Читать книгу Wenn es gegen den Satan Hitler geht ... - Georg von Witzleben - Страница 24
Kommandeur des 8. (Preuß.) Infanterie-Regimentes
ОглавлениеSchon nach rund eineinhalb Jahren sollte Witzleben die nächste Stufe auf der Karriereleiter erreichen. Zum Abschied lud der Oberst am 30. September 1931 seine engsten Mitarbeiter zum Abendessen in seine Münsteraner Dienstwohnung. Auch der Leutnant Cord von Hobe durfte als jüngster Gast dabei sein. Witzleben nannte Hobe übrigens beim Vornamen, was er bei jüngeren Kameraden nur dann tat, wenn er diese sehr mochte.421 Der junge Leutnant durfte Witzlebens Tochter Edelgarde zum Essen führen, und man spürt in seinen Worten Bewunderung für den Chef des Stabes:
»[Witzleben; Anm. des Verf.] hatte eine derartige Ausstrahlung, die Vertrauen schuf und bei allem Respekt und Takt eine menschliche Brücke schlug. Edel in seinen Gesichtszügen, ebenso wie seine Frau, selbstbewußt und doch bescheiden, klug, tief gebildet und gütig, gewann er das Herz aller seiner Untergebenen«422.
So sehr die Stimmung der Abendgesellschaft auch aufgrund der politischen Situation etwas gedämpft war, so war es doch vor allem Hans Oster, der mit »geistreichen und oft witzigen Plaudereien«423 für Heiterkeit sorgte.
Um Mitternacht verließ Witzleben kurz seine Gäste und erschien anschließend wieder in neuer Uniform, und zwar als Kommandeur seines alten Regiments, des 8. (Preuß.) Infanterie-Regimentes.424 Seine neue Stellung war für viele Berufssoldaten genau das, was sie sich für ihre Karriere erträumten425, und Witzleben freute sich sehr darauf, wieder in der Truppe und »den einfachen Soldaten wieder nahe zu sein«426.
Zum 1. Oktober 1931 übernahm er jetzt den Befehl über sein Regiment. Der Stab lag in Frankfurt (Oder). Witzleben zog mit Frau und Tochter in die Hohenzollernstraße 10.427
Sein Nachfolger in Münster wurde Oberstleutnant Franz Halder. Nacheinander dienten Brauchitsch, Witzleben und Halder auf diesem Posten.428 Alle drei sollten im Jahre 1938 für kurze Zeit zu einer Schicksalsgemeinschaft werden.
Das IR 8 galt laut Aussage des Divisionskommandeurs, Generalleutnant Gerd von Rundstedt, als eines der »wohlerzogensten der Armee«429. Das Regiment pflegte auch die Tradition der Liegnitzer Königsgrenadiere, in die Witzleben vor dreißig Jahren eingetreten war. Das Ausbildungsbataillon lag in dieser schlesischen Stadt. Witzleben besuchte es am 22. Oktober 1932430 und erinnerte sich mit Freude an den Tag, an dem er als frisch ernannter Leutnant zum ersten Mal das Tor der Kaserne durchschritten hatte.431 Er verbrachte viel Zeit bei der Truppe, zahlreiche Übungen und Truppenbesuche bestimmten Teile seines Alltages.432 Auch pflegte er vielfach gesellschaftliche Verbindungen in der Umgebung seiner Garnisonen.433 Um einen Eindruck von Witzleben als Regimentskommandeur und dem Verhältnis zu seinen Soldaten zu bekommen, soll an dieser Stelle ein Gedicht zitiert werden, das im Herbst 1932 seine Offiziere geschrieben hatten:
»Zum Schluß wir ihm die Ehre geben,
Dem Oberst Erwin von Witzleben!
Der uns ein Jahr nun hat geführt,
Und dem unsre hohe Verehrung gebührt.
Wir alle senken vor ihm den Degen,
Unser ganzes Vertrauen wir in ihn legen,
Weil er jedem von uns ein menschlicher Freund
Und als Vater die ganze Familie vereint.
