Читать книгу Basiswissen Autismus und komplexe Beeinträchtigungen - Georg Theunissen - Страница 8
Autismus
ОглавлениеDer Begriff „Autismus“ ist vom griechischen Wort „autos“ abgeleitet. Ins Deutsche übersetzt wird er mit „selbst“ in Verbindung gebracht. Im Jahr 1911 wurde er von dem Schweizer Psychiater Eugen Bleuler zunächst zur Beschreibung eines Merkmals der Schizophrenie benutzt. Damit sollte aber nicht zwangsläufig etwas Pathologisches gekennzeichnet werden. Vielmehr versuchte Bleuler mit Autismus den von ihm bei seinen schizophrenen Patienten beobachteten Kontaktverlust mit der Umwelt und den Rückzug aus der Wirklichkeit als eine menschliche Eigenschaft zu beschreiben (Theunissen & Sagrauske 2019, 14).
Daran anknüpfend wurde der Begriff in den 1940er Jahren von Leo Kanner und Hans Asperger benutzt, die als „Pioniere“ des Autismus bezeichnet werden. Allerdings hatten sie durch Zuarbeiten der Psychologin Anni Weiss-Frankl und des Psychiaters Georg Frankl erheblich profitiert (vgl. Theunissen 2021d). Zudem gibt es noch eine dritte „Erstbeschreibung“ autistischer Merkmale und autistischen Verhaltens. Sie stammt von der russischen Kinderpsychiaterin Grunja Schucharewa, die um 1920 autistische Merkmale und Verhaltensweisen von Jugendlichen unter der Bezeichnung „schizoide Psychopathie“ gefasst hatte (vgl. Theunissen 2021a).
Heutzutage begegnen wir verschiedenen Versuchen, die betroffene Personengruppe zu kennzeichnen und zu beschreiben. Die beiden weltweit anerkannten Klassifikationssysteme ICD1 und DSM2 sowie viele Fachleute benutzen den Begriff „Autismus-Spektrum-Störung“. Dagegen wenden sich nicht wenige Betroffene, die Autismus weder als Krankheit noch per se als eine psychische Störung betrachten. Ihrer Ansicht nach ist Autismus Ausdruck menschlichen Seins, weshalb sie die Bezeichnungen Autist*in, autistische Person oder auch Mensch im Autismus-Spektrum bevorzugen (vgl. Kenney et al. 2015). Folgerichtig lehnen sie ebenso wie die von Eltern betroffener Menschen eingebrachte Bezeichnung „Mensch mit Autismus“ ab. Einige weltweit renommierte Autismusforscher (z. B. S. Baron-Cohen et al. 2009) haben darauf reagiert, indem sie die Bezeichnung „autism spectrum condition“ favorisieren. Damit soll der Blick auf Defizite oder Störungen und zugleich auf spezifische Stärken und Fähigkeiten autistischer Personen gelenkt werden.
Merkbox
Statt Autismus-Spektrum-Störungen sollen Bezeichnungen wie Autismus oder Autismus-Spektrum bevorzugt werden. Autismus gilt als Ausdruck menschlichen Seins. Daher bezeichnen sich Betroffene als Autist*innen.