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Die »Blomberg-Fritsch-Krise« Anfang 1938

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Für den 5. November 1937 lud Hitler seine Militärs zu einer geheimen Sitzung ein: es erschienen der Kriegsminister Generalfeldmarschall Werner von Blomberg, der Oberbefehlshaber des Heeres Generaloberst Werner Freiherr von Fritsch, der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine Generaladmiral Erich Raeder, der Oberbefehlshaber der Luftwaffe Generaloberst Hermann Göring, der Außenminister Konstantin Freiherr von Neurath sowie Hitlers Wehrmachtsadjutant Oberst i.G. Friedrich Hoßbach.675 In dieser Sitzung ging es Hitler vor allem darum, seinen wichtigsten Mitarbeitern seine Kriegsziele zu eröffnen und näher zu erläutern. Dazu gehörte auch, dass er in der kommenden Zeit die Österreich- und die Sudetendeutschefrage zu lösen gedenke. Dabei sei auch ein militärisches Eingreifen einzukalkulieren. Es sei »sein unabänderlicher Entschluß, spätestens 1943/45 die deutsche Raumfrage zu lösen.«676 Hitler trug lange vor und in den anschließenden Diskussionen wurde vor allem gegen die von ihm genannten Zeiträume von Fritsch Widerspruch vorgebracht. Auch Blomberg vertrat den Standpunkt, die Wehrmacht brauche noch Jahre, um für einen Krieg gerüstet zu sein.677 Göring stand Hitler zur Seite, wurde aber in seiner Funktion als Beauftragter für den VierjahresPlan selber zur Zielscheibe scharfer Kritik von Blomberg und Fritsch.678

Bei dieser geheimen Besprechung bewahrheitete sich, was Witzleben bereits konstatiert hatte: Hitler hatte seine Eroberungskriege fest vor Augen.

In diese Zeit fällt die Krise um die Entlassung von Blomberg und Fritsch. Vielfach ist sie in direktem Zusammenhang mit der Besprechung vom 5. November 1937 gesetzt worden. Das scheint falsch zu sein679; vielmehr stellten sich die Ereignisse so dar:

Reichskriegsminister Generalfeldmarschall von Blomberg, der Hitler seit dessen Machtergreifung treu ergeben war, hatte 1934 seine Frau verloren und litt schwer unter der Einsamkeit.680 Im Herbst 1937 verliebte er sich in die 23 Jahre junge Margaretha Gruhn, ein Mädchen aus »einfachen sozialen Verhältnissen«681. Am 12. Januar 1938 heiratete er in kleinstem Kreis, Hitler und Göring waren die Trauzeugen.

Wenige Tage später kam allerdings heraus, dass die neue Frau des Oberbefehlshabers der Wehrmacht eine Vergangenheit als pornografisches Modell hatte. Hitler erfuhr davon am 24. Januar und war entsetzt. In seinem Auftrag fuhr Göring zum Reichkriegsminister, zeigte ihm die Polizeiakte mit den pornografischen Aufnahmen und erklärte, wenn Blomberg auf dieser Basis unverzüglich die Ehe annullieren ließe, könnte ein öffentlicher Skandal vermieden werden. Blomberg aber, der angab, die Vergangenheit seiner Frau nicht zu kennen, wies dies zurück. Er begründete seine Entscheidung mit seiner großen Liebe zu Margaretha. Ein Rücktritt des Ministers war in jedem Fall nicht mehr zu verhindern.682

Jetzt galt es, sofort einen Nachfolger zu finden. Am 25. Januar 1938 um 10.00 Uhr morgens besprach sich Hitler mit seinem Wehrmachtsadjutanten Hoßbach. Zeitweise war auch Göring anwesend.683 Als Oberbefehlshaber der größten Teilstreitkraft wäre nun Generaloberst von Fritsch als erster Kandidat in Frage gekommen. Hitler erinnerte sich allerdings an einen Vorgang aus früheren Jahren. Damals hatte Heinrich Himmler, der »Reichsführer SS« und Chef der Polizei, erklärt, es gäbe Anhaltspunkte von strafwürdigem homosexuellem Verhalten des Heeresoberbefehlshabers, und er bäte um die Erlaubnis zu ermitteln. Hitler verneinte dies und befahl, die Akte zu vernichten. Er wollte in dieser Zeit größter außenpolitischer Spannung auf keinen Fall auf Fritsch verzichten. Nunmehr aber, nach dem Skandal mit Blomberg, wollte er sich sicher sein. Er befahl die Rekonstruktion der Akte. Diese wurde ihm vorgelegt, ergänzt um weitere Belastungen. Ein Zeuge könnte die Straftat des Generalobersten bestätigen.684

