Читать книгу Wenn es gegen den Satan Hitler geht ... - Georg von Witzleben - Страница 23
Chef des Stabes der 6. Division
ОглавлениеIn Lübeck blieb er wiederum nur kurze Zeit. Bereits am 1. Februar 1930 wurde er Chef des Stabes der 6. Division und des Wehrkreises VI in Münster/Westfalen,398 wo man ihn am 1. April 1931 zum Oberst beförderte.399 Außerhalb des Reichswehrministeriums war dieser Dienstposten eine der höchsten Stellungen, die ein Generalstabsoffizier in der Reichswehr erreichen konnte.400
Der Umzug nach Münster gestaltete sich für die Familie schwierig, da Witzlebens Vorgänger, Oberst Walther von Brauchitsch, die für den Chef des Stabes vorgesehene Dienstwohnung noch nicht räumte. So blieben Frau und Tochter noch eine Zeit lang in Lübeck. Elsa von Witzleben musste sich dort einer großen Operation unterziehen.401 Zu allem Überfluss erlitt sie einen Sturz mit dem Pferd, sodass sie fortan nur noch mit einem Stock gehen konnte.402 Schließlich zog die Familie in die frei gewordene Dienstwohnung, Breul 16.403 In Münster erholte sich Elsa von Witzleben von ihrer Krebsoperation und begann einige Kurse in Geschichte an der Universität zu belegen.404 Sohn Job Wilhelm war mittlerweile von Roßleben nach Münster gewechselt und bestand hier 1930 sein Abitur. Als er anfing, in Karlsruhe Ingenieurwesen zu studieren, wurde er auf Anraten seines Vaters in einem Studentencorps aktiv.405
Zu Witzlebens Aufgaben gehörte auch die »enge Fühlungnahme mit Persönlichkeiten der Industrie, vor allem in der entmilitarisierten Zone«406. Und generell nahmen die gesellschaftlichen Verpflichtungen für den Chef des Stabes und seine Ehefrau deutlich zu.407 1931 wurde er zum Rechtsritter des Johanniterordens ernannt. Es war im zweiten Münsteraner Jahr, als für Witzleben noch einmal der Glanz des alten Kaiserreiches erstrahlte: In Sonnenburg erhielt er vom Herrenmeister – seinem alten Regimentskameraden Oskar Prinz von Preußen – den Ritterschlag.408
In Münster traf er seinen Freund Hans Oster wieder, und auch beide Familien verbrachten hier privat viel Zeit miteinander.409 Oster wurde Witzlebens Ic, der Dritte Generalstabsoffizier.410 Dieser war für die militärische Aufklärung verantwortlich. In seiner Funktion war der Ic auch Verbindungsmann sowohl zu den örtlichen zivilen Sicherheitsbehörden als auch in der Reichswehr zur Abwehr und zu den für Sicherheit zuständigen Offizieren innerhalb der Division. Witzleben ist in dieser Zeit über die Sicherheitslage und das Zusammenspiel der Sicherheitsbehörden bis hin zu Fragen des militärischen Ausnahmezustandes und des Umganges mit Bedrohungen von innen und außen intensiver in Berührung gekommen.411 Als Chef des Stabes war Witzleben auch verantwortlich für die »Führergehilfenausbildung« des Wehrkreises.412
Witzleben – der immer darauf achtete, pünktlich den Dienst zu verlassen – zog, sobald er zu Hause war, Zivilkleidung an.413 Die Uniform bezeichnete er als seine »Löwenhaut«414, die ihn im Dienst schützte, die er aber daheim nicht tragen müsste. Er war keineswegs ein fanatischer Soldat und trug außerhalb des Dienstes nur selten Uniform415, was zu jener Zeit durchaus unüblich war.416 Vielleicht lag es auch daran, dass er lieber Förster statt Soldat geworden wäre – auch wenn er den Soldatenberuf gern ausübte.417
In Münster pflegten Witzleben und seine Frau nach wie vor ein intensives Familienleben. Nachmittags saß die Familie häufig beim Kaffee. Da alle vier gerne rauchten, konnte an einem Tag schon mal eine Hunderterpackung verbraucht werden. Es wurde oft über politische Fragen diskutiert, wobei vor allem Elsa von Witzleben und ihr Sohn das Wort führten, während Erwin von Witzleben und seine Tochter zurückhaltender waren. Der Sohn hatte ausgeprägte kommunistische Ansichten, betätigte sich aber nicht politisch, weshalb er von seiner Schwester gern »Edelkommunist«418 genannt wurde. Er opponierte stark gegen die Ansichten der Eltern.419
Auch als Job Wilhelm nach Karlsruhe gezogen war, tauschten sich Witzleben und seine Frau weiter aus. Es war die Zeit der großen politischen Unruhen in Deutschland und Witzleben wurde laufend dienstlich über politische Vorgänge im Wehrkreis unterrichtet.420 Auf den Straßen prügelten sich immer wieder Rechts- und Linksradikale. Die Reichsregierung hatte keine Mehrheit im Parlament und regierte mit Notverordnungen. Deutschlands Zukunft schien mehr denn je ungewiss. Und der Politiker, der noch wenige Jahre zuvor in Haft gesessen hatte, gewann mit seiner radikalen Partei mehr und mehr Zustimmung.