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4. Kapitel »Mir hat der Kerl noch nie imponiert« – nach der Machtergreifung Hitlers Witzleben wird Kommandeur der 3. Division und Befehlshaber im Wehrkreis III

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Der Chef der Heeresleitung, General der Infanterie Kurt Freiherr von Hammerstein-Equord, stand Hitler skeptisch gegenüber. Schon zu Beginn von dessen Kanzlerschaft gab es Spannungen, auch zwischen Hammerstein und dem neu ernannten Reichswehrminister, General der Infanterie Werner von Blomberg. Letzterer drang auf eine schnelle Annäherung an die nationalsozialistische Bewegung, während Hammerstein dagegenstand.478 Aber auch die Amtsführung des Chefs der Heeresleitung wurde in der Reichswehrführung kritisiert, und Hammersteins Ablösung war bald entschieden.479 Am 27. Dezember 1933 reichte er sein Abschiedsgesuch ein.480 Zu seinem Nachfolger ernannte der Reichspräsident auf Vorschlag des Vizekanzlers Franz von Papen – und gegen die Vorstellungen Hitlers und Blombergs – am 3. Januar 1934 den Befehlshaber des Wehrkreises III Berlin und Kommandeur der 3. Division, Generalleutnant Werner Freiherr von Fritsch.481 Für ihn musste nun ein Nachfolger gefunden werden. Zuständig für einen Vorschlag war das Heerespersonalamt (HPA), namentlich sein Chef, Oberst Victor von Schwedler, der das Amt von 1933–1938 führte.482 Schwedler wurde nachgesagt, dass er eine gute Hand bei der Personalauswahl hatte, weil er die Offiziere gut kannte und beurteilen konnte.483 Er selbst hatte als Chef des Stabes bis 1933 im Wehrkreis III Dienst geleistet484 und wusste, wie wichtig die Position in Berlin war.485 Der territoriale Befehlshaber in der Reichshauptstadt hatte auch eine politische Bedeutung.486 Im besonderen Fall konnte ihm eine Schlüsselstellung zukommen. Beispielsweise war während des »Preußenschlages« am 20. Juli 1932 der damalige Befehlshaber Generalleutnant Gerd von Rundstedt Inhaber der vollziehenden Gewalt gewesen.487 Zudem waren mit diesem Dienstposten auch zahlreiche »militärische [...], repräsentative [...] und gesellschaftliche [...] Verpflichtungen [in der Reichshauptstadt; Anm. d. Verf.] verbunden«.488

In der Rangliste des Heeres von 1933 gab es eine Reihe von Offizieren, die aufgrund ihres Dienstgrades, ihrer Dienststellung oder ihres Dienstgradalters eher in Frage kamen als Oberst von Witzleben, der gerade erst Infanterieführer geworden war. Aber Schwedler entschied sich dafür, den Oberst vorzuschlagen. Das war außergewöhnlich, und es musste mit Neidern und Kritikern gerechnet werden.489 Witzleben genoss aber in höchsten Kreisen der Reichswehr einen ausgezeichneten Ruf. Nach Aussage des früheren Leiters des Ministeramtes und rechten Hand des ehemaligen Reichswehrministers und Reichskanzlers Kurt von Schleicher, Generalmajor Ferdinand von Bredow, war Witzleben »ein ganz famoser Mann«.490 Schwedler und Witzleben hatten sich schon in der Hauptkadettenanstalt Lichterfelde kennengelernt491 und Witzleben war 1926 Schwedlers Nachfolger beim Infanterieführer III in Potsdam gewesen.492 Sie pflegten einen freundschaftlichen Umgang, nannten sich beim Vornamen, aber siezten sich.493 Hindenburg war über den Vorschlag zunächst überrascht, fragte Schwedler nach den anderen Offizieren, die vor Witzleben in der Rangliste standen, und wunderte sich: »Ist das alles nischt?«494 Aber der Chef des Heerespersonalamtes konnte den Obersten Befehlshaber überzeugen. Und so unterschrieb Hindenburg an jenem 5. Januar 1934 Witzlebens Ernennung, die am 7. Januar veröffentlicht wurde.495 Mit Wirkung zum 1. Februar 1934 wurde er Kommandeur der 3. Division und Befehlshaber des Wehrkreises III.496

