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»Es wird a Wein sein …« Der Heurige ist über 1200 Jahre alt
ОглавлениеWen es an heißen Tagen zu einem kühlen »G’spritzten« in einen schattigen Weingarten zieht, der wird wohl kaum daran denken, dass die Institution des Wiener Heurigen schon mehr als 1200 Jahre alt ist. Die Winzer dieser Stadt wurden im Jahr 795 das erste Mal aufgefordert, ihren selbst angebauten Wein auszuschenken. Das war die Geburtsstunde des Heurigen, an dessen Grundprinzipien sich bis heute nicht viel geändert hat: Ein am Eingang eines Winzerhauses befestigter »Buschen« aus grünen Föhrenzweigen zeigt Freunden edler Tropfen an, dass es hier Wein »der letzten Fechsung« gibt.
Es sollten dann fast tausend Jahre vergehen, bis Kaiser Joseph II. die gesetzliche Grundlage für den Heurigen schuf: als er am 17. August 1784 jedem Hauer gestattete, »selbst erzeugte Lebensmittel, Wein und Most wie, wann und in welchem Preise er will, zu verkaufen oder auszuschenken«. Damit begann die Blütezeit des Heurigen, die vorerst ihr Ende fand, als Wiens Vorstädte eingemeindet und auf diese Weise riesige Weingebiete in Bauland umgewidmet wurden.
Viel älter als der Heurige ist natürlich der Wein selbst, den gibt es schon seit siebentausend Jahren. Vor zwei Jahrtausenden passierte dann Schreckliches, als nämlich Rom den Weinanbau in all seinen Provinzen untersagte. Womit auch in und um Vindobona, der weinseligsten Stadt des Reichs, das Pflanzen der Reben verboten war. Der Grund: Die bekanntermaßen dem Alkoholgenuss zugeneigten Römer fürchteten – nicht ganz zu Unrecht wohl –, dass unser Tropfen ihrem eigenen eine allzu starke Konkurrenz sein könnte.
Erst der römische Kaiser Probus hob das Verbot wieder auf, was wir ihm nie vergessen werden: Im Wiener Heurigenviertel Heiligenstadt erinnert heute noch eine Gasse an ihn, und das populäre Heurigenlied Es steht ein alter Nussbaum besingt ihn mit der schönen Zeile: »Ja, der Kaiser Probus kennt den ganzen Globus«.
Zwar zählt Österreich zu den führenden Weinländern Europas, doch wurde hier in früheren Zeiten wesentlich mehr angebaut als heute. Hauptgrund für den dramatischen Rückgang war ein katastrophales Weingartensterben im 19. Jahrhundert, als weite Teile des Landes von der Reblaus befallen wurden.
Dieses mit den Worten »I muss im früher’n Leben a Reblaus g’wesen sein« oft besungene, aber keineswegs liebenswerte Tier war 1872 durch kalifornische Reben eingeschleppt worden und verbreitete sich so rasant, dass der Rebenhandel zeitweise zum Erliegen kam. Ganze Weinberge mussten gerodet werden, Winzer verarmten, und doch konnte man der Reblaus jahrzehntelang nicht Herr werden.
Hans Moser, der berühmteste Interpret der »Reblaus«, hasste das Lied, weil darin ein Schmarotzer besungen wurde, der den Wein zerstörte. Er selbst saß auch privat gern beim Heurigen – als einer von vielen Künstlern, die die anregende Atmosphäre der Buschenschanken zu schätzen wussten.
Allen voran Franz Schubert, der sich 1821 im Wiener Vorort Salmannsdorf im ersten Stock eines Winzerhauses einmietete und diese Nachbarschaft mit seinen Zechkumpanen ausgiebig zu nutzen wusste. Nachdem er bei einem Grinzinger Heurigen eingekehrt war, notierte sein Freund Hartmann: »Wir alle waren rauschig, besonders aber Schubert. Um zwölf Uhr nach Hause.«
Oft gesehen in Buschenschanken wurden auch Ludwig van Beethoven – dessen 35 Wiener Wohnungen großteils in Heurigengegenden lagen –, Anton Bruckner, Franz Grillparzer und Ferdinand Raimund. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Leber des Volksdichters – wie seinem Obduktionsbefund zu entnehmen ist – »widernatürlich groß« gewesen sei.
Apropos: So fesch kann die Hetz gar nicht sein, dass beim Heurigen der Tod nicht ständig präsent wäre. Vor allem dann, wenn »aufg’spielt« wird. Kaum ein Heurigenlied, in dem das Sterben nicht besungen wird: Es wird a Wein sein und wir werden nimmer sein, Warum gibt’s im Himmel kan heurigen Wein, Verkauft’s mei G’wand, i fahr in Himmel oder Erst wenn’s aus wird sein mit aner Musi und an Wein.
Doch geeichte Drahrer wissen, dass es so bald nicht aus sein wird mit ana Musi und schon gar nicht mit an Wein. Der Heurige hat alle Katastrophen überlebt, die je über unser Land hereingebrochen sind: das Weinbauverbot der Römer ebenso wie Kriege, die Pest und den Glykolskandal im Jahr 1985.
»Erst wenn’s aus wird sein«: Ein Heuriger reiht sich in der Grinzinger Sandgasse an den nächsten, Wien 1927.
Gedanken machen sich die Winzer und Heurigenwirte dennoch über den Klimawandel. Dieser habe bisher zwar keine Auswirkungen auf die Qualität der Eigenbauweine, hört man aus dem »Verein der Wiener Heurigen«, aber die große Hitze verleitet immer mehr Wiener, an Nachmittagen ins Schwimmbad statt zum Heurigen zu gehen.