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Da waren’s nur noch vier Vom Verschwinden der Ringstraßencafés
ОглавлениеOper, Burgtheater, Parlament, Adelspaläste, Museen und Kaffeehäuser – das waren die Glanzpunkte der Ringstraße, als sie vor mehr als 150 Jahren eröffnet wurde. Aber von den 29 Cafés, die es damals am »Ring« gab, existieren heute nur noch vier. Im Sommer 2012 hat mit dem 1879 eröffneten Café Schottenring wieder eines zugesperrt. Nun bleiben der Ringstraße das Café Schwarzenberg, das Landtmann, das Prückel und das Café im Hotel Imperial.
Die Ringstraßen-Cafés sind ein wenig feudaler als die meisten anderen. Mit ihren Plüschmöbeln, Kristalllüstern und großen Spiegeln erinnern sie eher an Salons als an Kaffeehäuser, und die Melange kostet auch mehr als in der Vorstadt. Kein Wunder: Die Mieten an der Ringstraße waren und sind exorbitant. Allein für den Schanigarten zahlte ein Cafétier nach Eröffnung der Ringstraße monatlich 4 Gulden 20 pro Quadratmeter und damit vier Mal so viel wie etwa in der Josefstadt.
Eines der elegantesten war das vis-à-vis der Oper gelegene Café Heinrichhof, in dem prominente Künstler verkehrten, von Johannes Brahms, der täglich in derselben Loge sein Mittagsschläfchen hielt, bis zu den Gesangsstars Leo Slezak und Maria Jeritza, die zwischen den Proben im Kaffeehaus saßen.
Namentlich nicht bezeichnetes Ringstraßencafé mit Schanigarten, aufgenommen im Jahr 1915
Die ersten Ringstraßen-Cafés sperrten nach dem Zusammenbruch der Monarchie. Die Armut war groß, es war nicht mehr schick, an der Sirk-Ecke vor dem Hotel Bristol zu flanieren, die Leute hatten andere Sorgen, als ins Kaffeehaus zu gehen. Dennoch konnte sich vorerst eine beachtliche Anzahl der Traditions-Cafés halten, in denen man sowohl Bürgertum als auch »kleine Leute« traf, die oft Stunden bei einem Kleinen Braunen verbrachten, um sich zu Hause die Heizkosten zu sparen.
Im Jahr 1938 brachte die Vertreibung zahlreicher Gäste das Ende etlicher Ringstraßen-Cafés. Und gegen Ende des Krieges wurden Teile der Ringstraße zerbombt, so auch der Heinrichhof samt gleichnamigem Kaffeehaus. Nur noch Geschichte blieben die Cafés Kremser und Hochleitner am Kärntner Ring, das Café Stadtpark am Parkring, das Reisenleitner am Schottenring, das Café Corso am Schubertring und das Künstler-Café am Universitätsring.
Nach dem Krieg schlossen das Café Kaisergarten, das Café Brunner und das Operncafé, alle am Opernring gelegen. Dabei war das Operncafé immer voll, aber so viele Große Braune für zwei Schilling kann man nicht verkaufen, um damit die Miete am Opernring zu zahlen. Im Operncafé landeten schließlich die Verkaufsräume von Mercedes (die es inzwischen auch nicht mehr gibt).
So manches Ringstraßen-Café hätte nicht zusperren müssen – es war gut besucht und schrieb Gewinne, doch als Banken, Versicherungen und Automobilsalons den Cafétiers für die gute Lage so hohe Ablösen zahlten, wie sie in ihrem Leben mit Melange und Butterkipferl nicht verdient hätten, konnten viele nicht widerstehen.
Jedes Ringstraßen-Café kann unzählige Geschichten erzählen. So kam der Dirigent Franz Schalk nach der Oper immer im Frack ins Café Imperial und wurde deshalb von manchem Gast mit dem Kellner verwechselt. Mit jenem Kellner Julius, der sein ganzes Leben im Imperial tätig war – von der Zeit als Piccolo bis in die Tage, da er als greiser Ober schweren Schritts immer noch Kaffee servierte. Friedrich Torberg beschreibt auch den Imperial-Stammgast Friedrich Eckstein, der so umfassend gebildet war, dass sich Gäste wie Hofmannsthal, Schnitzler und Werfel bei strittigen Fragen an ihn wandten. »Man raunte sich zu, dass der große Brockhaus, wenn er etwas nicht wusste, heimlich aufstand und im alten Eckstein nachsah.«
Das Landtmann wurde 1873 von Franz Landtmann eröffnet und ebenfalls von prominenten Gästen frequentiert. Sigmund Freud hat man hier ebenso gesichtet wie Gustav Mahler, Max Reinhardt, Peter Altenberg und später dann Oskar Werner, Hans Moser und Romy Schneider.
Nach Franz Landtmann wurde das Kaffeehaus von diversen Eigentümern übernommen – einer hieß Karl Kraus, war aber mit dem gleichnamigen Literaten nicht identisch –, ehe es 1926 in die Pleite schlitterte. Nun war es die Familie Zauner, die das Café rettete und fünfzig Jahre lang führte. Sie war es auch, die für die heute unter Denkmalschutz stehende Einrichtung des Kaffeehauses sorgte. Seit 1976 befindet sich das Landtmann im Eigentum der Familie Querfeld.
Im Landtmann traf und trifft sich auch die hohe Politik der Stadt, und die Besitzer sind stolz darauf, dass es bisher keinen Bundespräsidenten und keinen Bundeskanzler gab, die hier nicht eingekehrt wären. Julius Raab, der im Landtmann seine Regierungsbesprechungen abhielt, soll an seinem Fenstertisch sogar den Außenminister Karl Gruber abgesetzt haben.
Raab nahm hier täglich sein Frühstück ein, um im Anschluss daran seine geliebte »Virginier« zu rauchen. Nur eines duldete der Kanzler nicht: Wenn ihm der Landtmann-Chef Zauner seine politischen Ansichten darlegen wollte. Als Herr Zauner wieder einmal einen diesbezüglichen Versuch unternahm, erwiderte Raab: »I mach Ihna an Vorschlag: I versteh nix davon, wia ma an Kaffee braut und werd Ihna auch weiterhin dabei net dreinreden. Dafür lassen Sie die Finger von der Politik. Weil die is nämlich nix für Ihna.«
Die Zeiten haben sich dramatisch geändert. Mit ihnen leider auch die Zahl der Ringstraßen-Cafés.