Schon als Infanterieführer VI stand seine Beförderung an. So wurde er am 1. Februar 1934 Generalmajor und am 1. Dezember 1934 Generalleutnant497, der planmäßige Dienstgrad eines Divisionskommandeurs.498 Witzleben hat sich über die Beförderung zum Befehlshaber und zum General gefreut. Dabei spielte es auch eine Rolle, dass er jetzt immer wieder Hindenburg begegnete, den er verehrte und bei dem er sich anlässlich seiner Ernennung auch melden musste.499 Dieser trug Witzleben auf: »Versauen Sie mir mein Drittes Korps nicht!«500 Hindenburg hatte selber 1888 sogar für ein Jahr im preußischen III. Armeekorps gedient501, aus dem die 3. Division hervorgegangen war.502

Witzleben bezog seinen Dienstsitz in der Kurfürstenstraße 63–69.503 Hier sollte nicht nur sein Hauptquartier sein, im selben Gebäude gab es auch eine Dienstwohnung, die der Kommandeur mit Frau und Tochter nun bezog. Die Wohnung war ebenerdig, so dass auch Elsa von Witzleben sich gut bewegen konnte.504

Witzlebens Vorgesetzte waren der Oberbefehlshaber des Gruppenkommandos 1, General der Infanterie Gerd von Rundstedt, und General der Infanterie Werner Freiherr von Fritsch, der neue Chef der Heeresleitung.505 Witzleben und Fritsch kannten sich schon seit dem Ersten Weltkrieg.506 Witzleben hatte von Fritsch eine hohe Meinung.507

Witzleben hatte sich beruflich sehr heterogen entwickelt und gerade in den letzten Jahren eine enorme Karriere gemacht. Nach seiner Beförderung zum Offizier 1901 gehörte er zunächst zu den Truppenoffizieren, die innerhalb der ersten zehn Jahre nicht zur Generalstabsausbildung an die Kriegsakademie kommandiert wurden.508 Im Ersten Weltkrieg durchlief er unterschiedliche Truppenkommandos und Stabsverwendungen, absolvierte den verkürzten Generalstabslehrgang in Sedan und wurde schließlich Erster Generalstabsoffizier einer Division.509 Zum Kriegsende wurde er herausragend beurteilt und resümierte: »meine Zukunft [ist] infolge meiner glänzenden Qualifikation gesichert [...]«510. In den letzten zehn Jahren seit 1923 hatte er überdurchschnittlich schnell Karriere gemacht, alle zwei Jahre die Dienstposten zwischen Truppenkommandos und Stabsverwendungen gewechselt. Diese Karriere wurde nur besonders förderungswürdigen Generalstabsoffizieren zuteil.511 Damit gereichte ihm auch seine verkürzte Generalstabsausbildung nicht zum Nachteil. Witzleben hatte im Heerespersonalamt einige Befürworter.512 Seine erfolgreiche Laufbahn war auch deshalb außergewöhnlich, weil er im Unterschied zu vielen anderen Offizieren nicht im Reichswehrministerium gedient hatte.513 In den rund 30 Dienstjahren vor seiner Ernennung 1934 hatte er aber ein Drittel der möglichen Zeit im Generalstabsdienst verbracht.514 Nunmehr war Witzleben in seiner neuen Stellung in Berlin zur Spitzengruppe der wichtigsten Militärs im Land aufgestiegen515 und konnte selber ein potentieller Kandidat für die Nachfolge des Chefs der Heeresleitung werden.516

Zur selben Zeit wie Witzleben kam auch Erich von Manstein zur 3. Division. Der Oberst wurde Witzlebens Chef des Stabes und damit sein wichtigster Mitarbeiter.517 Witzleben hielt ihn für den klügsten Generalstabsoffizier der Armee.518 Beide haben in dieser Zeit vertrauensvoll zusammengearbeitet. Manstein beschreibt seinen Vorgesetzten als jemanden, der das »Wesentliche schnell erfasse [n]«519 konnte und »die Gabe [besaß], nicht alles selbst machen zu wollen«520. Und er fährt fort: »[Er] gewann [...] die Menschen durch sein warmherziges und liebenswürdiges Wesen.«521