Hoßbach erhielt von dem Diktator die Akte mit dem Hinweis, auch Fritsch müsse die Armee verlassen. Hoßbach protestierte und informierte Fritsch entgegen Hitlers ausdrücklichem Befehl.685 Nach langen Diskussionen mit Hoßbach und Göring schien der Diktator tagelang mit sich zu ringen, wie er sich endgültig entscheiden sollte. In einer dramatischen Gegenüberstellung mit dem Belastungszeugen in der Reichskanzlei am Morgen des 27. Januars konnte Fritsch Hitler nicht von seiner Unschuld überzeugen – obwohl er sein Ehrenwort gab. Ein einmaliger, für die Ehre des Heeres schmerzlicher Vorgang. Hitler war sich unsicher und befahl eine gerichtliche Untersuchung.686

Damit waren die Fragen nach der Nachfolge Blombergs immer noch nicht beantwortet. Hitler wollte Göring nicht zum Reichskriegsminister machen. Er befürchtete starken Protest aus Heer und Marine, weil es der Luftwaffenoberbefehlshaber als aktiver Offizier nur bis zum Hauptmann a. D. gebracht hatte, bevor er nach der Machtergreifung geradewegs General der Infanterie geworden war. Andererseits erklärte Göring, ein Heeresgeneral als neuer Reichskriegsminister wäre ihm nicht zumutbar.687

So kam es am selben Tag – dem 27. Januar – zur Abschiedsaudienz Blombergs bei Hitler. Er schlug dem »Führer« auf dessen Frage nach einem möglichen Nachfolger vor, er selbst solle den Oberbefehl übernehmen. Hitler griff diesen Vorschlag auf. Tatsächlich übernahm er den Oberbefehl über die Wehrmacht. Damit hatte er sich einen Zuwachs unbeschränkter, direkter Macht geschaffen. Jetzt besaß er die unmittelbare Befehlsgewalt über die Wehrmacht. Anstelle des bisherigen Ministeriums wurde das Oberkommando der Wehrmacht (OKW) geschaffen, auf das die meisten Kompetenzen des Kriegsministeriums übergingen. Chef des OKW wurde General der Artillerie Wilhelm Keitel, der bisherige Chef des Wehrmachtamtes und langjährige wichtigste Mitarbeiter Blombergs.688 Göring wurde mit der Ernennung zum Generalfeldmarschall entschädigt.689

Wie aber sollte es mit dem vakanten Posten des Heeresoberbefehlshabers weitergehen? Hitler erwog, das Ergebnis der Untersuchungen gegen Fritsch abzuwarten, eine Zeit lang könnte er mit diesem sicher noch zusammenarbeiten.690 Andererseits diskutierte er bereits potentielle Nachfolger. In die engere Auswahl kam General der Artillerie Walther von Brauchitsch, den Witzleben seit ihrer gemeinsamen Zeit im Kadettenkorps kannte.691 Brauchitsch war einer der dienstältesten Offiziere der Wehrmacht und seit dem 1. April 1937 Oberbefehlshaber des neu gebildeten Gruppenkommandos 4 in Leipzig.692

Schließlich entschied sich Hitler, Brauchitsch zu ernennen und schuf damit Fakten.693 Mit einem größeren Revirement wollte er die Absetzung Blombergs und Fritschs verschleiern.694 Einige Entlassungsforderungen formulierte der »Führer« selbst – wobei Hoßbach vermutete, dass dabei auch von anderen Einfluss genommen wurde695, in mindestens einem Fall war es Wilhelm Keitel persönlich.696 Für die Entlassung einiger Generäle sollte Brauchitsch sogleich das Vorschlagsrecht haben. Dieser besprach eine Liste mit Generalleutnant Victor von Schwedler, der noch immer das Heerespersonalamt leitete.697 Am 4. Februar 1938 wurde die Liste mit den Personalveränderungen bekannt gegeben. Blomberg und Fritsch waren offiziell aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten. Neben diesen wurden auch Außenminister Konstantin Freiherr von Neurath, mehrere Botschafter sowie vierzehn weitere Generäle in den Ruhestand verabschiedet.698 46 Generäle wurden versetzt.699 Obwohl Witzleben sehr krank war und ausgerechnet zu dieser Zeit einen Totalausfall hatte, verblieb er auf seinem Dienstposten als Kommandierender General in Berlin.700 Auch hier hat wieder Schwedler, wie schon Anfang 1934, die Weichen gestellt und dafür gesorgt, dass auf der Liste der zu verabschiedenden Generäle der Berliner Wehrkreisbefehlshaber nicht stand.701