So gütig sein Auge, so rank die Figur,
So frisch sein Mut, kurz und bündig nur
In Führung, Entschlüssen und taktischem Können
Stets sicher – er macht halt das Rennen.
So nur stellte sich im vergangenen Jahr
Der sechste Oberst den Achtern dar. –
Heut ruft das Offizierskorps mit Gläserklang:
»Herr Oberst, bleib’ Kommandeur noch lang
Dem lieben achten Regiment,
Das stolz sich heut zu Dir bekennt.»434
In Frankfurt traf er auch Ludwig Beck wieder, den älteren Kameraden aus früheren Dresdner Tagen, den man inzwischen zum Kommandeur der 1. Kavalleriedivision ernannt hatte und der nicht weit entfernt von Witzleben, am Wilhelmsplatz 11, wohnte.435 In vielen Gesprächen wurde die Verbindung intensiviert, und die Freundschaft entwickelte sich fort.436 Witzlebens Gesundheitszustand schwankte in den Frankfurter Jahren sehr.437 Am 21. Mai 1932 begingen Elsa und Erwin von Witzleben indes ihre Silberne Hochzeit.438
Nach den beiden letzten Reichstagswahlen und dem schrittweisen Aufstieg der NSDAP ernannte Reichspräsident Paul von Hindenburg am 30. Januar 1933 den Vorsitzenden der Partei, Adolf Hitler, zum Reichskanzler.
Hitlers Ernennung zum Regierungschef wurde auch von der Frage begleitet, ob der Vorsitzende der NSDAP seiner Aufgabe als Staatsmann gewachsen war.439 Große Teile der Elite verhielten sich widersprüchlich: Sie blickten auf Hitler »dünkelhaft«440 herab, unterstützten aber gleichzeitig seine Politik.
Auch Witzleben konnte sich nicht vorstellen, dass der Reichskanzler die richtige Besetzung für das hohe Staatsamt sei.441 Er lehnte Hitlers »plumpe[s]« Auftreten442 ab und kritisierte auch dessen mangelnde Bildung. Gerne provozierte er seine Frau mit ihrer zeitweiligen Sympathie für die nationalsozialistische Bewegung. Als eines Tages die SA an den Fenstern ihrer Wohnung in Frankfurt (Oder) vorbeizog, rief er ihr zu: »Da laufen Deine irren Freunde!«443 Elsa von Witzleben ließ sich nicht von ihrer Meinung abbringen. Zu massiv waren aus ihrer Sicht die innen- und außenpolitischen Probleme, die einer Lösung harrten. In der unsicheren Zeit kurz vor der Machtergreifung traute sie sich nicht mehr allein auf die Straße; sie hoffte darauf, dass Hitler der Mann sei, der imstande war, Deutschland in eine positivere Zukunft zu führen.444
Elsa von Witzlebens Sympathien für die Nationalsozialisten hatten allerdings ihre Grenzen: In der Witzleben’schen Nachbarwohnung wohnte der jüdische Kaufmann Bierbaum, der ein Einzelhandelsgeschäft besaß. Elsa von Witzleben kaufte regelmäßig bei ihm ein, und zu seinem Erstaunen ließ sie sich das auch nicht durch Boykottaufrufe verbieten.445 Berücksichtigt man das enge Vertrauensverhältnis zwischen Witzleben und seiner Frau, so darf davon ausgegangen werden, dass er von ihrer Entscheidung Kenntnis hatte und sie billigte.
