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»Um ein freies Leben führen zu können« Die blutigen Verbrechen der Martha Marek
ОглавлениеDie Wienerin Martha Marek ging als eine der »prominentesten« Mörderinnen in die österreichische Kriminalgeschichte ein. Dabei war sie ursprünglich durch einen ganz anderen Kriminalfall bekannt geworden.
Der 24-jährige Ingenieur und erfolglose Erfinder Emil Marek aus Mödling bei Wien stand im Frühjahr 1927 wegen des Verdachts, sich selbst das linke Bein abgehackt zu haben, vor Gericht. Das Motiv: Versicherungsbetrug. Er und seine um fünf Jahre ältere Frau Martha wollten von der Anglo-Danubian-Lloyd wegen eines »Arbeitsunfalls« 400 000 Schilling* kassieren. Emil Marek gab an, sein Bein beim Zerkleinern von Holz verloren zu haben. Nicht nur, dass die Polizze erst einen Tag vor dem angeblichen Unfall in Kraft getreten war, ergab die gerichtsmedizinische Untersuchung des Stumpfs, dass das Bein durch vier Axthiebe abgetrennt worden war. Laut Anklage handelte es sich um Selbstverstümmelung Emil Mareks unter Beihilfe seiner schönen Frau Martha.
Doch ein überwiegender Teil der Öffentlichkeit stand aufseiten des dubiosen Ehepaares, da man vermutete, der Versicherungskonzern wollte sich mithilfe juristischer Winkelzüge um die Zahlung drücken. Das Paar wurde auch mangels Beweisen vom Betrug freigesprochen. Mit der Versicherung einigte man sich schließlich in einem Vergleich auf Auszahlung von 180 000 Schilling.
Standen wegen Versicherungsbetrugs vor Gericht: Emil und Martha Marek
Der spektakuläre Prozess war freilich nur der Auftakt der eigentlichen kriminellen Karriere Martha Mareks. Ihr Mann, der nach der Amputation seines Beines kränklich war, starb am 31. Juli 1932. Bald folgte ihm die einjährige Tochter Ingeborg ins Grab. Wie Martha Marek später gestand, hatte sie Mann und Kind getötet, »um ein freies Leben führen zu können«. Doch vorerst spielte sie dem staunenden Publikum in Zeitungsartikeln die leidgeprüfte Witwe vor, worauf ihr eine Welle des Mitleids entgegenschlug und Spendengelder auf ihr Konto flossen.
Martha Marek nützte die von ihr angestrebte »Freiheit« zu weiteren Giftmorden. Das nächste Opfer war ihre Tante Susanne Löwenstein. Kurz nachdem diese ihr Testament »zugunsten der bedauernswerten Witwe Martha Marek« verändert hatte, starb Frau Löwenstein unter mysteriösen Umständen.
Martha Marek, die zu diesem Zeitpunkt in ärmlichen Verhältnissen lebte, zumal die einst kassierten Zuwendungen längst aufgebraucht waren, bezog nach Auszahlung der neuerlichen Versicherungssumme eine große Villa in Hietzing und pflegte wieder einen aufwendigen Lebensstil.
Als dann auch das von der Tante geerbte Vermögen weg war, nahm Frau Marek eine Untermieterin auf. Sie hieß Theresia Kittenberger und fand sich kurz nach der Übersiedlung in Mareks Wohnung bereit, eine Lebensversicherung in Höhe von 5000 Schilling zugunsten ihrer Vermieterin abzuschließen.
Damit hatte auch sie ihr Todesurteil unterschrieben. Theresia Kittenberger starb kurze Zeit später.
Doch Frau Kittenbergers Sohn schien der plötzliche Tod seiner gerade noch vor Gesundheit strotzenden Mutter aufklärungsbedürftig. Und er meldete seinen Verdacht der Polizei. Bei der nun folgenden Exhumierung und einer Untersuchung aller Fälle kam Schreckliches zutage: Die Marek hatte sowohl ihren Mann als auch ihre Tochter, ihre Tante und die Untermieterin ermordet. In allen vier Fällen führte das frei im Handel erhältliche Rattengift Zelio-Paste zum Tod.
Der Prozess wegen vierfachen Mordes begann im Februar 1938, wenige Tage vor dem Einmarsch der Hitler-Truppen. Wäre das Urteil noch in Zeiten, da Österreich existierte, gefallen, hätte Martha Marek wohl eine lebenslange Haftstrafe bekommen, da in Österreich seit dem Jahr 1900 keine Frau mehr hingerichtet worden war. Doch sie wurde am 19. Mai, bereits in der »Ostmark«, von den Geschworenen zum Tode verurteilt.
Als Folge des »Anschlusses« musste Martha Marek ihr Gnadengesuch statt an den österreichischen Bundespräsidenten an den »Führer« Adolf Hitler richten.
Ohne Erfolg. Im September 1938 wurde aus der Strafanstalt Berlin-Tegel das Gerät F nach Wien gebracht. F stand für Fallbeil. Es wurde am 6. Dezember 1938 zum ersten Mal nach Jahrzehnten in Österreich angewendet. Martha Marek wurde an diesem Tag enthauptet.
*Die Summe entspricht laut Statistik Austria im Jahr 2021 einem Betrag von rund 1,2 Millionen Euro.