Witzlebens Tarnung war lange Zeit erfolgreich und funktionierte weiter.702 Anders als Schwedler, der als zu konservativ galt, konnte er seine Ablehnung des Regimes kaschieren.703

Am 5. Februar 1938 erläuterte Hitler vor den Spitzen des Heeres und vor dem Kabinett die Veränderungen. Zu Fritsch merkte der Diktator an, »daß ein Kriegsgerichtsverfahren zur Untersuchung der Anschuldigungen angeordnet sei«.704

Details über die Entlassungsgründe der Spitzen von Wehrmacht und Heer wurden aber bald in der Truppe bekannt. Es ging dabei auch das Gerücht um, Fritsch sei das Opfer einer lang geplanten Intrige von Partei und Gestapo geworden705, zumal der Generaloberst als »Turm der Opposition im Lande«706 galt.

Nachdem Hoßbach den Chef des Generalstabes des Heeres, General der Artillerie Beck, schon am 27. Januar 1938 informierte hatte707, dürfte auch Witzleben in diesen Tagen über Einzelheiten in Kenntnis gesetzt worden sein. Immerhin verband ihn mit Beck und Hoßbach ein Vertrauensverhältnis.708 Der Kommandierende General schätzte Blomberg nicht. Auch er nannte ihn »Gummilöwe«709, weil dieser Hitlers Wünsche in vorauseilendem Gehorsam erfüllt habe. Sein berufliches Ende wurde in der Wehrmacht als notwendige Konsequenz aus seiner Heirat gesehen. Über sein Verhalten herrschte viel Empörung. Auch Witzleben billigte diese Heirat nicht.710 Den Fall Fritsch bewertete er anders. Dessen Ablösung und vor allem die Art des Vorgehens gegen ihn wurden im Offizierskorps mit Entsetzen und Empörung aufgenommen.711 Das empfand auch der Kommandierende General, der den Oberbefehlshaber des Heeres hoch schätzte.712 Witzleben lehnte wohl auch die schnelle Übernahme des Oberbefehls durch Brauchitsch ab, weil damit Fritschs vollständige Rehabilitierung nicht mehr durchsetzbar war.713

Hans Bernd Gisevius – ein oppositioneller Beamter, der nach wenigen Monaten bei der Gestapo von Himmler entfernt worden war – kannte Witzlebens Vertrauten Oster seit einigen Jahren. Beide unternahmen im Februar 1938 zusammen mit dem ehemaligen Leipziger Oberbürgermeister Carl-Friedrich Goerdeler den Versuch, Kommandierende Generäle außerhalb Berlins zu einem aktiven Schritt zugunsten von Fritsch zu bewegen.714 Die Bemühungen scheiterten jedoch vor allem daran, dass sich keiner von ihnen zutraute, eine ganze Division nach Berlin zu verlegen, oder weil man darauf wartete, dass Fritsch selber etwas unternahm.715

Der Kommandierende General in Berlin war in diesen Tagen vollkommen lahmgelegt. Schließlich war Witzlebens Gesundheit seit Jahren stark angegriffen. Am 20. Januar 1938 hatte er noch an der Beerdigung von Blombergs Mutter teilgenommen, sah dort aber schon sehr angegriffen aus.716 Kurz danach verschlechterte sich sein Zustand so sehr, dass er das Krankenbett hüten musste, und war dadurch völlig handlungsunfähig. Sein altes Magenleiden hatte sich derart verschlimmert, dass schon seit geraumer Zeit eine große Operation angesetzt war – Witzleben hatte Magenkrebs.717 Immer wieder hatte der General den Eingriff verschoben und auch jetzt entschied er sich wieder, die Operation noch nicht durchführen zu lassen. Die »Affäre Fritsch« beunruhigte ihn sehr. Im Februar – es muss Mitte des Monats gewesen sein718 – verließ er sein Krankenbett mit der Begründung: »Ich kann jetzt nicht operiert werden. Ich muss erst das durchstehen.«719 Er war zu dieser Zeit schon über die Details informiert worden. Wahrscheinlich hatte ihm Oster berichtet oder sein Chef des Stabes Generalmajor Hans Felber720; ihm vertraute der Kommandierende General.721 Er wird Witzleben mehrfach aufgesucht haben, als er die Amtsgeschäfte im Generalkommando stellvertretend führte.