Witzleben war auf der einen Seite aufgrund der angeführten Punkte zunächst skeptisch, ob die Nationalsozialisten die in sie gesteckten Erwartungen erfüllen würden.446 Auf der anderen Seite verband auch er mit der Machtergreifung Hoffnungen auf eine bessere Zukunft.447
Die Nationalsozialisten führten sich geschickt als Patrioten auf. In Teilen der Reichswehr, die sich nach mehr Anerkennung in Staat und Gesellschaft sehnten, hatte Hitler seit Längerem große Sympathien.448 So notierte beispielsweise General a. D. Joachim von Stülpnagel zum Tag der Machtergreifung, am 30. Januar 1933, seine Freude über »den Sieg der nationalen Idee«449. Die Nationalsozialisten nannten dann auch ihr erstes Kabinett nicht »Kabinett der nationalsozialistischen Erneuerung« sondern »Kabinett der nationalen Erneuerung«450. Am »Tag von Potsdam«, dem 21. März 1933, schaffte es Hitler, der Öffentlichkeit im Rahmen einer perfekten Inszenierung das Gefühl zu vermitteln, er verkörpere die Verbindung des Aufbruchs mit der alten Zeit.451 Die Hoffnung auf nationale Geschlossenheit stand jetzt noch über der bisherigen Sichtweise der früheren königlich preußischen Offiziere.452 Auch Witzleben begrüßte diesen nationalen Ansatz, der frei von Parteien sei und große Geschlossenheit in der Volksgemeinschaft liefere.453 Erste Maßnahmen gegen Bestimmungen des Versailler Vertrages stießen auf Zustimmung im Offizierskorps.454 Ein entscheidender Ansatz für die Zustimmung zu Hitlers Politik lieferte jetzt die Entwicklung der Zwei-Säulen-Theorie, nach denen der Staat auf den beiden Säulen von Armee und Partei beruhte.455 Hier entstand die Entente zwischen Hitler und Reichswehr.456 Sogleich nach der Machtergreifung stellte sich Hitler hinter die Reichswehr457 und ließ seinen Ankündigungen auch gleich Taten folgen, indem er damit begann, durch die Aufrüstung einen Teil der Beschränkungen des Versailler Vertrages aufzuheben.458 Das wurde auch von Witzleben zunächst begrüßt.459
Die teilweise kriminellen Taten nationalsozialistischer Anhänger wurden zwar in der Reichswehr auch negativ bewertet, aber es gab Hoffnung, dass diese nur vorübergehend seien. So erklärte denn auch der Chef des Truppenamtes, General Adam, die Revolution würde zunächst negative Dinge an die Oberfläche spülen, aber es gebe Hoffnung auf Besserung.460 Die Kriegsgefahr, die mit der zunehmenden Macht der Nationalsozialisten am Horizont erschien, wurde in der Reichswehr nicht ernst genommen.461 Das gilt zunächst wohl auch für Witzleben.462 In dieser Zeit entstand das als »Hitlerismus«463 bezeichnete Phänomen, eine Einstellung, die eine Trennung vollzog zwischen einem guten, jeder Kritik entrückten »Führer« und einer schlechten, für alles Negative verantwortlichen Partei.464 Unter diesen Voraussetzungen war es auch für Witzleben vorerst schwierig, einen eigenen kritischen Standpunkt zur Politik Hitlers zu finden.
Als aber zum Beispiel Hitler die Pflicht aufhob, eine Abordnung von Soldaten zum sonntäglichen Kirchgang zu schicken, befahl Witzleben kurzerhand – ohne mögliche politische Konsequenzen zu erwägen –, dass eben diese Tradition weiter zu bestehen habe.465
Und als einer seiner Offiziere – Oberleutnant Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim – mit einem Wechsel zur SA liebäugelte, riet ihm Witzleben dringend ab, denn nach dem Ausscheiden könne er nicht mehr zur Armee zurückkehren. Mertz trat trotzdem über, um später enttäuscht doch wieder in die Armee einzutreten und gegen Hitler zu kämpfen.466
In dieser Zeit waren der Frankfurter Regimentskommandeur und seine Frau mit der jüdischen Familie Simon befreundet, die in der Nähe der Stadt ein Gut bewirtschaftete. Ihr Sohn Ulrich ging mit Witzlebens Sohn in Roßleben zur Schule.467 Job Wilhelm hatte auch jüdische Freunde. Auch Tochter Edelgarde hatte Kontakt zu Juden; sie ging mit zahlreichen jüdischen Mitschülerinnen in eine Klasse.468
Witzleben ließ sich in seinem Alltagsleben nicht von der Machtergreifung der Nationalsozialisten beeindrucken; er beobachtete zunächst, wie sich die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse weiter entwickeln würden.