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Hindenburgs Tod und der Eid auf Hitler
ОглавлениеWährend weiter die Frage im Raum stand, ob Hindenburg doch noch eingreifen würde, überschlugen sich die Ereignisse: Vier Wochen nach dem 30. Juni 1934, in der Nacht vom 1. auf den 2. August, starb das Staatsoberhaupt, der greise Oberste Befehlshaber der Reichswehr. Staatstrauer wurde angeordnet. Auf die Truppe und auf Witzleben wirkte der Tod Hindenburgs niederschmetternd. Der Feldmarschall des Ersten Weltkrieges wurde bis zuletzt als Garant der alten Zeit wahrgenommen, auch was die Stellung der Armee im Staat anging.577 Das Offizierskorps war in großer Sorge, weil gerade jetzt »der Alte von uns gehen mußte«.578 Eduard Wagner schrieb seiner Frau am 3. August 1934: »Ganz Berlin ist unter dem starken Eindruck des Todes von Hindenburg.«579 Kaum hatte man sich am 2. August den Trauerflor an den linken Arm der Uniform genäht, wurde man von weiteren Ereignissen überrollt:
Der Oberbefehlshaber der Reichswehr, Reichswehrminister Generaloberst Werner von Blomberg, hatte schon vor dem Tod Hindenburgs Hitler die Übernahme der obersten Befehlsgewalt vorgeschlagen. Bereits am 1. August 1934 hatte Hitler im Kabinett ein Gesetz zur Vereinigung von Staatsoberhaupt und Reichskanzler verabschiedet, das jetzt veröffentlicht wurde. Hitler war nun »Führer und Reichskanzler«, basierend auf dem verabschiedeten Gesetz mit legalem Anschein.580 Um die neue Machtfülle auch formal bei der Armee umzusetzen, hatten Blomberg und Hitler schon vor Hindenburgs Tod das weitere Procedere besprochen: Die gesamte Reichswehr sollte auf die Person Adolf Hitlers vereidigt werden und eine Volksabstimmung die Vereinigung der beiden Staatsämter nachträglich legitimieren.581 Im Laufe des 2. August wurde der Tod des Reichspräsidenten in der Reichswehr bekannt gemacht. Bereits am Nachmittag desselben Tages – der auch 20. Jahrestag des Beginns des Ersten Weltkrieges war – trat im ganzen Reich die Armee an, so auch in Berlin das Wachregiment. Als Befehlshaber des Wehrkreises ließ Witzleben das Regiment stillstehen und vereidigte die Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten mit dem neuen Eid auf Hitler in seiner Person als »Führer und Reichskanzler«. Absatz für Absatz wurde der Eidestext vor- und dann sogleich nachgesprochen. Anschließend ließ Witzleben auf den neuen Obersten Befehlshaber ein militärisches »Hurra« ausbringen.582 Die Reichswehrangehörigen rechneten nicht mit einer neuen Eidesformel, sondern mit einer Wiederholung des bereits geleisteten Eides. Der spätere General und Widerstandskämpfer Rudolf-Christoph Freiherr von Gersdorff beschreibt, wie ihm mit einem Mal bewusst wurde, was eigentlich geschehen war:
»Der Unterschied [des Eidtextes; Anm. d. Verf.] war eklatant, aber selbst wenn man dies sofort begriffen hätte, wäre man praktisch nicht in der Lage gewesen, den Eid zu verweigern. Ich muß bekennen, daß auch mir erst nach der Eidesleistung klar wurde, was soeben stattgefunden hatte.«583
Das Vertrauen in die Generalität war bei der Truppe so groß, dass keiner die Richtigkeit der Vorgänge in Frage stellte. Wann Witzleben von der geplanten Vereidigung auf Hitler erfuhr, ist unklar. Die Vereidigung auf die Person Hitlers bedeutete nunmehr ein festes Band der Loyalität für die Soldaten der Reichswehr. Seit dem 6. August 1934 war dann auch die offizielle Anrede für Angehörige der Armee »Mein Führer«.584 Wie weitreichend und folgenschwer dieser 2. August 1934 tatsächlich war, wurde erst in den nächsten Jahren deutlich.
Manch Zeitzeuge sah die Bindung des Eides an die Person Hitlers mit Sorge, aber verband dies auch mit der Hoffnung, dass die Eidbindung zweiseitig und ein Zeichen für eine positive Zukunft sei.585
Auch Witzleben äußerte sich in einer Ansprache vom selben Tag in diesem Sinne. Er erklärte, die »Kameradschaft deutschen Soldatentums« hätte nach der Niederlage 1918 in den Jahren »der Not und Schande« weitergelebt. Hitler habe diesen Funken zu einer »Flamme« entfacht und dafür gesorgt, dass die Opfer »unser zwei Millionen toter Kameraden, die Opfer der Million hungernder Frauen und Kinder« nicht umsonst gewesen sei.586 Und so wie im August 1914 sei auch jetzt das Volk geeint, weshalb auch jene Zeit die Geburtsstunde des Nationalsozialismus sei.587 Witzleben hoffte, dass das Regime doch noch Werte vertreten würde, die sich im Wesentlichen mit den seinen deckten, und man mit Zuversicht in die Zukunft blicken könne. Das wird auch durch seine anschließenden Bemerkungen unterstrichen, in denen er von preußischen Tugenden sprach. Er schloss die Ansprache mit der Versicherung der
»unverbrüchlichen Treue, die wir Soldaten in seiner Person [Hitlers; Anm. des Verf.] und in seinem Werk auf Gedeih und Verderb verbunden sind.«588
Diese Zustimmung zur Bindung an die Person Hitlers implizierte auch die Erwartung an die bereits genannte Zweiseitigkeit, denn Witzleben schloss mit der Einschränkung für den Eid:
»Wir geloben aber ferner, immer einzusetzen unsere Kraft und unser Leben für unser deutsches Volk und unser deutsches Vaterland. Das walte Gott!«589
Allerdings entsprach sein Auftreten nicht seiner Gemütslage, denn Eduard Wagner, der ihn schon seit einigen Jahren kannte, notierte in sein Tagebuch am 3. August 1934: »Witzleben sieht allerdings wie der Tod aus.«590 Wagners Äußerung bezieht sich auf die Stimmungslage nach Hindenburgs Tod insgesamt, die auch durch die Vereidigung auf die Person Hitlers beeinflusst worden sein könnte.591
Am 19. August 1934 hatte eine Volksabstimmung die neue Regelung über das Staatsoberhaupt bestätigt. Einen Tag zuvor hatte Hindenburgs Sohn und langjähriger Adjutant Oscar von Hindenburg im Rundfunk erklärt, der einzig legitime Nachfolger seines Vaters sei Hitler.592 Am folgenden Tag schrieb der »Führer« an Blomberg und dankte ihm für seine Loyalität. Am 20. April 1936 ernannte er ihn zum Generalfeldmarschall, zum ersten nach fast 20 Jahren.593