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Wo man sich »wia z’Haus« fühlt Österreichische Gasthauskultur

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Speisekarte brauchte man keine, in jenen Tagen, als sich das Wirtshaus immer größerer Beliebtheit zu erfreuen begann. Wozu auch: Es gab ohnehin nur Gulasch, Schnitzel, Schweinsbraten und Frankfurter. Heute gibt es weniger Gasthäuser, doch die verbliebenen haben deutlich an Auswahl und Qualität gewonnen.

»Einkehrgasthöfe«, die vor allem für Reisende gedacht waren, gibt’s schon viel länger, doch die familienfeindlichen Stehweinhallen der Wiener wurden erst um das Jahr 1800 vermehrt von Wirtshäusern abgelöst, in denen man auch warme Mahlzeiten zu sich nehmen und Frau und Kinder mitbringen konnte.

Naturgemäß boten die Wirte in den biedermeierlichen Vororten ihre Speisen und Getränke wesentlich billiger an als ihre Kollegen in der Stadt. Und so nützten die Wiener die Sonntage zu Ausflügen an die Peripherie, wobei sich das nahe Neulerchenfeld besonderer Beliebtheit erfreute. Der Vorort nahm einen großen Aufschwung und wurde wegen seiner vielen Lokale »des Heiligen Römischen Reichs größtes Wirtshaus« genannt.

Von den 156 Häusern, die es in Neulerchenfeld gab, beherbergte die Hälfte – genau 83 Häuser – konzessionierte Schankbetriebe. An schönen Sommertagen vergnügten sich bis zu 16 000 Wiener in den Gastgärten des Ortes. Ein beliebtes Lokal war die Rote Breze, in der ab 1838 die Kapellen von Lanner und Strauss Vater aufspielten.

Die Neue Illustrierte Zeitung berichtete 1879, dass laut Polizeibericht in Wien insgesamt 6080 »öffentliche Locale« (Gaststätten, Bierhallen, Kaffeehäuser, Volksküchen, Branntweinschenken, Suppenanstalten und Hotels) registriert waren. Die Frage, warum die Wiener so gerne auswärts »tschechern« gingen, wusste schon der trinkfreudige Knieriem in Nestroys Lumpazivagabundus zu beantworten: »Im Haus schmeckt einem der beste Trunk nicht, im Wirtshaus muss man sein, das ist der Genuss, da ist das schlechteste G’söff ein Hautgout.«


Ort der Geselligkeit: Typisches Wiener Gasthaus um 1910

Die Speisen der Gasthöfe wurden nicht nur von den »kleinen Leuten« geschätzt. Selbst Kaiser Franz Joseph labte sich mit Wirtshauskost. Er selbst konnte natürlich nicht in eine »Restauration« gehen, aber er ließ sich jeden Tag aus dem hofburgnahen Michaeler Bierhaus zum Gabelfrühstück ein paar Frankfurter mit einem Seidl Bier bringen.

Apropos. Wiens erstes Bräuhaus öffnete bereits im Jahr 1416 seine Pforten. Bier wurde zum Lieblingsgetränk der Wiener, sein Konsum war doppelt so groß wie der Weinverbrauch.

Bemerkenswert sind heute noch existierende Traditionslokale wie der Rathauskeller und das Griechenbeisl in der Innenstadt, das Schweizerhaus im Prater und das Kaffeehaus der Wienerlied-Legende Schmid-Hansl in Währing.

Als während des Ersten Weltkrieges die Männer ins Feld zogen, schlossen viele Wirtshäuser – großteils für immer. Die Zeit, da es an einer Kreuzung bis zu drei Gasthöfe gab, war vorbei, aber es gibt immer noch viele. Und man besucht sie nicht nur der Nahrungsund Genussmittelaufnahme wegen, sondern auch als Ort der Geselligkeit, um am Stammtisch mit Gleichgesinnten vom Spar-, Gesangs-, Briefmarken- oder Sportverein zu kommunizieren.

Die Entwicklung der Gastronomiebetriebe zeigt den Konjunkturaufschwung der Zweiten Republik. Gab es im Jahr 1978 in ganz Österreich 15 000 Gasthäuser, so sind es heute nur noch 8000. Dafür ist die Zahl der teureren Restaurants in dieser Zeit von 1000 auf 9000 gestiegen. Mit anderen Worten: Der Österreicher ist heute bereit (und in der Lage), für Speis und Trank wesentlich mehr Geld auszugeben als vor vierzig Jahren. Insgesamt stieg die Zahl der Gastronomiebetriebe in diesen Jahren von 35 000 auf fast 60 000, wobei italienische, chinesische und japanische Restaurants den höchsten Zuwachs melden. Auf Kosten der Dorfwirtshäuser und der »Beisln« ums Eck.

Übrigens hat der Ausdruck Beisl in den vergangenen Jahrzehnten eine ganz andere Bedeutung erhalten. Galten sie früher als »Lokale niederer Güte«, so sind sie heute oft als »Nobelbeisln« sehr beliebt.

Aber egal, ob Beisl, Gasthaus oder feines Restaurant: Fest steht, dass sich der gelernte Österreicher trotz vieler Veränderungen im Wirtshaus »wia z’Haus« fühlt.

Damals wie heute.

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