Kurz nachdem Witzleben wieder im Dienst war, suchten ihn die Offiziere Henning von Tresckow und Wolf Graf von Baudissin auf. Beide entstammten dem IR 9, das zu Witzlebens Armeekorps gehörte. Tresckow diente mittlerweile im Generalstab des Heeres.722 Sie waren schockiert durch die Ereignisse um den ehemaligen Oberbefehlshaber des Heeres, deren Hintergründe sie durch einen ehemaligen Mitarbeiter Fritschs erfahren hatten. Beide Männer wollten den Dienst quittieren und fragten ihren Kommandierenden General um Rat. Ihre regimekritische Einstellung war Witzleben bekannt. Baudissin schreibt von diesem Gespräch:

»Er saß an seinem großen Schreibtisch und hörte uns schweigend an. Dann fragte er nur, ob wir weiterhin zum Widerstand entschlossen seien; auf unser beider positive Antwort erhielten wir den Rat bzw. die Weisung: ›Dann bleiben Sie Soldat!‹ Diese Antwort hatte ich im Grunde erwartet; sie löste nicht die Gewissensfrage, sie bestätigte uns aber und bot darüber hinaus gewissen Schutz; sie gab dem weiteren Dienst eine wenn auch recht komplizierte Rechtfertigung.«723

Erneut suchte Witzleben das Gespräch mit Gleichgesinnten. Noch im Februar besprach er die Lage mit Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg, damals Polizeivizepräsident in Berlin. In diesem Gespräch wurden die Möglichkeiten eines militärischen Eingreifens gegen die Spitzen des NS-Regimes diskutiert.724 Witzleben kannte Schulenburg durch Kontakte zum IR 9. Wohl hat auch Oster Schulenburg bei Witzleben eingeführt und für dessen Vertrauenswürdigkeit gebürgt.725 Schulenburgs Vater kannte Witzleben bereits seit dem Ersten Weltkrieg.726 Auch ein Cousin Schulenburgs, der Gutsbesitzer Ulrich-Wilhelm Graf von Schwerin von Schwanenfeld, wurde Witzleben jetzt durch Oster vorgestellt.727

Ferner sprach Witzleben mit einem seiner Regimentskommandeure, dem Kommandeur des IR 50, Oberst Paul von Hase. Witzlebens Sondierungen aus dem Jahr 1937 zeigten Erfolg. Das Regiment unterstand der 3. Division und gehörte damit zum III. Armeekorps.728 Hase war Adjutant von Fritsch in dessen Zeit als Berliner Befehlshaber gewesen. Auch er war empört über den Umgang mit seinem früheren Vorgesetzten.729 Witzleben und Hase hatten »vertrauensvolle Beziehungen«730, sie stimmten in der Lagebeurteilung überein und Hase bot Witzleben an, mit seinem Regiment nach Berlin zu kommen, sollte eine Militäraktion zugunsten von Fritsch unternommen werden.731

Witzleben führte auch erstmalig Gespräche mit zivilen Oppositionellen. Im März traf er sich mit dem Reichsbankpräsidenten und ehemaligen Reichswirtschaftsminister Hjalmar Schacht.732 Beide kannten sich schon von mehreren gesellschaftlichen Veranstaltungen und wussten bereits von ihrer gemeinsamen regimekritischen Einstellung.733 Sie waren sich einig, dass durch persönliche Einflussnahme Hitler nicht zu bremsen, sondern dass »nur mit Gewalt der Mann zu beseitigen sei«734. An einem stürmischen Tag Anfang März fuhr Witzleben nach Döberitz und traf sich auf offenem Feld mit einem Informanten, vermutlich mit Oster. Bei diesen Zusammentreffen hat Oster Witzleben auch Unterlagen zum Fall Fritsch übergeben.735

