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Autismus aus der Betroffenensicht

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Die Auseinandersetzung mit der medizinischen Betrachtung von Autismus, die sich in den Klassifikationssystemen widerspiegelt, hat viele Betroffene, insbesondere Aktivist*innen aus Selbstvertretungsgruppen, dazu veranlasst, sich selbst mit Autismus zu befassen und eigene Positionen zu entwickeln. Warum dies wertvoll ist, führt uns die Autistin Jasmine O‘Neill (2001, 12 f.) vor Augen:

„Zu viele Eltern und Betreuer autistischer Menschen schenken schriftlich oder mündlich weitergegebenen Fehleinschätzungen Glauben. Was Ärzte oder Psychologen sagen, braucht nicht immer wahr zu sein. Manche so genannte Experten sind schlichtweg inkompetent. (…) Viele Aussagen Außenstehender über autistische Menschen sind reine Spekulation. (…) Besonders empfehlenswert ist es, medizinische Texte mit anderen Quellen zu kombinieren.“

Ergänzend äußert sich der Autist Hajo Seng (zit. in: Kohl, Seng & Gatti 2017, 358 f.):

„In den Erfahrungen autistischer Menschen stehen dagegen andere Aspekte im Zentrum, vor allen Dingen ihre Wahrnehmung und ihr Denken betreffend. Ihre Erfahrungen und Reflexionen ermöglichen andere, bislang kaum beachtete und vermutlich auch für das Leben autistischer Menschen relevantere Zugänge zum Autismus.“

Vor diesem Hintergrund wurden von uns autobiografische Schriften und insbesondere Erkenntnisse aus der Sicht Betroffener wissenschaftlich aufbereitet. Eine führende Rolle kommt im Hinblick auf Umgang mit Autismus dem weltweit agierenden Autistic Self Advocacy Network (ASAN) zu (vgl. Kapp 2020; Theunissen & Sagrauske 2019; Theunissen 2020). Zentrale Anliegen dieser politisch einflussreichsten Selbstvertretungsorganisation sind:

•Nichts über uns ohne uns! (Empowerment im Sinne von Selbstvertretung, Mitsprache, Mitbestimmung und Mitgestaltung)

•Wertschätzung der Neurodiversitätshypothese (Diese besagt, dass es keine „normale Gattung von Mensch“ gibt, sondern eine breite Palette an Möglichkeiten, wie das menschliche Gehirn neuronal angelegt und vernetzt sein kann)

•Verabschiedung vom Heilungsgedanken und Verbot aversiver (bestrafender) Therapiemethoden oder Interventionen

•Verzicht auf restriktive Therapiemethoden (z. B. in Bezug auf direktiv angelegte ABA-Formate4 einer intensiven Verhaltenstherapie) zugunsten unterstützender Maßnahmen für ein „Leben mit Autismus“

•„Partizipative Autismusforschung“ und Unterstützung von Forschungsprojekten und Maßnahmen, die die Erhöhung von Lebensqualität und Verbesserung der Lebenssituation von Autist*innen zum Ziel haben: z. B. inklusive Bildung; inklusives (ggf. unterstütztes) Wohnen, (ggf. unterstützte) Beschäftigung (Jobcoaching) auf dem 1. Arbeitsmarkt, gesellschaftliche Teilhabe)

•Peer Counseling (Betroffenen-Beratung, z. B. Autist*innen beraten Autist*innen)

Als richtungsweisend für ein zeitgemäßes Autismus-Verständnis können sieben von ASAN vertretene „autismustypische Merkmale“ betrachtet werden, die wir bereits in anderen Schriften mit vielen Beispielen aufgegriffen und ausführlich beschrieben haben (vgl. Theunissen 2020; Theunissen & Sagrauske 2019). Daher fassen wir uns im Folgenden kurz:

Basiswissen Autismus und komplexe Beeinträchtigungen

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