, und wir sahen, dass Sie unbestechlich durch Ihren jungen Ruhm, wirklich der liebenswürdigste Mensch und einsatzfreudige, eisern an sich arbeitende Schauspieler sind, als den Sie die Fama gepriesen hat. Sie haben uns begeistert! Wir haben Sie lieb gewonnen! Vielen Dank für Ihr Gastspiel.«

Erst jetzt im Zuge dieser Tournee auch von der deutschen Presse fast einhellig gelobt, hatte Meinrad das Gefühl, sich den Ifflandring wirklich verdient zu haben.

Und doch behielt er seine sprichwörtliche Bescheidenheit. Er arbeitete in der in seinem Keller etablierten Tischlerwerkstatt und in der Holzschnitzerei. Obwohl das Haus in Mauer sehr groß war, begnügte sich Meinrad mit einer winzigen Kammer, in der er völlig abgeschirmt seine Texte lernte. Die übrigen Räume wurden mit den von den Meinrads gesammelten Antiquitäten eingerichtet. Am Sonntagvormittag lud das Ehepaar regelmäßig zum »Jour«, dem Freunde wie Hugo Gottschlich, Inge Konradi, Hans Olden und Gusti Wolf angehörten.

1970 erwarb Meinrad in der Salzburger Gemeinde Großgmain eine ehemalige Scheune, die er zu seinem Zweitwohnsitz umbauen ließ. Als er sich achtzehn Jahre später vom Theater zurückzog (weil er bei einer Aufführung zum ersten Mal in seinem Leben auf den Souffleur angewiesen war) übersiedelte er mit seiner Frau ganz in das Landhaus, in dem er dann seine letzten Lebensjahre verbrachte. Er starb hier am 18. Februar 1996 im Alter von 83 Jahren.

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