Die Vorgehensweise gegen Fritsch passte in Witzlebens Bild von dem Unrechtscharakter des Regimes. Umso mehr galt es in dieser Situation, in der das Heer mehrere schwere Niederlagen einstecken musste, die Ideen für einen Schritt gegen das Regime zu konkretisieren. Dabei ging es nicht um eine isolierte Aktion nur gegen die Gestapo.736 Witzleben wollte auch nicht das System nur in Details korrigieren, sondern es grundsätzlich und radikal verändern. Es ging ihm um die bereits im Sommer 1937 ins Auge gefasste konkrete Vorbereitung eines Staatsstreiches. Dabei war Hitler der erste Gegner.737

Das Grundproblem bei einer schnellen Aktion bestand jedoch zunächst darin, dass Fritsch sich nicht nur passiv verhielt, sondern Taten zu seinen Gunsten ablehnte. Deshalb stellte er sich auch dem Plan entgegen, alle Wehrkreisbefehlshaber zusammenzurufen. Von Generalskameraden war ihm dringend dazu geraten worden.738 Dabei muss bedacht werden, dass Fritsch mit den Nerven am Ende war. Schon 1934 hatte er geschrieben, wie unerträglich die große Last sei, die er zu tragen habe.739 Fritsch ergab sich in sein Schicksal. Er hatte mehr als einmal über Hitler gesagt: »Dieser Mann ist Deutschlands Schicksal; und dieses Schicksal muss seinen Weg zu Ende gehen.«740 Abgesehen von Fritschs fatalistischer Passivität hatte ja Hitler bereits Fakten geschaffen. Eine vollständige Rehabilitierung des Generalobersten war schwieriger geworden, nachdem Brauchitsch sich bereit erklärt hatte, noch vor Ende einer kriegsgerichtlichen Untersuchung die Nachfolge anzutreten. Alle Ansätze von Witzleben, Oster und Schulenburg konnten in diesen Tagen zu keinem konkreten Ergebnis führen. Und Fritsch war nicht bereit, es wegen seiner Person zu einem wie auch immer gearteten Eingreifen kommen zu lassen. Aber gegen Fritschs Willen ging es nicht. Zumindest war das für Witzleben im Frühjahr 1938 (noch) nicht vorstellbar.741

Zur gleichen Zeit marschierte am 11. März 1938 die Wehrmacht in Österreich ein. Hitler hatte ein weiteres außenpolitisches Ziel in Angriff genommen. Nach dem »Anschluss« Österreichs kam auch Fritschs Verfahren am 18. März 1938 zu seinem Finale: Fritsch war vor allem das Opfer einer Verwechslung geworden. Der Generaloberst musste wegen erwiesener Unschuld freigesprochen werden, wurde aber in sein Amt nicht wieder eingesetzt, sondern lediglich zum Chef des Artillerie-Regimentes Nr. 12 ernannt.742 Das geschah aber erst am 11. August 1938.743 Am 13. Juni 1938 trug Hitler in Barth vor der versammelten Generalität eine abschließende Erklärung vor, in der er sich selbst als Opfer falscher Informationen darstellte. Seine falsche Entscheidung, den vormaligen Heeresoberbefehlshaber zu früh entlassen und ihm sein Ehrenwort nicht abgenommen zu haben, verschwieg er.744 Witzleben war bei dieser Besprechung nicht anwesend.745

In der ersten Aprilhälfte verschlechterte sich sein Gesundheitszustand erheblich. Er wog bei einer Körpergröße von 1,78 Meter nur noch knapp 50 Kilogramm.746 Er wurde nach Dresden gebracht und sofort operiert.747 Es war eine lange Operation, bei der die Ärzte ihm den halben Magen entfernten. Seine Situation war lebensbedrohlich, und die Familie war in großer Sorge. Immer wieder verfiel Witzleben in eine Art Delirium, aber sein Körper kämpfte.748 Nachdem er diese Krise schließlich durchgestanden hatte, wurde überlegt, wie er sich erholen könnte. Als ihn seine Tochter im Mai in der nachfolgenden Kur in Wildbad besuchen wollte, warnte die Mutter sie, sie solle sich nicht erschrecken, der Vater sei noch sehr mitgenommen und durch die vielen Medikamente rede er manchmal »dummes Zeug«749. Aber diese Verwirrungen legten sich, und Witzleben erholte sich allmählich. Nach Krankenhaus- und Sanatoriumsaufenthalt fuhren er und seine Frau wieder nach Schilleningken zum Erholungsurlaub und sammelten neue Kräfte.750

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