In seiner neuen Funktion hielt Witzleben auch die Verbindungen zu zahlreichen zivilen Institutionen des Reiches, ebenso zu Vertretern der Wirtschaft und dem Diplomatischen Corps.522 Die Verbände der 3. Division befanden sich auf dem Territorium des Wehrkreises, der territorial der Fläche der preußischen Provinzen Brandenburg, Nieder- und Oberschlesien entsprach. Im Zuge der seit dem Herbst 1933 begonnenen Aufrüstung wurde der Wehrkreis III schon 1934 in »Wehrgaue« aufgegliedert.523 Witzleben unterstanden die »Wehrgauleitungen« Berlin mit der Kommandantur Berlin, Breslau mit der 2. Kavallerie-Division, Frankfurt (Oder) mit der Kommandantur Frankfurt (Oder) und Potsdam mit dem Infanterieführer III.524 Die »Wehrgauleitungen« hatten eigene Stäbe. Im Zuge der Aufrüstung der Reichswehr wurden sie – sofern noch nicht geschehen – ab Oktober 1934 zu Division entwickelt, gleichzeitig wuchs die 3. Division zum Generalkommando des III. Armeekorps auf.525 Zunächst blieb es aber noch bei den bisherigen Tarnbezeichnungen.

Witzleben war mit diesen Aufgaben, die sich aus der Aufrüstung ergaben, intensiv beschäftigt. Daneben nahmen Truppenbesuche viel Zeit in Anspruch, da der Wehrkreis sehr groß war.526

Im Rahmen der nationalsozialistischen Durchdringung von Gesellschaft und Staat wurde am 28. Februar 1934 der sogenannte »Arierparagraph« durch den Reichswehrminister von Blomberg erlassen. Damit wurde das 1933 verabschiedete »Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« auch in der Reichswehr angewandt. Die Nationalsozialisten wollten sicherstellen, dass nur »reinrassige Arier« in der Armee verblieben und Juden entlassen würden.527

Der bislang einzige bekanntgewordene Protest von »einigermaßen grundsätzlicher Art«528 von Angehörigen der Reichswehr kam aus Witzlebens Wehrkreiskommando:

Unter der Überschrift »Gedanken zur nachträglichen Anwendung des Arierparagraphen auf die Wehrmacht«529 protestierte Witzlebens Stabschef Manstein am 21. April 1934 beim Oberbefehlshaber des Heeres, General der Artillerie Freiherr von Fritsch, beim Chef des Truppenamtes, Generalleutnant Ludwig Beck, und bei Blombergs Stabschef, Generalmajor Walter von Reichenau.530 Manstein konstatierte, dass die Zahl der betroffenen Offiziere und Soldaten sehr gering sei, aber trotzdem Protest notwendig wäre. Ihm ging es vor allem um zwei Aspekte. Zum einen hielt er die Behandlung der jüdischen Kameraden, die sich im Ersten Weltkrieg tapfer geschlagen hatten, für unfair. Zum anderen fand er es auch unkameradschaftlich, jüdische Soldaten auszuschließen, die in schwieriger Nachkriegszeit freiwillig in der Reichswehr gedient hätten.531 Die Protestschreiben sandte er mit Zustimmung Witzlebens ab.532 Ihr Inhalt richtete sich nicht grundsätzlich gegen die nationalsozialistische Judenpolitik, aber der Protest artikulierte, dass derjenige, der für Deutschland gekämpft hatte, als Patriot anzusehen sei.533

Blomberg – dem Reichenau Mansteins Schreiben gezeigt hatte – reagierte empört und wollte gegen Manstein vorgehen. Das verhinderte aber Fritsch, der erklärte, es sei seine Angelegenheit als Chef der Heeresleitung. Er beließ es dabei, die von Blomberg erlassene Verordnung blieb allerdings weiter in Kraft.534 In dieser Zeit beschränkte sich Witzlebens Kritik an der nationalsozialistischen Regierung auf Sachfragen und einzelne Details. Er betrachtete aber auch das Auftreten mancher ihrer Repräsentanten kritisch; Hitlers Attitüden und die seiner NS-Funktionäre lehnte er völlig ab.535

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